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für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmannschaft und der Kgl. Schulinspection zu Knutzen, sowie des Königliche« Verichtsamtes und des Stadtratheo zu Dischosswerda. Diese Jeilschrlft erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend« und kostet einschließlich der Sonn abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark bi) Pfg. (IS Ngr.). Inserate «erden dis Dirnstagr und Freitags früh » Uhr angenommen. . 72. j Mittwoch, den Ä. September. 1878. Politische Weltjcha«. Die allgemeine politische Lage hat sich.im Laufe der letzten Wochen nicht unwesentlich verändert. Die Ausführung des Berliner Friedens, welcher dem allgemeinen Wirrwarr mit Einem Schlage ein Ende gemacht zu haben schien, geht nicht so glatt von Statten, als man Anfangs annehmen zu dürfen glaubte, droht vielmehr neue Verwickelungen herbeizuführen. Zunächst ist Oesterreich bei der Occupatio» Bosniens und der Herzegowina auf einen Wider stand gestoßen, wie ihn Niemand vorher erwartete: nicht bloS die Insurgenten, auch türkische Truppen- theile machen der österreichischen Armee jeden Schritt vorwärts mit Fanatismus streitig. Letztere schreitet zwar unter schweren blutigen Opfern Tag für Tag weiter voran, aber Niemand weiß, wohin dieser thatsächliche Kriegszustand zwischen Oesterreich und der Türkei, welcher durch die von der Pforte ge führte diplomatisch-freundschaftliche Sprache nur einen um so gehässigeren Character erhält, führen wird. Auch die Montenegriner liegen sich wieder mit den Türken in den Haaren, um die ihnen durch den Friedensvertrag zugesicherten Plätze in ihre Hand zu bekommen. Serbien wird nur durch höhere Einflüsse von erneuertem thätigem Eingreifen in die Entwickelung der Dinge abgehalten. Sehr bedenklich ist ferner die Hartnäckigkeit, mit welcher die Pforte sich weigert, die vom Congreß anerkannten Ansprüche Griechenlands auf eine „Grenzberichtigung" zu befriedigen: hat sie doch sogar gewagt, ihrer Weigerung durch ein amtliches Rundschreiben an ihre Vertreter im Auslande offen Ausdruck zu geben. Gleichzeitig fährt sie fort, Truppen an der griechischen Grenze anzuhäufen, um eine eigenmächtige Ueberschreitung derselben seitens des verhaßten Nachbarn unmöglich zu machen. ... Ausfallend ist sodann die Säumigkeit der Türkei Rußland gegenüber in der Räumungsfrage: noch ist Barna nicht geräumt und die Uebergabe Datums, auf dessen Besitz die Russen bekanntlich da» höchste Gewicht legen, so wenig in Aussicht, daß Rußland schon Anstalten trifft, eS den Lazen, welche ebenso wie die bosnischen Aufständischen in geheimen Einverständniß mit der Pforte handeln, Drtiunddreißigfter Jahrgang mit Waffengewalt zu entreißen. Dem entsprechend stehen sich denn auch noch die russischen und tür kischen Heere nebst der englischen Flotte bei Con- stantinopel Auge in Auge gegenüber, wird die Ver legung des russischen Hauptquartiers von St. Stefano weg von einem Tag zum andern verschoben und werden die russischen Agitationen gegen England in Centralasien fortgesetzt. England selbst endlich, welches beim Friedensschluß mit der Türkei auf dem besten Fuße stand, scheint nachträglich in der Bethätigung seiner Freundschaft bei der Pforte auf unliebsame Schwierigkeiten zu stoßen, da letztere der englischerseitS gewünschten Einführung gewisser Reformen alle möglichen Hindernisse entgegenstellt. Der politische Himmel hat sich somit in Osten von Neuem einigermaßen verdüstert. Trotzdem liegt nicht ein hinreichender Grund vor, an den aber maligen Ausbruch eines ernsteren Unwetters zu glauben. Einerseits ist das Machtgefühl der euro päischen Mächte zu stark, als daß sie sich von der Pforte auf der Nase tanzen lassen sollten, und andererseits ihr FriedenSbedürfniß zu lebhaft, als daß sie zum Schutz der von Allen im Grunde auf gegebenen Türkei sich gegenseitig bekämpfen sollten. Oesterreich wird ohne Zweifel bald allen Widerstand gebrochen haben und sich dann in dem mit den Waffen eroberten Lande, aller etwaigen formellen Anerkennung der Autorität des Sultans zum Trotz, festsetzen, als ob es sein eigenes Land wäre. Mon tenegro und Serbien sind nur Marionetten, die auf höheren Wink springen oder ruhig bleiben. Zu der Abtretung gewisser Grenzstriche an Griechenland wird sich die Pforte nothgedrungen schließlich be quemen müssen, wenn sie nicht die österreichischen Heere über die bosnische Grenze hinaus auf Salonichi zu marschiren sehen will. Für die Uebergabe der Rußland zugesprochenen Plätze wird die russische Armee sorgen. Zudem haben die Mächte, Deutsch land vor allen, schon in Constantinopel Winke ge geben, die verständlich genug andeuten, daß eine be harrliche Weigerung, die Beschlüsse des Berliner Frieden« auszuführen, eine neue Verminderung de« türkischen Gebietes zur Folge haben könnte. Das sicherste Unterpfand einer dauernden Er haltung des Friedens liegt jedenfalls in der fort dauernden Intimität, welche zwischen den Häuptern