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1878 Lvolyenoiarr 5 für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend» Amtsblatt -er Kgl. Amtshanptmannschaft NN- -er Kgl. Schulinspection zu Kanhey^ sowie -ro Köinglichrn Gerichtsamteo und -es Sta-tralhes zu Dischosswer-a. Diese Seilschrist erscheint wcch>ntiich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnadeav« und kostet einschließlich der Sonst» abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark b0 Pfg. (IS Ngt.). Inserate werden bi« Dienstag« —. und Freitag« früh 8 Uhr angenommen. 92. I Mittwoch, den 13. November. Politische Weltschau. Im deutschen Vaterlande haben wir be sonders hervortretende Ereignisse der letztvergangenen Woche nicht zu verzeichnen. Vielleicht interesstrt es jedoch manchen unserer freundlichen tiefer oder Leserinnen, von der Vermählung der Comtesse Marie von Bismarck mit dem Grafen von Rantzau näheren Bericht zu erhalten. Am Nachmittag des 6. d. hat diese Festlichkeit im großen Festsaale des ReichS- canzlerpalais in Berlin, demselben Saale, in welchem ,Ler Congreß getagt, stattgefunden. Gegen Mittag begrüßte das Musikcorps des Alexander-Regiments das Brautpaar mit einer Musikaufführung. Bald darauf wurde der Reichskanzler durch eine besonders ehrenvolle Auszeichnung Seitens des Kaisers erfreut. Se.Maj. sandte das Großkreuz des rothen AdlerordcnS mit Krone und Schwertern, die bis jetzt noch nie ver liehen und eigens für den Reichskanzler geschaffen worden ist. Für den Bräutigam traf der rothe Adlcrorden 3. Classe ein, al» eine besondere Aus zeichnung, da der Graf den Orden 4. Classe noch nicht besitzt. Der große Festsaal des Palais war durch hochstämmige Blattpflanzen, exotische Gewächse und Blumen prächtig geschmückt; ein Altar mit Lichten und einem Kruzifix, sowie ein Harmonium kennzeichneten den ernsten Zweck, dem der Festraum geweiht war. Nachdem sich die Familienmitglieder und die geladenen Gäste versammelt hatten, traf um 3^ Uhr der deutsche Kronprinz ein, um als Zeuge der kirchlichen Trauung beizuwohnen. Der Reichskanzler empfing den hohen Herrn an der Treppe und geleitete ihn nach dem Festsaale, wo nunmehr die Feier begann. Die Braut erschien in hoher, weißer AtlaSrobe mit Myrthenkranz und Schleier. Als einzige» Schmuck trug sie die von der Kaiserin geschenkte Broche. Graf Rantzau trug die Uniform des 3 Garde-Ulanen-Regiments, bei dem er gestanden. Nachdem die beiden ersten Verse des Liede» .Lobet den Herrn, den mächtigen König der Ehren" gesungen waren, hielt der Pastor Vorberg von der BartholomäuSkirche über den Text Philipper 4, 4: .Freut euch in dem Herrn" die kurze ergreifende Lraurede. Alsdann wurden die Ringe gewechselt, das Gebet gesprochen, der Segen ertheilt und zum Schluß der letzte Vers de» erwähnten Liedes gesungen. Drriua^oNßigker Jahrgang. Nach beendigter Feier erhob sich die Gesellschaft, um dem Neuvermählten Paare die Glückwünsche auszu sprechen. Allen voran der Kronprinz, der sich bald darauf verabschiedete. Nach einer kurzen Pause wurde zum Diner geschritten. Den ersten Toast brachte der Reichskanzler auf Se. Majestät den Kaiser auS; es folgte alsdann Staatsminister v. Bülow, der mit schwungvollen Worten sein Glas auf das Wohl des Brautpaares leerte. Hieraus erhob sich der Major Graf v. Rantzau und feierte in beredten Worten das Elternpaar, den Reichskanzler Fürsten v. Bis marck und seine Gemahlin. Herr v. Kleist-Retzow trank auf das Wohl des deutschen Vaterlandes, Graf Lehndorff gedachte der Brautjungfern und der Braut führer und zum Schluffe ergriff nochmals der Reichs kanzler das Wort, um auf die Verbindung der Familien von Bismarck und von Rantzau, die wie Schleswig-Holstein ,up ewig ungedellt" sein sollen, zu trinken. Die Unterhaltung bei Tisch war eine sehr animirte. Der Reichskanzler und seine Ge mahlin machten in liebenswürdigster Weise die Honneurs ; es war im schönsten Sinne des Wortes ein echtes deutsches Familienfest, das in diesen Räumen gefeiert wurde. Die Gerüchte über die Herausgabe des Welfen- fonds haben durch die „Provinzial-Correspondenz" ein zwar nur indirektes, aber desto nachdrücklicheres Dementi erhalten. Der letzte Leitartikel des offiziellen Blattes, welcher das Centrum auffordert, sich von seinen welfischen und anderen partikularistischen Anhängseln loszusagen, und offen von den politisch unter wühlenden Zwecken des Herrn Windthorst spricht, laßt deutlich durchsühlen, daß der welfische Maulwurf wieder einmal mit voller Kraft arbeitet. — Die Verhand lungen mit dem Vatikan, obgleich sie nicht abgebrochen sind, rücken doch nicht von der Stelle und es scheint nicht an Schwierigkeiten zu fehlen, welche leicht däS ganze Unternehmen gefährden können. Inzwischen macht die Ausführung des SocialistengesetzeS täglich ihre Fortschritte. Wer dem Gesetze jegliche Wirkung abgesprochen hat, dürfte heute zu der UeberzeuguNg gekommen sein, daß er sich getäuscht habe. Die aufreizende und gefährliche Agitation jener gewissen losen Volksverführer hat ihr Lude gefunden und ist den fanatisirten Bolkskreisen hat sich die Ernüchterung bereit- eingestellt. Unterdessen hat Fürst Bismarck