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Auf irrem Pfad Novelle von Konrad Telman«. Leonore Roman von George Füllhorn. Aus der Plauderei „Beim Friseur" von K. H. Prenff. - en im Kovfi , Genuathuung für «in unvei,., , dies« Unterredung." Er hatte ihr« Hand er und er führt« fi« an fein« heißen Ltpnen. aufathmend, und leine Hellen Rügen glühten in leidenschaftlichem Feuer, „ich sollt« dir Gunst diese» Augenblicke» nützen, anstatt mich über di« inhaltlv» verrauschten zu benagen. Ich will «» auch —" Zum Kapitel der Trinkgelder. Folgende Anekdote vom ver storbenen Fürsten Hermann von Pückler-MuSkau charakterisirt die Feinfühligkeit de« wahren Edelmann»» im Verhältniß zu ver Plumpheit und dem berechnenden Sinne de» Geldmanne». Fürst Pückler besuchte während seine» Aufenthalt» in Hamburg häufig ein Hau», wo die leider viel verbreitete Unsitte herrschte, die Diener schaft sehr auf di« Trinkgelder der Gäste anzuwetsen; di« Herrschaft bekümmert» sich bisweilen ganz merkbar um diese» »erhältnih und sprach von den Gaben, machte auch wohl den Gästen, welche zu wenig schenkten, «ine Unehre daran». Abend» nach dem Esten, welche» gewöhnlich in nur einem Gericht«, sehr ost in einem «««fsteak be. stand, begleitete der Wirth den Fürsten htnau» und gab Ach», ob und auch «»möglich, wieviel er Trinkgeld gab. Einmal «ar da» Pückler doch gar zu mißfällig, «Nd al» unierten Auaen de» Wirth«» vier Bedient« »zugleich sich zur Hand de» Fürsten drängten, stand er plötzlich still, wandt« sich zu dem Hern; de» Hause» und fragte mit liebenswürdigster Unschuld: „Saarn Sie mir doch gütigst, welchem von diesen Leuten soll ich denn eigentlich mein Beefsteak bezahlen? immer entzückter über den Duft, den da» Wasser au»strümte; dann griff er eiligst zu Hut und Stock und rannte zum französischen Ge neral, ihm die freudig« Botschaft zu bringen. Lage de» Glücke» zogen nun über Köln herauf, denn der Unwille der Franzosen war bezwungen. So lange Maria Clementine Martin lebt«, stellte sie da» Wasser her. Nach ihrem Lode siel da» Reeept dem Kloster zu, in welchem dann ein große» Laboratorium eingerichtet wurde, wo sämmtliche Nonnen mit Hand anlegen mußten. Balo fand sich auch ein Pächter, der hinter der Klosterkirche einen Laden anlegt«. Eine» schönen Lage» aber that sich dem Jülichsplatze gegenüber ein anderer Lau äs Eoioxne-Laden auf, und rin Italiener, Namen» Johann Maria Farina, stand darin und behauptete, sein Bater wäre der wirkliche Erfinder de» Wasser» gewesen und hätte dem Vater jener Paula Femini», mit dem er den Kerker getherlt, da» Recept mitge« theilt. Die Kölner aber kümmerten sich nicht weiter um den Erfin- dungSstreit, sondern freuten sich ihre» dem Wasser zu verdankenden Ruhme» und Glückes. * * „Sie verweigern mir diesen Tanz?" fragte der Freiherr. — „Ich versichere Sie, daß ich nicht im Stande bin," war die Er widerung, „ich bin ermüdet, die Hitze ist unerträglich." — „Es wäre also eine Gunst von mir, wenn ich Ihnen die Erfüllung Ihres Ver sprechens nachließe, denn Sie haben mir diesen Walzer zugesagt." Sie lachte. „Und das sprechen Sie in so feierlichem Nednertone," rief sie, „als wollten Sie fortfahren: Wie werden Sie