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»tt Aufzählung und veueunnng dir Bataillon,, Schwadronen und Batterien unterstützte Behauptung der Kölnischen Zeitung und de« Rheinischen Courier», daß die Hälft« der russischen Armee westlich der Linie Lünaburg-Klew und gegen die Grenzen zu immer dichter ausgestellt sei, wurde von der russischen Presse längere Zeit mit absolutem Schweigen über gangen ; dann kamen einige «ehr sür den russischen, al« für den deutschen Leser berechnete Andeutungen, daß die deutschen Blätter arge Fabeln über die russische Truppen-Ausstellung verbreiteten. Eine schüchterne Aeußerung der deutschen Petersburger Zeitung, «S wäre doch wohl zweckmäßig, wenn man sich von osficieller Seite über die Zahlen-Angaben äußerte, blieb ohne Wirkung und ist auch bi- heute unberücksichtigt geblieben. Alle«, was wir osficiell oder osficiös au« Rußland erfahren haben, beschränkt ^fich auf die Versicherungen, die nicht ganz mit einander Harmoniken: e« stünden keine auffallend großen Truppenmassen an der Grenze, und e« sei immer so gewesen und e« seien erhebliche Reduktionen beschlossen worden. So lange die statistischen An gaben der genannten beiden deutschen Blätter nicht ausdrücklich widerlegt und so lange, deren Richtigkeit vorausgesetzt, nicht eine Verlegung von Truppen nach Osten stattgefunden hat, würde die deutsche Presse nicht ihre Pflicht erfüllen, wenn sie den Gegenstand aus den Augen verlöre:" England hat nunmehr die vollste Blüthe des Nothstande» in seiner eigenen Hauptstadt. Vor einigen Tagen fand nämlich in London selbst im Hhdepark ein Meeting beschäftigungsloser Arbeiter statt, um den infolge des fast gänzlichen Stillstandes der Geschäfte unter den arbeitenden Classen der Hauptstadt herrschenden Nothstand und die Mittel und Wege in Betracht zu ziehen, um eine Besserung der Zustände herbeizoführen. Mr. D. Leicester, Secretär de« GlaSbläser-Verein», führte den Vorsitz und e« hatten sich ungefähr 300 Personen ein gefunden. Nachdem der Vorsitzende sein Bedauern ausgedrückt, daß die Demonstration nöthig geworden sei, äußerte er sich in eingehender Weise über den im ganzen Lande herrschenden Nothstand und da« damit verknüpfte Elend. In Sheffield und Durham herrsche große Noth; an letzterem Orte befinden sich derzeit 10,000 Arbeiter ohne Beschäftigung Von 150 Oefen seien 100 gelöscht. Im Londoner Baugeschäfte herrsche großer Stillstand; sehr viele Ärbeirer seien brotlos. Es seien dies erschreckliche Zustände und ein Schandfleck für das Land. Er halte die arbeitenden Classen Englands für die friedlichsten und fleißigsten Menschen auf der ganzen Erde und könne nicht begreifen, wie es komme, daß der Hunger in die Hütten der Armen gedrungen und auf allen Gesichtern geschrieben stehe. Sein eigene» Gewerbe habe die Vorsichtsmaßregel gebraucht, sich selber zu besteuern, so daß die unbeschäftigten Genossen nicht in'« Arbeitshaus zu wandern hätten; allein auch in dieser fürsorglichen Genossenschaft be finden sich je Einer von Vieren außer Arbeit. Seien sie etwa vom Teufel regiert? Nein. Ueberall herrschten die Gesetze Gottes und der Ueberfluß. England sei das reichste Land der Welt. (Eine Stimme: Und wir verhungern darin!) England be« fitze die größten und reichsten Gutsbesitzer und die reichste Corporation der Welt; die Corporation der City von London stöhne unter ihrem Reichthum. Geld und Korn seien niemals billiger