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11878 Mittwoch, den L. Deeember Politische Weltjchau Vnimid-rnp-ker Jahrgang. Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtohauptmannschaft und der Kgl. Schnlinspertion zu Kauhen, sowie des Königlichen Gerichtoamtes und des Stadtrathes zu Aischosswerda. Die europäische Situation ist durch den Aus bruch des Krieges zwischen England und Afghanistan in eine neue Phase getreten. Die englische Re gierung hat etwas begonnen, wovon sich das Ende nicht absehen läßt, hat einen Schritt gethan, dessen Folgen auch in Europa schwer in's Gewicht fallen werden. Sobald wird der Krieg in den mittel asiatischen Gebirgsländern nicht beendigt, auch nach dem Siege wird England gezwungen sein, das be siegte Land noch lange besetzt zu halten. Selbst im günstigsten Falle wird dieser Krieg daher die eng lische Regierung hindern, in Europa mit dem Nach druck einer Macht aufzutreten, welche ihren Willen -eventuell mit Waffengewalt durchzusetzen im Stande wäre. Für's Erste betrachtet man denn auch den Krieg in Afghanistan allgemein als ein Pfand mehr für die Erhaltung de« Weltfriedens und schaut dem Verlauf desselben zwar nicht ohne Spannung, aber doch mit einem gewissen Gleichmuth. Auch auf der Balkanhalbinsel scheinen sich die Dinge — für die nächste Zeit wenigstens — in ruhigerer Weise entwickeln zu sollen. Die strikte Durchführung des Berliner Friedens ist mehr und mehr das Programm aller Mächte geworden. Oesterreich hat dieselbe durch den Mund des Grafen Andrassh den Delegationen gegenüber als die Haupt aufgabe seiner Politik bezeichnet. Rußland besteht zwar mit demselben Nachdruck auf der Erfüllung der vertragsmäßig übernommenen Verpflichtungen Seitens der Pforte, wie die Mächte sie von ihm verlangen. Um aber zu beweisen, daß es ihm selbst fern liege, sich seinen Verbindlichkeiten zu entziehen, hat Kaiser Alexander soeben den Gouverneur von Bulgarien, Fürsten Dondukoffe Korsakoff, dessen un bedachte Aeußerungen vorzugsweise das Mißtrauen der Mächte gegen Rußlands Vertragstreue erregt hatten, zu sich nach Livadia beschieden, um ihm per sönlich einzuschärfen, daß er sich in Zukunft der artiger Expektorationen zu enthalten und sich streng nach den Weisungen zu richten habe, welche ihm in Gemäßheit des Berliner Friedens ertheilt seien. Gleichzeitig hat er Anstalten getroffen, daß die Ueber- gabe der Dobrutscha an Rumänien schon in diesen Tagen vor sich gehen kann. Selbst der Sultan Diese Seitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabende» und kostet einschließlich der Sonn abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark SV Pfg. (IS Ngr.). Inserate werden dir Dien«tag« und Freitag« früh S Uhr angenommen. nimmt, vom englischen Botschafter gedrängt, seine Verpflichtungen jetzt ernster. Hat er doch neuestens den Kaiser Alexander in einem directen Schreiben gebeten, ihm für die Unterdrückung des Aufstandes in Thraeien unv Makedonien, dessen Fortdauer die Einführung der Reformen unmöglich machen und zugleich die rechtzeitige Zurückziehung der russischen Truppen hindern würde, seine Mitwirkung zu leihens Mag daher der traurige Zustand in allen euro päischen Provinzen, die sich zur Zeit noch nominell unter der Herrschaft der Pforte befinden, einen noch so dunklen Schatten auf die Zukunft des osmanischen Reiches werfen, für jetzt bedroht doch Nichts den Frieden. Ucberhaupt fehlt es nicht an gewichtigen Bürg schaften für die Erhaltung desselben. Zwischen Ruß land und England soll officiösen Andeutungen zu folge schon eine vertrauliche Verständigung erfolgt sein, dahin gehend, daß die englische Regierung sich mit der Besetzung der beiden wichtigsten Pässe zur Sicherung der indischen Nordwestgrenze begnügen, nicht aber auf eine gänzliche Unterwerfung Afgha nistans auSgehen werde. Noch bedeutsamer ist die Nachricht, daß das Dreikaiserverhältniß durch die Mission des Grafen Schuwaloff von Neuem be festigt, insonderheit das Einverständniß zwischen den das Schicksal der europäischen Türkei ent scheidenden Nachbarstaaten trotz der Fiction einer antirussischcn Politik, welche Graf Andrassh zur Be schwichtigung der Ungarn aufrechtznerhalten sucht, gesichert sei. Die Unterstützung Deutschlands für Alles, was zwischen diesen beiden Mächten vereinbart worden ist, unterliegt so wenig einem Zweifel, daß Graf Schuwaloff es nicht einmal für nöthig gehalten hat, sich mit dem Fürsten Bismarck persönlich zu besprechen. Bei den übrigen Mächten abter wird die auf Erhaltung des Weltfriedens gerichete ver mittelnde Thätigkeit der deutschen Regierung einen um so fruchtbareren Boden finden, als — von dem auf allen Staaten lastenden wirthschaftlichen Druck zu schweigen — die Agitationen der rothen Inter nationale, wie sie durch das Attentat auf König Humbert und die gleichzeitig an andere Fürsten ge langten Drohbriefe von Neuem hervorgetreten sind, das allgemeine FriedenSbedürfniß und die Noch- Wendigkeit, gemeinsam für den Schutz der staatlichen