mir für so hohe Gunst danken, mein Fräulein?" Auch über seine Züge, dre eine Wolke des Unmuths beschattet hatte, flog jetzt ein Lächeln. — „Gunst gegen Gunst," sagte er, „oder ich bestehe auf meinem Rechte." — „Und wenn ich demungeachtet bei meiner Weigernng beharre?" — „So entführe ich Sie mit Gewalt und wirble so lange mit Ihnen über die Parquets, bis der letzte Geigenton verklungen ist!" Eugsnie ließ hinter ihrem Elfenbeinfächer, mit dem sie sich Kühlung zuwehte, unruhige Blicke durch den Saal schweifen. — „Es käme noch darauf an, worin die Gegengunst bestehen sollte," sagt« sie langsam. — Des Freiherrn Auge leuchtete auf. „In einer einzigen Erklärung, Eugenie," erwiderte er warni. „Und diese Erklärung" — er wollte sprechen, als ihre dunklen Augen groß sich auf ihn hefteten, versagte ihm die Stimme. „Nicht hier," stotterte er, „wenn Sie ermüdet sind — vielleicht, daß wir im Nebenzimmer —" — „Eine Gunst, die sich ge währen läßt, Baron, ich sehne mich ohnehin nach Kühlung und Ruhe. Reichen Sie mir Ihren Arm." Er führte sie stolz und sicher durch die Reihen. Die Augenpaare, die ihnen aus vem Ballsaal unwill kürlich nachfolgten, schienen einstimmig zu sagen, daß man ein schöneres Paar kaum je gesehen. Freiherr von Lenzendorf war hochgewachsen, eine nordische Reckengestalt, mit lichtblauem Auge und natürlich gekräuseltem blonden Haar, während Eugenie von Senden klein und zierlich, mit fast südlicher Lebendigkeit und Grazie neben ihm her schritt, und ihr dunkler Lockenkopf mit den tiefschwarzen Augen in fesselndem Kontrast zu dem ihres Begleiters stand. Sie hatten eine Flucht von Zimmern durchschritten, bis Werner die Thür eines klemen Gemaches aufstieß, das ihm Eugenie als das einzige be zeichnet hatte, wo man ungestört sein werde. Der anmuthig aus gestattete Raum mit epheuumzogener Fensternische, in der vor einem Divan ein sauber gearbeiteter Mosaiktisch stand, war durch eine roth- glühende Ampel nur dämmerig erhellt. Der Lärm vom Ballsaal war hier verstummt und eS überkam den Freiherrn seltsam, al» sie in diese Stille eintraten. Eugenie hatte sich auf dem Dwan nieder gelassen und bat ihn, sich emen Sessel neben sie hinzurollen. „So," sagte sie, mit ihrem Fächer spielend, „nun sind wir allein und Sie können reden." — „Eugenie," begann er und seine Stimme zitterte leise, „wollen Sie ganz offen gegen mich sein?" — Ihr Blick traf ihn unter den langen Wimpern hervor halb ängstlich, halb neugierig. „Wie immer," entgegnete sie „zweifeln Sie an mir, Werner!" Die Nennung feine» Vornamen» schien ihn zutraulicher zu machen. Er rückte seinen Sessel dicht neben ihr Lager und sagte, «rnsi auf sie niedersehend: „Ja, Eugenie, seit diesem Abende —" — „Weit ich Ihnen eine fast besetzte Tanzkart« vorzeigen mußte, al» Sie im Drang« Ihrer Geschäft, vergessen hatten, zur rechten Zeit in unseren Salon» zu erscheinen? Seien Sie kein Kind, Werner l" Sie schlug ihm spielend mit dem Fächer auf die Hand. „Ein Diplomat," lachte sie, al» er nicht gleich «in« Erwiderung sand, „und solch« kindischen Grillen im Kopf«! Ich weiß nicht, ob ich Ihnen ein» glänzender« Aenugthuung für «in unverschuldete» Unrecht gewähre« konnte, al» . . ' - ' - ' ' sattsten, bi« sie