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11878. Mittwoch, den 2. October Politische Welljchau. In vergangener Woche befand sich Kaiser Wilhelm mil seiner Gemahlin im alten Köln am Rhein, um einer Feierlichkeit beizuwohnen, die seinem Herzen theuer ist: der Enthüllung des Denkmals, welches die Rheinprovinz seinem Vater errichtet, dem König Friedrich Wilhelm HI., unter dessen Regierung sie einst von ^der französischen Fremdherrschaft befreit worden war — ein Denkmal, wie es größer und schöner nur wenige in Deutschland und in der Welt giebt. Die Tage von Kassel und WilhelmS- höhe, welche durch den Aufenthalt des Kaisers während seiner ReconvaleScenz auf die Herzen der biederen Hessen einen unauslöschlichen Eindruck gemacht haben, erhielten dadurch einen würdigen Abschluß, und der großen Heerschau, bei welcher der wiedergenesene Monarch sich hoch zu Roß zum ersten Male wieder seinem Volke in Waffen gezeigt, wird ein historisches Siegel aufgedrückt durch die Erinnerung an den Vorfahren des jetzigen Kaisers, dessen Armee den Rhein an das Reich zurückgebrachl hat, das der Sohn dereinst wieder zu einem Großen und Ganzen vereinigen sollte. In erneuerter Kraft steht er da, der greise Fürst und Held an der Seite seines nicht minder heldenhaften Sohnes, und auch die Herzen des nichtbewaffneten Volkes schlagen ihm mit Liebe und Jubel entgegen und stimmen ein in das donnernde Hurrah, mit dem die bewaffneten Söhne des Vaterlandes den Kriegsherrn begrüßen, über den Gott bei zwei frevelhaften Attentaten seine schützende Hand gehalten hat! Diese Liebe und dieser Jubel sind geeignet, die trübe Erinnerung an die Mordanfälleazif das theuere Leben des geweihten Hauptes KrNation zu verwischen und die Thatsache in den Vordergrund zu stellen, daß die feigen Mord gesellen nur verschwindende Ausnahmen in einer Zeit bildeten, in der großartige Verirrung und Ver wirrung viele Kreise der Nation erfaßt hatten. Möge die hehre Feier in Köln den Kaiser Wilhelm trösten über das Mißgeschick der letzten Monate und in seinem edlen Herzen die Ueberzeuguog stärke», daß die Unthaten Hövel'« und Nobiling'S nicht auf dem Boden der Gesinnung gewachsen stad, welche die weitaus größte Mehrheit de« deutschen Volke« beseelt, und deren Kern Treue und Dankbarkeit ist, die ivreiunddreihigst« Jahrgang. Treue, die sich auf zahllosen Schlachtfeldern, und die Dankbarkeit, die sich bei jedem Anlaß bewährte, der sich in den Begegnungen der Nation mit ihrem. Haupte bot, seien dieselben osficielle oder private gewesen. Die Commission de« Reichstag« hat die erste Lesung des SocialistengesetzeS beendigt. Nicht minder schwierig wird die zweite Berathung werden, denn während die Beschlüsse der ersten Lesung die An schauungen der Commission zum Ausdruck bringt, handelt eS sich bei der zweiten Berathung darum, eine Verständigung mit der Regierung in möglichst vielen Punkten anzubahnen. — Zum zweiten Male ist Herr von Forckenbeck in die Stellung gerückt, die durch eine Beförderung des Herrn Hobrecht frei geworden war. Seit Donnerstag ist er Oberbürger meister von Berlin. Recht alt ist die Cabinetskrise in Oesterreich. Seit Monaten fungirt das Cabinet Auersperg nur provisorisch, seit Monaten ist es factisch entlassen. Man weiß, daß der Monarch dem Cabinet die ver langte Entlassung bewilligte und nur zur Bedingung machte, das Cabinet möge so lange in Thäligkeit bleiben, bis ein neues constituirt ist. Monate lang hat das Provisorium gedauert, alle möglichen und unmöglichen Ministerlisten wurden aufgestellt, alle möglichen und unmöglichen Diplomaten wurden vor geschlagen, aber es wollte kein Cabinet zu Stande kommen. Was in Oesterreich irgend regierungsfähig ist oder dafür gilt, wurde in Vorschlag gebracht, jeder vierte Mann, dem man in Wien begegnet, stand bereits hart am Rande eines Ministerportefeuilles, aber das Ministerium wollte nicht zu Stande kommen. So scheint man sich denn endlich entschlossen zu haben, mit dem alten Cabinet fortzuregiereu, nur daß es ein wenig durch einander geschüttelt wird. Die Ressorts werden anders vertheilt, die Personen aber bleiben dieselben und da« nennt man „Recon struction des Ministerium«." — Mehr Glück al« mit der CabinetSbildung hat Oesterreich schließlich doch mit der Occupation von Bosnien. Rach großen Anstrengungen und noch größeren Opfernd ist e» dem österreichischen Heere endlich doch gelungen^ !? die Revolution zu bemeistern. Seit den Siege» vonH Serajewo, von Dobej und dem Save-Uebergang Ist der Schrecken in die Reihen der Insurgenten -s» für Brsckokswer-a, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -er Kgl. Amtohauptmannschaft und -er Kgl. Schulinspection zu Kautzen, sowie -es Königlichen Gerichttiamtes unv -es Stadtrathes zu P i sch ass wer-a. Diese Seilschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend« und kostet einschließlich der Sonn abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark SO Pfg. (IS Ngr.). Inserat« werden di- Dienstag« und Freitags früh » Uhr angenommen.