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2 Einleitung. unterscheiden. Diesen Weg kann die Geologie nicht oft einschlagen, weil sie die Bedingungen, unter denen die Natur arbeitet, nicht immer vollständig kennt, und wenn sie sie kennt, nicht immer herzustellen vermag, da ein wesentliches Moment, die Zeitdauer, nicht stets durch Intensität sich ersetzen lässt. Dennoch verdankt die Geologie dem Experiment höchst werthvolle Auf klärungen, von denen nur die künstlichen Darstellungen der Mineralien und der Gesteine genannt werden mögen. Aus dem jugendlichen Alter der Chemie, welche erst mit Lavoisier zu wägen beginnt, und dem entsprechenden Alter der Mineralogie, deren Entwickelung zum grossen Theil mit der der Chemie zusammenfällt, aus der späten Entfaltung von Zoologie und Botanik zu ratio nellen Wissenschaften folgt das jugendliche Alter der Geologie. Einen solchen Wechsel ihrer leitenden Anschauungen zeigt kaum eine andere Disciplin; die Geologie spiegelt eben in ihren Fortschritten die Fortschritte der übrigen naturwissenschaftlichen Zweige. Nicht dass sie ganz allein von diesen abhängt; sie besitzt ihr selbständiges Forschungsgebiet und ihre eigene Methode; aber ihr Charakter wird bedingt durch die Complication ihrer Aufgabe, deren Lö sung in immer rascheren, wenn auch bisweilen vom geraden Wege abweichenden Schritten sich vollzieht. Man muss sich des Wortes von Berzelius erinnern: „Hypothesen sind Brücken zur Wahrheit, aber bisweilen irreführende Fusssteige.“ Entsprechend dem Titel des Werkes ist auch in diesem dritten Bande auf den allgemeinen und chemischen Theil die grössere Rücksicht genommen und die Paläontologie, die Lehre von den Floren und Faunen der Vorwelt, nur in ihren Resultaten erwähnt. Da der erste Band die geognostisch wichtigen Mi neralien, den grössten Theil des hierher gehörigen Hydrographischen und die Ab sätze, der zweite Band die Lehre von den Gesteinen, die Petrographie, behan delt, so beansprucht in diesem dritten Bande das Stoffliche nur geringen Raum. An eine kurze geogenetische Darlegung knüpft sich die Frage nach der Erstarrungsrinde, an diese die Lehre von der Entstehung der krystallinischen Schiefer und die Erörterung des Metamorphismus. Der allgemeinen Darstellung der Eruptivgesteine und der Sedimente folgt die Formationslehre, die Lehre von der Bildung des Landes und der Gebirge, die Lehre von der Erosion, die von den vulkanischen Erscheinungen, von den Gletschern und vom Diluvium; den Schluss bildet eine Darstellung der Erzlagerstätten. Zur Urgeschichte der Erde. Durch die von Kant 1 ) 1755 aufgestellte, von Laplace 2 ) und W. Herschel ausgebaute Nebelhypothese verknüpft sich die Urgeschichte der Erde mit der des Sonnensystems. Darnach entstand unser gesammtes Sonnen system durch allmähliche Verdichtung eines anfangs über die Bahn des Neptun D J. Kant. Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprünge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt. 1755. — 2 ) Laplace. Exposition du systfcme du monde. Ed. I. 1796.