ihm ließ, >p«n. „Sie haben recht," sagt« er lgrn glühten in leidenschaftlich Augenblicke» nützen, anstatt m Bet Vossen». Johann Heinrich Voß, der Dichter der „Louise," der Uebersetzer des Homer, hatte als Rektor zu Otterndorf im Lande Hadeln 1778—I78S nicht mehr, als etwa 300 Thaler Gehalt; das Uebrige, was er zum Leben brauchte, mußte er durch literarische Arbeiten verdienen, wie er denn schon in Otterndorf zum Beispiel die Uebersetzung der „Odyssee" vollendete. Die Stellung deS be rühmten Gelehrten und Dichters war somit nicht gerade eine glänzende. Dadurch gewinnt jedoch folgende Schilderung einer Fete an Interesse, zu welcher Voß und seine Frau Ernestine eines TageS ihre Ottern dorfer Freunde eingeladen hatten. Die Anstalten dazu waren schwierig. ES haperte an allen Ecken und Enden. Da waren nicht Teller, nicht Gläser, nicht Stühle, nicht Tische genug, so daß dem Mütterchen Ernestine angst und bange wurde. Vater Voß aber ließ den Muth nicht sinken. „Nur nicht gleich den Kopf verloren," sagte er; „haben w,r keine Tellern und Schüsseln, so mach' ich's wie bei meinen Buchhändlern und lasse von allen Seiten welch« „zur Ansicht" kommen; fehlen uns Gläser, so haben wir noch viel Schöneres. Da ist der große Göttinger Pokal, der soll kreisen. ES hat der ganze unsterbliche Hainbund daraus getrunken: Stollberg und mein Hölty, Miller, Leisewitz und Hahn und selbst der herrliche Lenorensänger. Wenn solche gottbegeisterte Lippen ihn schon berührten, dann können unsere guten Hadler es sich nur zur ungeheuren Ehre anrechnen, daß sie daraus trinken dürfen." — „Nun aber die Stühle!" — „Ja, das ist allerdings ein fataler Punkt!" — „Halt, dafür weiß ich Rath," entgegnete Ernestine. „Wozu könnten Deine alten, dick bäuchigen Folianten irgendwie besser und würdiger benutzt werden?" — „Bravissimo! Du weiseste aller deutschen Hausfrauen," rief Voß aus. „Das ist ein unbezahlbarer Einfall. Unsere gewichtigen Sadler sollen sich einmal bei mir mit Leibeskräften auf die alten Klassiker werfen, und das soll ihnen gut bekommen." So ward denn der „Festsaal" hergerichtet; rings an den Wanden wurden auS all' der griechischen und römischen Weisheit und Poesie in Pappe und Schweinsleder für die hvchwerthen Hadler alle Arten von DivanS, Sophas und Sessel erbaut, so vortrefflich und praktisch, daß der Herr Rektor und die Frau Rektorin ihrs Herzensfreude daran hatten. Und auch dis Fete selbst fiel über alle Maßen prächtig aus. Mütterchen Ernestine zeigte sich als perfekte Köchin, Vater Voß ließ im Pokal den edlen Rheinwein kreisen und war so unerschöpflich im Erzählen köstlicher und derber Schnurren, daß das kleine, schwach gebaute Rektoratshaus bald von einem fortwährenden, wahrhaft homerischen Göttergelächter bis in seine Grundfesten erdröhnte. Jn- deß noch auf ganz andere Art sollte es erschüttert werden. Manche glattlederne Foliobände hatten sich nach und nach, je mobiler die Gesellschaft geworden, verschoben, und mit einen, Male brach ein solcher Bücherthron unter einem alten, schwerwiegenden Schultheißen zusammen, und unter erneutem und verdoppeltem Lachdonner, lag der würdige, gesetzgebende Körper stöhnend