gewesen; letzteres seit 100 Jahren nicht. Der Arbeiter besitze Muth, Beharrlichkeit, Fähigkeit und Stärke und sei ein friedlicher, den Gesetzen gefügiger Bürger, allein trotz all' dem Reichthum, der ihn umgebe, bleibt er arm. Und warum dies? Weil das Land eine Regierung besitze, die an Ruhm und Pulver Gefallen finde. Dor 5 Jahren habe man 16,000,000 Pf. St. Steuern gestrichen. Eine Meisterhand hat damals da» Land regiert. Al» Gladstone gegangen, sei ein Ueberschuß von 6,000,000 Pfd. St. vorhanden gewesen, jetzt herrsche ein Manco von 8,000,000 Pfd. St., eine Differenz von 14,000,000 Pfd. St. um Afghanen zu morden und Zulu» zu schlachten, und mit Feuer und Schwert Leute zu verfolgen, die den Engländern Nichts gr- than hätten, würde der Segen Gotte» in Fluch verwandelt rc. rc. Schließlich verlaß der Redner eine Denkschrift, welche Lord Beaconsfield überreicht werden soll, und in welcher der Premier ersucht wird, seinen Einfluß geltend zu machen, um einen Theil der Arbeitslosen besser zu sichern. Zugleich aber erklärte der Redner, daß Delegirte freier Ge nossen vom Baufach aus allen Theilen der Haupt stadt sich dahin ausgesprochen hätten, daß nie zuvor ein solcher Nothstand unter dieser VolkSclasse ge herrscht habe. In den Vereinigten Staaten von Nord amerika findet in diesem Jahre die Wahl eine§ Präsidenten auf vier Jahre statt. Allem Anschein nach wird General Grant, der Eandidat der republikanischen Partei, der bereit« zweimal da höchste Amt der Union bekleidete, gewählt werden. Es ist rin beachten-werthr« Zeichen der Zeit, daß diese Wahl bei vielen unabhängigen Gemüthern keinen Anklang findet, weil sie in der dreimal wieder holten Wahl Grant'S dir Gefahr erblicken, daß ein Mann einen nahezu monarchistischen Einfluß er halten könnte. Grant hat alle bedeutenden Höfe der Welt besucht und ist von den Monarchen fast als lieber Vetter begrüßt und geehrt worden; die rauhen Eöhne der Freiheit, deren e» allerdings nicht mehr so viele giebt, al» in den Geburtszeiten der nordamerikanischen Union, finden eS nicht schön, daß Grant sich im Ausland» königl. Ehren erweisen ließ, sie mißbilligen den sogenannten GrantcultuS, vor Allem aber hassen sie in Grant den Abgott der Armee, und wenn diese in Nordamerika nicht zu klein wäre, so läge ein Staatsstreich und eine Grant'sch« Präsidentschaft auf Lebenszeit nicht außerhalb aller Möglichkeit. Grant versteht es, seine Landsleute zu enthusiaSmiren. Er ist stet» der bescheidene Bürger, er währt die Ovationen, schweigsam wie Moltke, ab, aber dennoch gleicht feine Reise von San Francisco nach Philadelphia einem Triumphzug. Die Gegner bekämpfen seine Candidatur, weil seine Verwaltung große Mißgriffe aufzuweisen hatte, im Grunde fürchten sie noch nicht, in ihm sich einen Imperator aufzuhelfen. Aber einzelne Stimmen warnen vor Grant als dem Mann, den es gelüsten könnte, eine Dynastie in Amerika zu gründen. Da» die« nicht geschieht, dafür bürgt wohl der amerikanische Unabhängigkeitssinn, der den General Grant in sein Nichts zurückschleudern würde, wenn er versuchen sollte, da» Wesen de» Freistaaten bundes, die republikanische Verfassung anzutasten. Fürst Bismarck ist am 26. Januar Abends 6 Uhr in Berlin eingetroffen. Der Kaiser hat das EntlaffungSgesuch der cömmandirenden Generäle de» 8. und 11. Corps, v. Göben und v. Bose, sowie des Gouverneur» von Coblenz, General v. Beyer, nicht angenommen, sondern in einem