Volltext Seite (XML)
Der russische Großsürst Hlcvlallt hat Äe Rückreise nach Petersburg angetreten. Die politischen Zeichendeuter sind uneinig, ob der Wechsel im Ober kommando als ein friedliches oder kriegerische« Symptom auszufassen sei. Nach einer Meldung der „Times" geht im „russischen Lager die Meinung dahin, daß des Großfürsten friedlicher Einfluß ver mißt werden wird und daß der Wechsel im Com- mando eine Aera einer strengeren Politik kenn zeichnet. Es heißt, daß des Großfürsten Instructionen schon seit Langem eine Besetzung ConstantinopelS rechtfertigten, daß er aber, da er den Türken sein Ehrenwort verpfändet, seine Truppen würden nicht in die Hauptstadt einrückcn, an seinem Verspreche» festhielt." Eine andere Nachricht besagt: Mit General Totlebens Uebernahme des Oberbefehls be ginnt eine neue Periode der Geschichte des Krieges. Der Eindruck in der Armee Hierselbst ist, daß seine Ernennung Krieg bedeutet. Des Generals persönliche Meinung ist — so sagt man — daß der Krieg un vermeidlich sei, und diese Meinung wird von seinem Stabschef getheilt. In militärischen Kreisen hat eine Aeußerung großes Aufsehen hervorgerufen, welche der Kaiser gelegentlich einer der letzten Truppenbesichtigungen gethan haben soll, indem er bezüglich der schwebenden Streitfrage zwischen England und Rußland bemerkte, er werde seinen Neffen, den Kaiser Alexander, nicht im Stich lassen. Indessen ist die Auslegung, daß damit auf ein activeS Einlenken Deutschlands zu Gunsten Rußlands hingewiesen werden sollte, sicherlich übertrieben und lag dieselbe auch wohl nicht in der Intention des Sprechenden. Für die vorherrschende Stimmung ist dieselbe allerdings charakteristisch. Die „Wiener Presse" meldet, daß in Prag dem Besuche des Kaiser Franz Joseph im Juni entgegen gesehen werde und bestätigt nun ebenfalls, daß Kaiser Franz Joseph sich von da nach Dresden zur . Feier der silbernen Hochzeit des Königspaares be geben werde. Hier werde derselbe am 18. Juni mit Kaiser Wilhelm zusammentreffen. Die Heftigkeit, mit welcher die Vertreter des fanatischen Ultramontanismus dem neuen Papste zusetzen, wird, wie man aus Rom schreibt, für den selben höchst lästig. Namentlich ist es Cardinal Ledochöwski, der förmlich Jagd auf Leo macht. Geht der Letztere, um einige Minuten Ruhe zu genießen, in dem vatikanischen Garten spazieren, so steht der polnische Märtyrer unfehlbar hinter einem Strauch, um zur rechten Zeit hervorbrechend Se. Heiligkeit zu begrüßen und seine Seufzer anzubringen. Die beiden ebenfalls in Rom lebenden schweizerischen Bischöfe wollen gleichfalls nichts von Verträgen wissen und würden lieber ihr gesammtes Vaterland beugen, als ihr eigenes Haupt. Lachat ist citirl worden, weil der Papst zu einer Beilegung des Streites kommen und deshalb den widerstrebenden Bischof selbst vernehmen will. Die Pariser Weltausstellung auf dem Marsfelde war am Donnerstag, wo der Regen aufhörte, etwa von einer halben Million Menschen besucht. Die Zahl der Fremden, die sich gegen wärtig in Paris befindet, ist ungeheuer. Auf der ÄwMen. Men MdWavd der Pforte, nur einen Protest, besorgt man nicht und «twaige Rechts- oder sonstige Verwahrungen wird 7 Man über sich ergehen lassen. Weiter ist die An- gelegenheit bisher nicht gediehen. ES ist interessant zu sehen, wie auch die italienische liberale Presse in der päpstlichen Encyklika vom 21. v. Mts. einstimmig die Pro- clamirung der Formel absolutester Opposition gegen die moderne Welt und Civilisation erblickt. Der Papst spricht, so argumentiren die italienischen Liberalen, in derselben nicht im Namen der Re ligion, sondern ausschließlich im Namen der Kirche, und er droht der Gesellschaft allein darum mit den schrecklichsten Catastrophen, weil sie sich von der Kirche getrennt hat. Die Kirche allein hat nach dem Texte dieser Encyklika das Recht, die Jugend zu erziehen, ihr allein kommt es zu, die Familien zu bilden, indem sie die Ehe einsegnet und ihr in derselben Zeit die bürgerliche Gesetzlichkeit und das Princip der religiösen Erziehung zuwendet. Außerhalb der Kirche giebt es keine Civilisation. Wenn in der alten Weltgeschichte die Griechen, die Römer, die Meder, die Assyrier und in der Neuzeit die erleuchtetsten Völker der Welt für gebildet galten, so war dies nur leerer Schein, nur täuschende Formen der Civilisation. Die Hoffnungen Italiens und der Welt sind alle auf den wohlthätigen Ein fluß des apostolischen Stuhles gebaut, der in der Encyklika in der entschiedensten Weise erneuerte Protest in Sachen der weltlichen Gewalt ist die Be stätigung jener apostolischen Censuren, welche im Syllabus gegen die landläufigen und notorischen Jrrthümer einer unnützen und trügerischen Philo sophie niedergelegt wurden. Darum, so sagt z. B. der „Avvenire", wurden wir beim Durchlesen dieser Encyklika vollkommen in unserer Meinung bestätigt, daß an dem Papstthum nichts geändert ist, noch geändert werden konnte; es trifft mit seinen Tadel ungen als „Jrrthümer" — Wahrheiten, welche für uns heilig und unverletzlich sind, es beklagt die größten Errungenschaften des Menschengeschlechts als einen elendiglichen Verfall der Gesellschaft. Im Grunde dieser Encyklika verschwindet und verbirgt sich jede Individualität des neuen Papstes, sie zer streut alle naiven Illusionen und alle schüchternen Zweifel: Die Institution hat den Mann, welcher er immer auch gewesen sein mag, absor- birt und es steht uns keine neue Person gegenüber, sondern das Papstthum, der alte Gegner der Freiheit, der Civilisation und der italie nischen Einheit! Die französische Weltausstellung ist am 1. Mai eröffnet worden. Die Feier der Eröffnung verlief programmmäßig, wurde aber nicht vom Weiter begünstigt, da es von Mittags 1 Uhr ab beinahe unablässig regnete. Das Arrangement war vortrefflich, nur waren nicht hinreichende Ordnungs maßregeln getroffen, so daß bei der ungeheuren Menge, welche sich versammelt hatte, mehrfach Ver wirrung eintrat. Auf dem Wege vom Elyseepalaste nach dem Trocadero wurde der Marschall Mac Maho» mit den Rufen: „Vivs la kexudllqus" lebhaft begrüßt.