am Boden, mühsam sich wieder emporarbeitend. Bei diesem einzigen Falle blieb es aber nicht; der Schultheiß hatte vielmehr dis Genugthuung, noch mehrere der eingeladenen, gleich ihm „gewichtigen" Hadler von ihrer klassischen Höhe herabsinken zu sehen. Und doch waren schließlich alle Gäste der Ansicht, solch' einen prächtigen Abend noch nie erlebt zu haben, und noch lange erhielt sich aus jener genügsamen, anspruchslosen Zeit in Otterndorf die Tradition von der großen Festlichkeit bei Vossens. «» Der Herr erblaßte und stotterte Entschuldigungen. Pückler besuchte aber seitdem da» Hau» nicht mehr. Jene von Pückler so scharf ge rügte Unsitte greift leider in unseren Tagen immer mehr um sich. Namentlich werden die Kellner und Droschkenkutscher immer an spruchsvoller. Will man nicht mürrische Gesichter sehen, nicht wider willig bedient und unhöflich behandelt sein, so muß man sich «ine Steuer auferlegen, deren Jahressumme fast dem Betrage der staat lichen Einkommensteuer gleichkommt. Eine gute Bedienung, ein freundliches Wesen belohnt man wohl gern noch «tra. Aber auch hier wird man, wenn man die Absicht merkt, verstimmt; e» ver drießt, wenn man sieht, daß nur auf «in reichliche» Trinkgeld speculirt wird und daß sich die Scene sofort ändert, wenn man nicht „nobel" gewesen. Die Gründerperiode hat in dieser Beziehung, wie in so vielen anderen, «ine üble Nachwirkung zu Tage gefördert; aber e» liegt in der Hand deS Publikum», die kostspielige Unsitte nicht weiter wuchern zu lassen. ** Die Zeitung „Die Post" in Berlin sagt: Literarische». Der rührige Verlag von Werner Große in Berlin bringt jetzt den fünften Jahrgang seiner „Neuzeit, Lesehalle für Alle" zur Ausgabe, die sich einer Auflage erfreut, um welche sie die größten deutschen Zeitungen beneiden dürften. Wie e» aber möglich, jede Nummer dieses belletristischen Journal?, bestehend au» drei großen Quartbogen, für zehn Pfennige und d»«i« zehn Nummern deS Quartal», also 89 Bogen für eine Mark SS Pf. zu liefern, ist ein für un» unergründliche« Geheimnttz de» Herrn Werner Große. An Reichhaltigkeit de» Inhalte» ist auch kein Mangel; so bietet beispielsweise die un» vorliegend« Nr. 1 diese» fünften Jahrganges den Anfang von einem Romane, zwei Novellen, einigen kleineren Erzählungen, bunte» Allerlei, Räthsel u. s. w., so daß e» reichlich der Mühe lohnen dürst«, durch Einblick in diese» Heft sich von der Fülle de» äußerst anregenden Material« zu überzeuaen. Die „Volks-Zeitung" in Berlin sagt: Literarische Novität. „Die Neuzeit", ein« Lesehalle für Alle, welche im Berlage von Werner Groß« in Berlin erscheint, tritt in den fünften Jahrgang ihre» »«stehen» und di« ersten Hefte derselben liegen un» vor. Der Titel erscheint un» so glücklich ge wählt, wie da» Motto: „Wer Biele» bringt, wird jedem etwa» bringen", denn der Inhalt ist «in überau» reicher und atmet den Geis» der Gegenwart. Da finden wir die ersten Abschnitt« «ine» spannenden Roman» von Georg« Füllhorn, einer Novelle vock Sundomar, einer Erzählung von Konrad Lelmann und einer Novell, von Hrstrrmann. Daran schließen sich kleinere Mitteilung«, üb« dir heuttgen Verkehrreinrichtungen, Erfindungen, Entdeckungen «. s.». Ub *8«* für den Preis von zehn Pfennigen pro Rum»,». Di« Haltung der Zeitschrift ist eine »olkStümlich«. Aymar und Leonore. Ein junger, auffallend schön gewachsener Offizier verlie einem kühlen, dunkele» Herbstabende da» Louvreschloß zu Par welchem er Dienst gehabt hatte. Er hatte seinen Militärmantel genommen und schien ttnem ersehnten Ziele entgegen»» eilen; .