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r WüWS- seine Schwester, die Großherzogin von Mecklenburg, begrüßte die übrigen Mitglieder der königlichen Familie und betrat sodann denn EmpfangS- -- saloa. Hier reichte er zunächst dem Oberbürger meister Kon Forckenbeck die Hand und äußerte seine Freude, denselben an der Spitze der Berliner Bürger schaft begrüßen zu können. Sodann wandte sich der Kaiser an die im Halbkreise stehenden Minister, Generale und Hofstaaten und sagte etwa Folgendes: Mit gemischten Gefühlen kehre er in die Haupt stadt zurück; in die Freude über seinen Empfang und über die Zeichen der Hingebung an ihn und sein Haus mische sich der Schmerz um das, was er er dulden mußte. Sein Herz habe mehr geblutet als seine Wunden; er wollte gern Alles ertragen und freudig sein Blut vergossen haben, wenn er überzeugt sein dürfte, daß das zum Wohle des Vaterlandes und zum Heile der irregeleiteten Theile seines Volkes gereichen könnte. Nach etwa 10 Minuten verließen die Majestäten den Bahnhof und bestiegen den sechs spännigen offenen Galawagen, daran schlossen sich in 23 Wagen die Prinzen und Prinzessinnen, sowie das Gefolge. Der Kaiser hatte über die große Generalsuniform den Paletot angelegt; er sieht frisch und kräftig aus, trägt aber den rechten Arm noch in der Binde. Der Jubel der zahllosen Menschen massen auf dem ganzen Wege war unermeßlich. Die Fenster und Balkons waren mit Damen, die mir Taschentüchern wehten, reich besetzt. Die Majestäten trafen 12 Uhr 45 Minuten vor dem Palais ein. Die Kaiserin begab sich in dasselbe, der Kaiser, gefolgt von den Generalen und Flügel- Adjutanten, uahm die Parade über die Ehrenwache ab, begab sich dann in das Palais und erschien mit der Kaiserin auf dem Balcon, um das Publikum, das Unaufhörliche Jubelrufe ertönen ließ, nach allen Seiten zu grüßen. Unmittelbar darauf begann das Defile der Corporationen und Verbände, darunter zahlreiche starke Deputationen auswärtiger Hoch schulen, auch eine starke Anzahl hier weilender Nord amerikaner mit zwei Sternenbannern. Mehrere i Hundert Banner wehten im Zuge. Der Act der Wiederübernahme der Regierung des Kaisers soll im hiesigen Palais erfolgen. Das Wetter war andauernd regenlos. Berlin, 5. December. Der „Reichsanzeiger" publicirt drei Erlasse des Kaisers von heute. Der erste an den Kronprinzen erklärt die Wiederübernahme, der Regierungsgeschäfte mit heutigem Tage. Ein zweiter sund ein dritter lassen diesen ersten Erlaß dem Reichskanzler, respective dem Ministerium zu gehen, um solchen zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Der Kaiser hat dem Kronprinzen für die mit voller Hingebung und sorglicher Beachtung seiner Grundsätze erfolgreich geführte Vertretung seinen Dank durch besonderen Erlaß ausgesprochen. Berlin, 5. December. Der Kronprinz und die kronprinzliche Familie hielten eben Umfahrt durch die allgemein und an vielen Stellen wunderbar schön illuminirte Stadt. Berlin, 5. Dec. Bei dem heutigen Empfange der Staatsminister und der Präsidenten beider Häuser de« Landtags auf dem Bahnhofe sagte Se. Maj. der Kaiser: „Dir schmerzlichen Erfahrungen, welche mich persönlich betroffen, haben <wch wunde Stellen in unfern gesammten gesellschaftlichen Ver hältnissen aufgedeckt, die erkennen lassen, daß sie nur von einer starken Hand des Gesetzes geheilt werden können, dessen Einwirken neuerding« aofgerufen werden mußte; wird dadurch die Heilung auch dieser Wunden erreicht, so will ich gern für da« allgemeine Wohl geblutet haben. Es freut mich, daß seitdem doch schon so Vielen die Augen aufgegangrn sind, die nicht an die Tiefe jener Wunden glauben wollten: Ich sage daher allen Denen Dank, welche in der Gesetzgebung zur weiteren Entwickelung dieser Lr- kenntniß mitgewirkt haben und kann nur noch deu Wunsch aussprechen, daß auch die ausführenden Be hörden mit energischer und nach allen Seiten hin gerechter Handhabung dahin wirken mögen, die Ab sicht und den Zweck des Gesetzes zu erreichen.- Ihnen aber, meine Herren Präsidenten, wird es ge wiß eine willkommene Aufgabe sein, in diesem Sinne den Geist und die Ziele der Volksvertretung zu pflegen." Die Corvette „Louise" ist nach den Sandwichinseln (Ostasten) abgegangen, um daselbst die „Ariadne" in der Durchsetzung der Forderungen des deutschen Reiches zu unterstützen. Frankreich. Marschallpräsident Mac Mahon empfing am 2. December den Grafen Beust in feierlicher Audienz zur Entgegennahme seiner Accreditive. England. Lahore, 5. Dec. General Roberts telegraphirt aus Peiwarkotul vom 3. d.: Wir hatten den linken Flügel des Feindes in der Nacht vom 1. d. durch das Defilee Springwce umgangen und überraschten den Feind bei Tagesanbruch. - Als der Feind durch zwei Regimenter aus mehreren Stellungen vertrieben war, versuchten wir Kotül zu erreichen. Jndeß konnte der Sturm von dieser Seite nicht durch geführt werden. Wir bedrohten darauf die letzteren Stellungen des Feindes, griffen abermals an und eroberten Kotul um 4 Uhr Nachm. Der Feind hatte Nachts vier Regimenter Verstärkungen erhalten und leistete verzweifelten Widerstand. Die Artillerie des Feindes war vortrefflich bedient. Die Nieder lage desselben ist eine vollständige. Die Engländer erbeuteten 18 Geschütze und eine beträchtliche Munitionsmenge. Die Verluste der Briten sind mäßig in Berücksichtigung der großen Stärke des Feindes und der großen Terrainschwierigkeiten. Es haben sich die britischen Truppen ausgezeichnet ge halten. Die Engländer rücken gegen den Engpaß Schutar Gardan (auf der Route nach der Haupt stadt Kabul gelegen) vor. Vermischtes. -- Eine Zusammenstellung der bis zum 2. Dec. im ReichSanzeiger veröffentlichten auf Grund des Socialistengesetzes ergangenen Verbote einerseits, sowie der an die Reichscommission gerichteten Be schwerden andererseits ergiebt Folgendes: Es sind im Ganzen verboten 153 Vereine, 40 periodische und 135 nichtperiodische Druckschriften, zusammen 328 Verbote ; davon kommen auf Preußen 44 Der-