überaus huldvollen Schreiben an dieselben betont, wie er, der Kaiser, die Generäle, die so Großes geleistet, noch länger der Armee zu erhalten wünsche. Dagegen ist das wiederholt ein gereichte Entlassungsgesuch de- cömmandirenden Generals de» 5. Armeecorps, v. Kirchbach, ange nommen worden. Der dem BundeSrathe zugegangene Reichs- Militäretat pro 1880/81 weist im Ganzen im Ordinarium eine Mehrforderung von etwa 3,600,000 Mark auf, welche verlangt werden sür die Natural verpflegung infolge der gesteigerten Preise für Lebens mittel und Fourage. Sonst weist der diesjährige Militäretat gegen den des Vorjahres nur sehr ge ringe Aenderungen auf. E» ist lehrreich, auf Grundlage von statistischen Daten, welche die Frankfurter Zeitung unlängst zu sammengestellt hat, in einigen Worten auch auf das Thema cinzugehen, welche Summe da» Militär budget den Staaten Europa« kostet und in welchem Maße diese Ausgabe in den letzten Jahren, in der kriegerischen Epoche seit 1865, gestiegen ist. Während da« Budget Deutschlands, das heißt der deutschen Staaten zusammen genommen, im Jahre 1865 637 Millionen Mark betrug, von denen auf da« ge- sammte Militärwesen 198 Millionen Mark entfielen, betrugen die entsprechenden Summen 1879 bereit« 1321 Millionen Mark und 427 Millionen Mark für den Militäretat. In Deutschland hat sich also bisher der Militäretat in 14 Jahren um mehr als da« Doppelte, um 229 Millionen Mark, gehoben, wenngleich er noch eben — und sogar mit dem be antragten künftigen Aufschläge, erheblich geringer ist, als der Aufwand anderer Staaten. Rußland, Eng land und Frankreich kostet ihr Militär mehr, näm lich ersterem 730, England 645, Frankreich 540 Millionen Mark, wenn auch die Steigerung nirgend so bedeutend gewesen ist, wie gerade in Deutschland. In ganz Europa hat da« Militärwesen, Land- und Seemacht zusammen, im vergangenen Jahr den StaatSunterthanen 3219 Millionen Mark (gegen 2352 Mark im Jahre 1865) gekostet. Das ist eine horrible Summe, die e« wohl erklären kann, daß Frankreich 16,500, Großbritannien 15,565, Rußland 12,000, Spanien 10,500, Oesterreich-Ungarn 8425, die Türkei 5000, Deutschland 4400 Millionen Mark Staatsschulden besitzen, daß die gesammte CtaatSschuldenlast Europa« 86,492,000,000 Mark beträgt und in 14 Jahren um 33,957,000,000 Mark gestiegen ist. Solche Zahlen müssen stutzig machen und zum Nachdenken anregen. Paris, 26. Januar. Nach einer Bekannt machung de« Ministerium« der Posten und Trle» graphen ist da« neue Kabel zwischen Pari« und» New-Jork für den internationalen Verkehr eröffnet, worden. Rom, 26. Jan. Depreti« Verla« in heutiger Kammersitzung ein Königliche» Decrrt, wonach die gegenwärtige Session vertagt wird. Au» Panama schreibt man unterm 24. Tau.r Nachrichten au» Lima vom 14. d. M. melden, daß: die peruanische Regierung den Anträgen de« deutschem Ministerresidenten entsprochen und den Dampfer „Luxor" zur Verfügung der „Ko«mo«"-Gesellschaft. freigrgeben hat. (Der „Luxor", ein Hamburger Packetdampfer, war bekanntlich von den Peruaner«' confi-zirt worden, weil derselbe angeblich Kriegs contrebande an Bord führte. Die deutsch« Regierung protestirte dagegen und sandte zur Unterstützung de» Proteste« ein Kriegsschiff in die peruanischen Gewässer.) Sachsen. Ihre königl. Hoheiten der Erbgroßherzog und- die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar sind arm 22. d. M. Nachmittags von Dresden nach