— er stürmte beflügelten Schritt» dahin. In den Straßen und auf den Plätzen von Pari» herrschte Abend» zu der Zeit, von welcher hier erzählt wird, noch nicht jene TageShelle, welche heute in der un geheuren Stadt durch die zahllosen Flammen Abend» und Nacht» erzeugt wird. E» befanden sich zwar an einzelnen Stellen Laternen, doch die Beleuchtung war schwach und an manchen Punkten nur dem Monde überlassen, dessen magische» Licht die Steinmassen, Erker und Balcone der riesigen Stadt jetzt noch nicht erhellte. Al» der jung» Offizier den Platz vor dem Palais-Royal erreichte, trat an einer SS« plötzlich eine Gestalt auf ihn zu. Er wollte auSweichen, doch die Gestalt vertrat ihm den Weg. „Auf ein Wort nur, Lieutenant Tol bert I" tönte eine gedämpfte Stimme. Der Angeredete blieb nun stehen und musterte erstaunt die vom Dunkel umflossene Gestalt, welche seinen Namen genannt hatte und hier auf ihn gewartet z» haben schien. Es war im Augenblick kaum zu unterscheiden, ob die selbe eine Frau oder «in Mann war. Sie trug einen breitkrämpigen Hut und einen weiten, dunkele», mantelartigen Ueberwurf, der bi» zur Erde reichte. „Wer seid Ihr?" fragte der Angeredete kurz, in dem er stehen blieb. — „Euer Freund, Aymar von Colbert!" — „Was wollt Ihr von mir? Ihr habt Euch unkenntlich gemacht!" — „Sucht nicht zu ergründen, «er ich bin!" — „Eure Stimme kommt mir bekannt vor." — „Ich komme, um Euch zu warnen! Hört mich an!" — „Ich habe Eile!" — „Eile, Aymar von Colbert? Eilt nicht zu sehr! ES zieht Euch mit magischer Gewalt zu Eurer Wohnung, in welcher Ihr die schöne Leonore und" — es war, als stockte dis Stimme der nun an des Lieutenants Seite weitergehenden Gestalt einen Augenblick, die Stimme schien einer Frau anzugehören — „und den Knaben findet" — „Wenn Ihr etwas von mir wollt, so kommt mit mir nach meiner Wohnung und erklärt Euch! Ich ver kehre nicht mit Unbekannten, ich muß stets wissen, mit wem ich zn thun habe!" — „Ihr seid nicht nur der schönste, sondern auch der klügste Offizier in ganz Paris I Di« Artillerie verdankt Euch wichtige Erfindungen! Ihr seid zu schade für das bescheidene Loos, daß Ihr in der Straße Richelieu Euch bereitet habt! Ihr seid zu Großem geboren!" — „Dieses Loos macht mich glücklich und nun genug!" fertigte Aymar die neben ihm Gehende ab. — „Glücklich?" lachte die Gestalt leise und höhnisch, „meint Ihr durch Leonore'» Liebe? Traut ihr nicht, Aymar von Colbert, sie betrügt Euch!" — „Haltet ein, wer Ihr auch seid, oder bei meiner Seligkeit! Ihr sollt mir. Rechenschaft ablegen!