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Wie straft man Hödel? uvem Berliner „Deutschen Montagr-Blatt" entnommen. L»a P. R. Rh »nanu«. Sie wünschen von mir einen Bericht über die öffentliche Perhandlung gegen den Meuchelmörder und Hochverräter Hödel. WaS den äußeren Her gang der Prozedur anlangt, so haben darüber bereits die Reporter so ausführlich und genau, als es unter »en für eine solche Berichterstattung außerordentlich ungünstigen Voraussetzungen möglich war, referirt; und es steht zu hoffen, daß auch noch ein wortge treuer stenographischer Bericht ex vlliviv publicirt wird. Ich beschränke mich daher darauf, den Ein druck, welchen die Persönlichkeit des Verbrechers und »er Gang der Verhandlung auf mich und andere unbefangene Menschen gemacht hat, mit photographi scher Treue wiederzugeben. Das ist freilich nicht leicht. Denn man hat für so unerhörte Dinge keine bekannten Voraussetzungen, an welche man anknüpfen könnte. Annäherungsweise entspricht diesem An- knüpfungsbedürfniß folgend: Reminiscenz: Als nach 1849 die radikalen und kommunistischen Bestandtheile der deutschen Bewegung, welche das Vaterland verlassen mußten, sich zu Genf im Asyl Herumtrieben, gaben sie daselbst eine Zeitschrift her aus, betitelt „Nummiltipuff, Organ der Lausbubo- kratie". Ein Hauptmitarbeiter war der fetzige social demokratische Häuptling Liebknecht, welcher dem be kannten Gustav von Struve, der sich damals auch stn Genf aufhielt, den Ruf entpreßte: „Liebknecht, Lieb knecht, Du bist tief gesunken!" Hödel ist, um es kurz zu sagen, der vollendete Typus der „Lausbubokratie". Verlumpt, arbeitsscheu, eitel aus ein paar im Flug aufgeschnappte, bramar- basirende, anarchistische und atheistische Redensarten, mit einer widerlichen Krankheit, der Folge von Aus schweifungen, behaftet (Kullmann litt und Nobiling leidet an dem; nämlichen Uebel), ist er stolz auf das, dessen sich alle ""deren Menschen schämen, z. B. auch ^darauf, daß er, der Socialvemokrat, welcher das Loos »er leidenden Menschheit verbessern will, seinen armen Eltern wiederholt die Ersparnisse stiehlt, welche die selben im Schweiße ihres Angesichts erarbeitet hatten. Gr bestiehlt seine dürftigen Eltern, um sich ein .menschenwürdiges Dasein" zu verschaffen, d. h. um »ei den Klängen einer Harmonika faulenzen und saufen zu können. Er vergnügt sich vom Schweiße »er Armen, er praßt von der Noch seiner Eltern. O Weltverbesserer, beginne mit der Besserung Deiner selbst. Doch das genügt noch nicht zur Charakteristik; sch muß noch folgende Wahrnehmungen hinzusügen: Hödel Hal keine Idee davon, daß dies eine Nieder trächtigkeit ist. Er betrachtet sich als einen Roman helden ü I» Karl Moor oder Rinaldo Rinaldini. Er war zwar gezwungen, um von den Zeugen wieder erkannt zu werden, die etwas vernachlässigte Kleidung zu tragen, welche er zur Zeit seiner Unthat trug. Im Uebrigen hatte er aber versucht, „sich fein zu machen", so gut er es verstand. Er hatte sich sorg fältig frist« und weiße Manchetten vorgebunden. IBM» '.""»W Er spielte nicht den Idioten, sondern den ShMM Mit Wohlgefallen blickte er an sich hinauf und als wollte er sagen: .Bin ich nicht ein AdvmW Er versuchte alle interessanten Attitüden. Bald krMZ er die Hand an die Stirne, bald stützte er häHW das Kinn. Und wenn er stand, erschöpfte er heroischen Positionen. Seine Worte gestaltete stets schnöde und wegwerfend, und doch kokettirend. Er machte den Eindruck des auf einer Provinzialbühne. Offenbar gedachte - «MD den Richtern, den Zeugen und den Zuhörern jMD imponiren. Er hatte sich sogar verschiedene Sorte» 'M von Gelächter» zurecht gemacht, bald weltschmerzlich, bald ironisch, bald sarkastisch , bald mephistophelisch LW und er brachte diese verschiedenen Sorten abwechselnd W zur Anwendung. Eitel bis zum Exceß, wollte er um jeden Preis rM eine Rolle spielen. Und da er keine gute spielen M konnte, so nahm er die schlechte. Eine Caricatur auf Herostrat! Daß ihm die Todesstrafe bevorsteht, M das glaubt er offenbar nicht. Als Folge seiner I That stellt er sich vor, daß er „eingepflanzl" (einge- -I sperrt) werde; er spricht davon, was er thun wolle, M wenn er wieder herauskomme. Ob seine Lausbuben- Frechheit Vorhalten wird bis in die . Schauer de» ,W Todes, glauben wir nicht. Er rechnet vielmehr zur W Zeit noch auf Begnadigung. Vielleicht rechnet er W falsch. Die Todesstrafe steht im Gesetz; und r» W giebt Fälle, in welchen es kaum denkbar ist, daß man W dem Gesetz nicht freien Lauf läßt. Es sind die M Fälle, wo man nicht milde sein kann gegen einenAM Einzelnen, ohne grausam zu sein gegen Alle. 'W Der Gedanke, daß das Leben des Oberhauptes M der deutschen Nation in der Gewalt eines solchen D ruchlosen, zugleich unreifen und überreifen Jungen H liegen sollte, ist kaum zu ertragen. Den Massen- M Mörder Thomas würde man gewiß nicht begnadigt H haben. Aber der Kaisermörder ist schlimmer. Er A begeht ein Attentat auf die Gesammtehre unsere» S Volkes. Er heftet uns eine Schmach an, deren sich A Jeder von uns schämt, vor der Jeder erröthet. Ich bin ein alter Mann und habe schon da» A Attentat des Ficschi erlebt. Dieser Lump — denn ? so kann man doch Wohl einen Menschen nennen, A der wegen Schriftfälschung und Diebstahl verurtheilt I war, zuweilen als Polizeispitzel gedient und einen Z vagabondirenden Lebenswandel geführt hatte — glich, H was die Eitelkeit anlangt, vollkommen dem Hödel. z Er wurde am 16. Februar 1836 gerichtet. Aber er hatte sogar eine Erbin seiner Eitelkeit hinterlassen, ß eine Konkubine, eine einäugige scheußliche Person, genannt „Nina". Sie spielte in einem Pariser Kaffeehaus, das sich ihrethalben eines großen Zuspruch» ' erfreute, noch eine Zeit lang ihre Rolle. Das deutsche Volk ist einem solchen Fetischdienste des Lasters und des Verbrechen» glücklicherweise nicht s günstig. Als Hödel vor Gericht seine Mätzchen A machte, sagte ein würdiger alter Herr im Zuschauer- Z raum: „Gott sei Dank, daß ich nicht der Schutzmann W bin, der neben dem Hödel steht.' A" Warum denn? rA