Weimar, zurückgereist. Se. Majestät der König hat den Commandeur der 3. Infanterie-Brigade Nr. 47, Generalmajor von Tettau, in Genehmigung seine« Abschiedsgesuche» mit Pension und der Erlaubniß zum Forttragen der: Generals-Uniform mit den vorgeschriebenen Abzeichen zur Disposition zu stellen und dem genannten- Generale bei diesem Anlasse den Generalli-utenants- Charakter verliehen. Se. Excellenz der Generallieutenant der Cavallerie und Commandant der Stadt Dresden, Herr vom Miltitz, ist am 24. Januar früh H6 Uhr nach langen und schweren Leiden au« dem Leben geschieden. Da-: königl. sächs. Kriegsministerium widmet dem- Ver ewigten al« einem ebenso tapferen wie liebens würdigen Führer und ritterlichen General einen ehrenden Nachruf. Herr von Miltitz wurde zu Siebeneichen bei Meißen, dem Stammgute der Familie von Miltitz, 1825 geboren, trat 1839 in« CadettencorpS, 1844 in die k. s. Armee al» Lieutenant, später in kaiserlich österreichische Dienste, kehrte aber nach dem Feldzuge 1866 in vaterländische Dienste zurück, wurde Regimentskommandeur eines der neu errichteten Ulanenregimeoter, später Brigade general, und ist 1874 von Sr. Maj. dem Könige zum. Generalmajor und vor wenigen Tagen zum General lieutenant ernannt worden. Die Beerdigung findet heute Dienstag 11 Uhr vom Trauerhause nach dem inneren Neustädler Friedhöfe statt, welchem Se. Maj.. der König beiwohnen wird, sowie die sämmtlichen Generäle und Stabsoffiziere. DI« Trauerparade,., welche Herr Generalmajor von Rudorfs befehlige» wird, besteht au« einem Bataillon de« Schützen- Regiment«, „Prinz Georg" Nr. 108, zwei Escadronen de« königlichen Garde-Reiter-RegimentS und einer Batterie de« 1. Feld-Artillerie-Regiment« Nr. 12,. zu 6 Geschützen. Se. Majestät der König hat die Stelle de« ersten. Professor« und Ordinarius in der Juristenfacultät der Universität Leipzig dem Geheimen Rath Professor vr. Windscheid übertragen. Demitz, 26. Januar. Am gestrigen Tage wurde von 5 Lehrern sden Herren Schulze (Canne- witz), Kaiser (Göda), Borsch (Coblenz), Michela (Neukirch) und Richter (Neukirch)j auf hiesiger BahnhosSrestauration ein Instrumental- und Vocal- Concert zum Besten der Hinterlassenen der verun glückten Bergarbeiter von Zwickau gegeben, welche» al« ein durchgängig wohlgelungene» bezeichnet werden muß, denn sämmtliche Clavier-, Violin- und Gesang- Dorträge wurden mit dem größten Applau« aufgr- genommen. Der Besuch war ein sehr guter und wurden über 90 Mark eingenommen, so daß über 60 Mark für den milden Zweck abgeliefert werden können. 2» Umschau in der Lausitz, 26. Januar. Der 30jähr. Fabrikarbeiter Stürmer au» Olbersdorf bei Zittau hat sich am 16. ds«. MtS. vergiftet.. — Am 13. fuhren die beiden Mädchen de» Gr» meindevorstand Heidan zu Luga auf dem Handschlitten und kamen auf dem Teiche in ein Loch, wo beide in Lebensgefahr geriethen. Marie Roitsch rettete da- eine Kind mit eigener Gefahr vor dem Ertrinken. Da« andere konnte sie nicht erreichen und r» hätte ertrinken müssen, wenn nicht noch im letzten Augen blicke der Vater des Kinde- herbeigekommen und Hilfe gebracht hätte. — Der Gemeindevorstand von. SpitzkunnerSdorf hat sich in einem Prager Gasthofe erschossen. — Der Humboldverein zu Seifhennersdorf, der auf 182 Mitglieder angewachsen ist, feierte am 20. Januar sein 9. Stiftungsfest. — Im Gewerbe verein zu Kamenz hielt Herr LandtagSabgrordneter Hildebrandt au» Scheckthal einen sehr beifällig auf-