« — „Nur nicht so ungestüm, Lieutenant Colbert!' So lohnt man guten Freunden wichtige Nachrichten nicht! Die Bot schaft überrascht Euch, sie schneidet Euch vielleicht in'S Herz — doch Ihr müßt die Wahrheit wissen! Leonore ist Euch nicht treu!" — „Sticht ein Wort mehr!" drohte Aymar gebieterisch, „eine gute Absicht verbirgt sich nicht und scheut nicht die Offenheit! Eure Anklage ist elend! Sie prallt von mir ab! Weicht aus meiner Nähe oder Ihr könntet für Cure Worte büßen!" — „Euer Edelmuth glaubt nicht an die Untreue des Mädchens au» dem Volke, das Ihr zu Eurer Gemahlin erhoben habt — doch, seid auf Eurer Hut! Schlangen list lauert nicht selten hinter bezaubernder Schönheit! Ich warn« Euch!" — „Fort mit dem Mantel und dem Hut, die Euch ver hüllen!" rief Aymar heftig und wollte Gewalt anwenden, um zn erkennen, wer die Gestalt wäre, welche die Saat des Giftes der Eifer sucht in seine arglose Seele zu streuen suchte — doch mit leisem Lachen entwischte sie ihin und verächtlich wandt« er sich ab. Er glaubte nur noch zu bemerken, daß es ein Mädchen oder eine Frau gewesen war. Bis in die breite Straße Richelieu hatte sie ihn be gleitet. Nach wenigen Schritten hatte er sein Ziel erreicht. Er blieb vor einem Hause stehen, dessen untere Fenster erleuchtet waren. Man konnte von draußen in das eine Zimmer hineinsehen; denn die Vorhänge waren nicht heruntergelassen. — Aymar blickte hinein — der Helle Schein fiel auf sein männlich schönes, edel geschnittene» Gesicht, dessen Züge Güte, Klugheit und das Höchste des Mannes, Muth und Thatkraft »erriethen. Den großen, lebhaften Augen konnte man die Tiefe deS Geistes und in diesem Moment Unruhe und Er wartung ansehen — hatten die Worte der Unbekannten Nahrung in seiner Seele gefunden? — Er kam früher nach Hause, als sonst und sah nun, daß die Wärterin den kleinen, zweijährigen Knaben, feinen Liebling, aus dem Arme trug, die Wärterin war es und nicht seine Leonore, die Mutter des holden Kindes Wo war Leonore? Sie ging sonst nie ohne ihn fort! Aymar schritt ungeduldig und schnell in das Haus. Bevor er die Zimmer betrat, kam ihm sein Diener Gabriel entgegen, der ausfallend verlegen zu sein schien, ob gleich er seinen Herrn mit tiefer Ergebenheit grüßte. „Wo ist Ma dame?" fragte Aymar. — „Madame? Ich weiß es nicht, gnädiger Herr," stotterte Gabriel und zuckte geschäftig die Achseln, „ich weiß es wirklich nicht! Bei unserer heiligen Genovefa, ich weiß e» nicht!" — „Wozu in einem Athen, so viele Versicherungen, Gabriel?" fragt« Aymar, „Du kommst mir verändert vor, ängstlich, unruhig" — „Ich wüßte nicht, gnädiger Herr! Es ist nichts — was sollte e» auch sein" — „Du weißt etwas, was Du mir verhehlen willst!" sagte Aymar nun heftig zu dem sich erschrocken bückenden Diener, „was ist es, gesteh'! Ich will die Wahrheit wissen! Du kennst mich, Gabriel, ich bin gütig ohne Maß, wenn man mir treu ist, mir treu dient, aber ich bin auch unerbittlich hart gegen das Unrecht!" — „Erbarmen, gnädigster Herr! Ich habe kein Unrecht begangen, ich nicht!" rief Gabriel und fiel auf seine Kniee, indem er die Hände bittend zu seinem hochausgerichtet vor ihm stehenden Gebieter auS- streckte. — „So weißt Du von dem Unrechte Anderer?" fragte Aymar in athemloser Erwartung. Gabriel schwieg. — „Gesteh', was Du weißt!" — „Erbarmen, gnädigster Herr! Ich kann eS nicht ge stehen!" — «Ich irrte mich also nicht! Du verbirgst etwas vor mir, was Dich verlegen macht!" — „Ich