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Einleitung*. Die Aufgabe der Geologie ist die Geschichte der Erde, die Untersuchung der Veränderungen, welche die Erde seit ihrem Ursprünge erfahren hat. Es ist Geschichte in einem anderen Sinne als gewöhnlich, nämlich mit nur relativen Daten; denn sie beginnt, ehe Menschen, ehe überhaupt Organismen vorhanden waren. Die Geologie untersucht, um ihre Aufgabe zu lösen, das Material der Erdveste, seine Bildungsweise, seinen Aufbau, seine Veränderungen in Raum und Zeit, die Aufeinanderfolge der Organismen in Faunen und Floren, sowie deren Verband mit den jeweiligen Meeren und Ländern. Sie beginnt mit der Untersuchung des jetzigen Geschehens und des heutigen Zustandes, welchen sie bald als die Folge einer langen Reihe früherer Vorgänge erkennt, und schreitet dann nach sorgfältiger Prüfung der gewonnenen Ergebnisse immer weiter zurück in der Zeit, in dem vollen Bewusstsein, dass zwar die Schlüsse immer kühner, aber desshalb nicht weniger sicher werden. Soweit die Untersuchung wägt und misst, ist die Geologie eine exakte Wissenschaft, aber ihr bei Weitem grösserer Theil ist induktiv; Schlüsse erster Ordnung werden zu Schlüssen höherer Ordnung verbunden und aus der Summe der Erfahrungen allgemeine Sätze abgeleitet. Will man die Darstellung des heutigen Zustandes Geognosie nennen, so heisst die Darstellung der in Zeit und Raum aufeinander folgenden Veränderungen Geologie. Beide Zweige können einander nicht entbehren, sie sind erst zusammen ein Ganzes. Das Verständniss der unorganischen Welt erfordert Kenntniss der Physik, Chemie, Mineralogie; für das Verständniss der organischen Welt sind zoo logische und botanische, für die Anfangszustände der Erde als eines und zwar kleinen Gliedes Eines Sonnensystems astronomische Kenntnisse nöthig. War demnach die Ausbildung so vieler Zweige der Naturwissenschaft erforderlich, ehe eine wissenschaftliche Geologie entstehen konnte, so war ihr Fortschritt nothwendig gebunden an den Fortschritt der von ihr als Hülfswissenschaften benutzten Disciplinen. Ein Theil derselben gelangt langsam, aber sicher zur Erkenntniss durch das Experiment, welches dem Beobachter gestattet, durch Wechsel der Bedingungen das Besondere und Zufällige vom Allgemeinen zu Roth, Geologie. III. 1