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M WeEche der Balser bei seinen Auszügen zu nehmen ff pflegte, der Stunde der Ausfahrt u. s. w. in so auffälliger Weise, daß man ihn verhaften zu müssen - glaubte. Lei seiner Durchsuchung fand man 200 Fl., was um so auffälliger erschien, als er den Besitz einer größeren Summe geleugnet und auch zuerst einen falschen Namen angegeben hatte. Der Ver haftete, ein geborener Hannoveraner, ist ein in Graz wohnhafter Kaufmann von nicht sehr vertrauener weckender Vergangenheit, zumal sich in seiner Wohnung Schriften sorialistische.i Inhalts vorfanden. Das Gericht verurtheilte den Mann wegen NamenS- fälschung zu einer kurzen Gefängnißstrafe. Fürst Bismarck ist am 14. Sepiember Nachm. halb 3 Uhr mit Familie von Gastein abgereist, um nach Berlin zurückzukehren. Die Wahl des Präsidiums im Reichstage, die Veröffentlichung der Motive zum Socialistengesetz und die Debatte über den Untergang des großen Kurfürsten, waren die drei Etappen, welche unser parlamentarisches Leben in der abgelaufenen Woche markirte. Es wäre allzu optimistisch, wollte man annehmen, daß die unveränderte Wiederwahl des allen Reichstags-Präsidiums—Forckenbeck, Stauffen berg, Hohenlohe-Langenburg — auch zugleich den Beweis dafür liefere, die Neuwahlen hätten im Die Äorbere'tungLn züm Aocialistengrfetz ^altrti im Uebrigen die parlamentarische Welt in Athcm, welche fast entschlossen scheint, sich alle Aufgaben fern zu halten, die geeignet wären, ihre Thätigkeit nach anderen Richtungen hin in Anspruch zu nehmen. Aus diesem Grunde ist Wohl auch der matte Ver lauf der Debatte über das Unglück von Folkestone zu erkläre». Ueberzeugend haben die Ausführungen des Chefs d:r Admiralität im großen Publikum, welches sonst für die junge deutsche Marine so leb hafte Sympathien besitzt, schlechterdings nicht gewirkt. Da indeß die Aufmerksamkeit und das Interesse des Hauses momentan nach ganz anderer Richtung in Anspruch genommen ist, konnte General Stosch mit dem parlamentarischen Erfolge, den er einheimste, schließlich immer noch zufrieden sein. Am nächsten Montag wird die erste Lesung des Socialistengesetzes beginnen. Wie es heißt, wird die Vorlage nach eingehender Discussion an eine aus 21 Mitgliedern bestehende Commission ge wiesen werden Da, wie ferner verlautet, in diese Commission die Führer aller Parteien eintreten wollen, so würde in den Commissionsverhandlungen der Schwerpunkt der ganzen Behandlung des Gesetz entwurfs liegen, und die Ergebnisse dieser Berathung würden, falls die Vertreter der conservativen und Grunde an der Zusammensetzung des deutschen Reichstages und der Lage seines Schwerpunktes nichts verändert. Die Wiederwahl des alten BureauS war vielmehr, wenn auch vielleicht ein angenehmer, so doch jedenfalls ein unvorhergesehener Zufall, der absolut keinen Schluß darauf gestattet, daß nun auch in Zukunft der Wille der liberalen Fractionen des Hauses ein für alle Mal maßgebend bleiben werde. Der unverhohlene Ingrimm freilich, zu welchem die conservativen Organe über diese seltsame Wendung der Dinge sich bekannteu, giebt allerdings ein Kriterium für die Erwarlungen, die man auf der rechten Seite des Hauses gepflegt und da das Mißvergnügen des Gegners stets eine Ge- nugthuung für die Freunde enthält, so mochten die liberalen Parteien wohl befugt sein, ob des Resul tat» zu frohlocken, das ihnen anscheinend mühelos in den Schooß gefallen. Daß man dem Centrum — der numerisch stärksten Partei — jeden Antheil am Präsidium versagte, kann vielleicht parlamen tarischer Tactic entsprechen. Dem gesunden Menschen verstand« des parlamentarischen Laien, dem ein ge wisses BilligkeitSgefühl innewohnt, wird man ver geben» versuchen, diese Ausschließung mundgerecht zu machen. Logischerweise müßte man dann auch die EentrumS-Mitglieder — wenn diese Partei einmal aus den parlamentarischen Index gesetzt werden soll — von der Theilnahme an den verschiedenen Com missionen auSschließen, denn die „Reichstreue" ist für fruchtbare Arbeit in der Commission nicht minder nothwendig, als für da» Walten am. Präsidialtisch. Freilich weiß man zur Genüge, daß da» Centrum e» niemals Denen Dank weiß, welche für Anwendung von BilligkeitSgrundsätzen zu seinen Gunsten eintreten und so wäre e» nicht unmöglich, daß unsere Parlamentarier, durch frühere Erfahrungen geyitzi-t, mit Bewußtsein und Absicht „unbillig" verfuhren. nationalliberalen Parteien sich über eine, auch den verbündeten Regierungen genehme Fassung einigen, vermuthlich in wenigen Sitzungen die Genehmigung der Majorität des Reichstags erhalten. — Seit der Eröffnung des Reichstags ist bei demselben eine Anzahl von Wahlprotesten eingegangen, die gegen mehr als 20 Wahlen gerichtet sind. Sächsische Wahlen befinden sich unter den angefochtenen zur Zeit nicht. Die Proteste gehen an die am Freitage gewählte Wahlprüfungscommission. — .Aus dem inmittelst erschienenen stenographischen Berichte über die erste Sitzung des Reichstags geht hervor, daß in derselben sämmtliche sächsische Abgeordnete anwesend waren, mit Ausnahme der gegenwärtig in Hast be findlichen Abgeordneten Kaiser und Vahlteich, sowie der Abgeordneten Bracke und Wiemer. In der Reichstagssitzung am 16. Sept, begann die erste Lesung des Socialistengesetzes. Der Stell vertreter des Reichscanzlers, Graf zu Stolberg, erklärte u. A.: Nach den Vorgängen der letzten Monate wird das Haus über die Absichten der Regierung im Klaren sein. Einzelausführungen hierüber sind bei dem ausreichenden Material des < Gesetzes und der Motive unnöthig. Die Gefahren der Socialdemokratie werden nur Wenige im Hause leugnen. Die Regierung ist weit entfernt, die vor geschlagenen Maßregeln für ausreichend zu halten; auch auf anderen Gebieten ist Arbeit nöthig. Neben dem Staate müssen die freien Vereinigungen, Cor- porationen und Einzelne sorgen, daß Gottesfurcht und Vaterlandsliebe, Sparsamkeit, Treue in Handel und Wandel wiederkehren, daß die Socialdemokratie nicht festen Boden gewinnt, daß die Trugbilder ver schwinden, worauf sie basirt ist. Die Aufgabe der Vorlage ist, daß die socialdemokratische Agitation jeden Scheine» von Gesetzlichkeit entbehre. Geben Sie un» scharfe und wirksame Waffen. Mit halben Maßregeln wird nur geschadet! Reichensperger >>-