darf es nicht über di« Lippen bringen — «S ist wider den Respekt" — Aymar blickte finster und starr zu dem Burschen hin, der es nicht wagte, zu ihm aufzu sehen. Es war genug, was er angedeutet hatte. Nach einigen kühnen Kammstrichen durch da» Haar de» Kunden, welche sofort den Sachverständigen verrathen, beginnt das Klipp- Klapp der großen Scheere. — „Schönes Wetter heute!" (Hier sind natürlich alle vom Barometer abhängigen Varianten zulässig ) — „Hm." sagt der Kunde, dem der lange Pudermantel so dicht um den Hals geschnürt ist, daß er kaum zu reden vermag. — „Belieben ganz kurz, s. In maleovtsnt oder ä I» militaire?" Der Kunde ist völlig im Unklaren über diese Begriffe und sagt etwas ungeduldig: „Schneiden Sie nur nicht zu viel herunter, daß man nicht wie ein geschorenes Lamm aussieht!" — „Verstehe — belieben „zulaufend"", sagt der Künstler mit freundlichstem Lächeln. Der Mann im Lehn stuhle ergiebt sich in sein Schicksal, welches sich in diesem Augen blicke dadurch zu einem recht bedauernswerthen gestaltet, daß ,hm einige feine Härchen auf die Nase gefallen sind und ihn in so fürchterlicher Weise kitzeln, daß ihm die Thränen in die Augen treten. Jndeß seins Hände sind unter dem straff gezogenen Pudermantel gefesselt und er sucht durch krampfhafte Bewegungen des Kopfes die Härchen von ihrem Platze zu bringen. Der Haarkünstler umfaßt den Kopf des Bedauernswerthen mit dem festen Griffe eines Schraub stockes und biegt ihn in di« für seine Operationszwecke günstigste Lage. Das Opfer stöhnt und — ergiebt sich drein. „Geh'n gewiß heute Abend in'S Theater, Herr" bemerkt der Friseur unver ¬ drossen. — „Nein!" antwortet der Mann unter der Scheere kurz. Er hat ein Billet bestellt, aber bei dem ungeheuren Andrange keines erhalten. — „Freischütz, ganz neu inscenirt. Wunderbar! Ge denke selbst zu gehen. Labe das Billet nur mit Mühe erhalten können. Sind jedenfalls kein Verehrer von Weber! Wagner freilich ist in vielen Beziehungen" — „Ich würde — heute — Abend — überhaupt — nicht — gehen" — sagt der Gequälte, jedes Wort ärgerlich betonend. — „O gewiß, gewiß! Geschäfte gehen vor Ver gnügen. — Vielleicht ein wenig Lau <>« tzuinins von Pinaud? Sie haben sehr viel Schuppen, Herr" — „Meinetwegen! Dauert es noch sehr lange?" — „Bin in wenigen Augenblicken fertig," ruft der eifrige Friseur, indem er aus Leibeskräften eine röthliche Flüssigkeit in das Haar des Kunden hineinreibt. Hierauf springt er in den Hintergrund und kommt mrt einer großmächtigen cylinderförmigen Bürste, die in ihrer Form der sachlichen Musikwalze eines Leier kastens nicht unähnlich sieht, wieder zum Vorschein. Nun beginnen martervolle Augenblicke für den Geschorenen. Mit Anwendung aller Muskelkräfte und jener namenlosen, seinem Stande eigenen Hand gelenkigkeit rollt der Haarlünstler die borstige Walze auf dem Kopse seines Opfers umher, so daß derselbe eine jede der unzähligen scharfen Borsten über seine Kopfhaut hinkratzen fühlt. Er sucht mit der größten Anstrengung seine Nackenmuskeln möglichst anzuspannen, ohne jedoch verhindern zu können, daß sein Kopf häufig nach allen Richtungen hin geschleudert wird, wie ein vom Winde bewegter Mohn kopf auf dünnem Stengel. Diese gymnastische Usbung des Haar künstlers, die in ihren Folgen beinahe an das nicht sehr angenehm« „Geknetet- oder Massirtwerden" in den sogenannten „Irisch-Römischen" Bädern erinnert, hinterläßt für den Augenblick in dem Kops« des Geschorenen ein eigenthümliches Gefühl der Abstumpfung, ein Ge fühl, das etwa die Mitts zwischen Schwindel und Ermüdung hält. Diesen Augenblick des „Stupors" benutzt unser Freund Haarkünstler, nachdem er noch rasch das Haar seines Opfers in vorschriftsmäßiger Weise gescheitelt, gekämmt und mit einem schönen Toupet geschmückt hat, nach einem mit zwei senkrecht zu einander gestellten Röhren und einem hohlen Gummiballon versehenen Fläschchen zu greifen, das mit — Arabiens Wohlgerüchen gefüllt ist. Er drückt mit Macht den Gummiball zusammen und in feinster Staubform spritzt das köstlich duftende „Ls» Louquet" oder ,.8prinx üover," oder wie es sonst heißen mag, dem erstaunt dreinblickenden Kunden — in die Augen. „Herr — Herr — was fällt Ihnen ein. Das beißt ja! Warum haben Sie denn das nicht vorher gesagt?" ruft dieser ent rüstet dem munter fortspritzenden Haarkünstler zn. — „Oh, bitte tau — send — mal um Entschuldigung, mein Herr. Dachte, Sie hätten die Augen zugemacht! — Bitte sehr, Herr" — Mit diesen Worten reißt er seinem Opfer mit Blitzesschnelle den Pudermantel herunter, macht zwei tiefe Bückling« und bläst dann mit vollen Backen so heftig in den Nacken des nunmehr zu Ende Gequälten, daß dieser entsetzt aufspringt, von Herzen froh, des Marterstuhles endlich los und ledig zu sem. Doch ein Blick in den Spiegel ver wischt rasch den Ausdruck der Abspannung von seinen Zügen, über welche sich derjenige tiesinnerster Zufriedenheit ausbreitet. Sicher lich, mag auch Manchem das Viertelstündchen in dem Lehnstuhle des Friseurs zur Ewigkeit werden, mag auch zuweilen die Redseligkeit deS Haarkünstlers in zufälligem Contrast mit der augenblicklichen Gemüthsstimmung des Betreffenden stehen, — die Ueberzeugung, daß der Friseur eS doch trefflich versteht, alle Schwächen unseres Kopfes (wir meinen jetzt des äußeren Kopfes) kunstvoll auszu bessern und alle Vortheile geschickt zu benutzen, vermöge deren wir durch das vereinte Wirken von Scheere, Bürste, Haaröl und Odeur mit einem Schlage den äußeren Stempel des „Esntlamnu" auf gedrückt erhalten, muß nothwendiger Weise ein Gefühl der Dank barkeit gegen den Haarkünstler in uns erstehen lassen. Denn heut zutage, wo eine jede Kunst, eine jede Wissenschaft, ein jedes Handwerk mit raschem Fluge auf der Bahn der Entwickelung und Vervoll kommnung dahin eilt, heutzutage ist auch der Friseur lange nicht mehr bloS der Mann, der uns da» Haar zurechtstutzt und den Bart wuchs regulirt. Wie Mephisto vermöge seiner Wunderkräfte dem alten Magister Faust die Mittel in die Hand giebt, sich zu ver jüngen — so ist heutzutage da» Laboratorium des Friseurs, der auf der Höhe seiner Kunst steht, ein Stapelplatz all' der geheimnißvollen Essenzen, rothen und weißen Pülverchen, duftenden und färbenden Trncturen, welche der Natur in jeder Weise nachhelsen sollen, und auch deS Friseur» hohe Aufgabe djer Menschheit gegenüber ist — zu verschönen, zu verjüngen.