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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 22.10.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190310220
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19031022
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19031022
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-10
- Tag 1903-10-22
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Monat
1903-10
-
Jahr
1903
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nur ein teilweise» Arbeiten in allen Abteilungen aller Fabriken durchführbar sein würde. Ist die Wiederinbetriebsetzung aller Fabriken einmal möglich geworden, so wird auch weiter gearbeitet werden. Die Arbeitswilligen hätten dann keine Wiederentlassung zu befürchten. — Crimmitschau, 20. Oktober. Die streikenden Textilarbeiter hielten gestern vormittag fünf Versamm lungen ab, in welchen da» Beharren im Ausstande beschlossen wurde. In einer eingebrachten Resolution wurde beschlossen, die Aufforderung der Arbeitgeber zur Wiederaufnahme der Be schäftigung entschieden abzulehnen. — Lößnitz, 17. Oktober. Aus der Bahnstrecke Aue- Chemnitz entstieg gestern dem hier 8 Uhr 2b Min. vormittag» von Aue auf Haltestelle Lößnitz cinlreffenden Personenzuge unter anderen Passagieren ein etwa 4 Jahre alte» Bübchen. Bei Durchsicht seiner Fahrkarte bemerkte der dortige Bahnsteigschaffner, daß der Knabe im Besitz eine« Billet« nach Chemnitz war und stellte deshalb die Frage an ihn: wo er denn hinwolle. Der Knabe antwortete nach Frankenberg. Auf Grund dieser Angabe wurde der Ankömmling dem Bahnhofsvorstand zugeführt und weiter examiniert. Er gab an, au« L. zu sein und wolle nach Frankcnberg zu seiner Großmutter, wie er heiße, wisse er nicht. Der Knabe wurde nun bi« zu dem 11 Uhr 27 Min. nach Chem nitz abgehenden Zuge dabehalten und dann einem Schaffner mit der Weisung übergeben, denselben mit nach Chemnitz zu nehmen, ihm dort ein Billet nach Frankenberg zu lösen und ihn einem dahinsahrenden Schaffner zu überliefern. Während dessen spielte sich auf dem Hauptbahnhof in Chemnitz folgende Szene ab: Mit dem Zuge, au« welchem der Knabe vormittag» in Lößnitz auS- gestiegcn war, kommt in Chemnitz eine Danic an und meldet dem dortigen Beamten höchst ausgeregt, daß ihr 4 Jahre alter Sohn in Altchcmnitz, bi» wo sic ihn noch bei sich gehabt, ab handen gekommen sei. Aus diese Meldung hin wird nun nach Altchcmnitz und mehreren anderen Stationen telegraphiert und die Polizei in Chemnitz in Kenntnis gesetzt, aber erfolglos. Nach mittag» nach l Uhr konnte der Knabe, welcher von seiner Mutter von Lößnitz bi» Altchcmnitz nicht vermißt worden war, dieser wohlbehalten dort übergeben werden, sodaß Mutter und Sohn die Fahrt nach Frankcnberg vereint sortsetzcn konnten. — Pirna, 18. Oktober. Zweitausend Mormone n- Missionare sind über da» große Wasser herübergekommen, um für die Lehren der „Heiligen de» Jüngsten Tage»" eifrige Werbetätigkeit au»zuüben. Auch unser Pirna ist in da» Bear- beilung»gebiet mit einbezogen worden und in zahlreichen Familien sucht einer der Ausgesandten schon seit Wochen Bekehrungen vorzunehmen. Der Mann führt sich ein unter Verabreichung eine» in grünen Umschlag gehefteten Büchelchcn», da» sich al» ein sogenanntes „Traktat" entpuppt. Bi« jetzt ist an manchen Stellen, wo man sich mit dem Ueberbringer in ein Gespräch eingelassen, schon Traktat Nr. 3 abgegeben worden, welche» Heftchen die Frage als Ueberschrift trägt: „Wo ist das wahre Evangelium?" In nächster Woche soll hier noch ein zweiter Helfer eintreffen, um die Werbearbeit jedenfalls erfolgreicher zu gestalten. — Zittau, 17. Oktober. Wegen umfangreicher Unter schlagungen wurde vom Landgerichte in Bautzen die HandclSsrau Marie Wcigelt zu drei Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrcn- rechtSverlust verurteilt. Die Verurteilte hatte innerhalb zweier Jahre, während welcher sie in dem Detailverkaufe der Mechani schen Weberei von Wagner u. Co. in Olbersdorf als Verkäuferin tätig war, nach und nach gegen 12000 Mk. veruntreut — Oberwiesenthal, 20. Oktober. Ueber die in diesem Winter einzurichtenden Hörncrschlittensahrlenauf dem Fichtelberg und dem Keilbcrg wird gemeldet: Der Fichtelberg- wirt richtet zwei Touren ein, die eine sührt am Springbrunnen vorüber nach Oberwiesenthal, die andere den Fichtelbergsteig und die Vierenstraße abwärts nach der Eisenbahnstation Vierenstraße. Die Touren vom Keilberge gehen einesteils nach Oberwiesenthal, anderenteils zum Bahnhof JoachimSthal. Die letztere Tour wird bei einer Länge von 7 Kilometern und einem Gefälle von 700 Meiern wahrscheinlich die längste der bis jetzt bestehenden Hörnerschlittentouren sein. Außerdem wird noch eine ständige Verbindung zwischen dem Fichtel- und Keilberg selbst, Hörner schlittenfahrt bis „Neue» Haus", von hier au» Vorspann und umgekehrt, hergcstellt werden. — Der Sächsische Handelskammertag hat in seiner am Dienstag in Dresden stattgefundenen Sitzung einstimmig folgende Resolution gefaßt: 1) In der Erwägung, daß der Ersten Ständekammer de« Industriestaates Sachsen 27 Vertreter de» platten Lande« und ter Landwirtschaft angehören, und Laß der Landwirtschaft, bezw. dem Großgrundbesitz kraft Gesetze« die Be fugnis verliehen ist, aus ihrer Mitte Delegierte in diese Körper schaft zu entsenden, während Industrie und Handel kein Recht auf Sitz und Stimme in der Ersten Kammer haben, hält er der Sächsische Handelskammertag für ein Gebot der Gerechtig keit: daß dem Handel und der Industrie das Recht aus eine an gemessene, ständige Vertretung in der Ersten Kammer verliehen wird. 2) In der Erwägung, daß die Vertretung von Handel und Industrie insbesondere zu deren Steuerleistung nicht im an gemessenen Verhältnis steht, hält c« der Sächsische HandclSkammer- tag für dringend nölig: daß eine Abänderung de« Wahlrecht» für die Zweite Ständckammer nach Maßgabe der jetzigen Be deutung voit Handel und Industrie erfolgt. — Der Handcl«- kammertag behält sich vor, zu den Vorschlägen der Königlichen Staatsregierung in betreff der Aenderung des Wahlrecht» zur Zweiten Kammer der Ständeversammlung Stellung zu nehmen, sobald sie in einer authentischen Form vorlicgen. Wenn, wie vielfach verlautet, die Regierung beabsichtigen sollte, durch solche Aendcrungcn dem Handel und der Industrie eine bcrufsständige Vertretung in der Zweiten Kammer zu gewährleisten, so erklärt der Handelskammertag, daß durch eine solche Verfassungsänderung die unter 1 gestellte Forderung nicht al» befriedigt erachtet wer den kann. — Von zahlreichen Bahnhofswirten wird seit einiger Zeit eine bemerkenswerte Maßnahme angewandt. Die zum Verkauf ausliegenden und beim Einlaufen der Züge herumge tragenen Butterbrote und belegten Semmeln sind nämlich fein säuberlich in durchsichtige» Papier eingeschlagcn und ein Ausdruck besagt, welcher Art der Belag ist. Hierdurch soll verhütet werden, daß sich diese Eßwaren mit Staub bedecken, daß sie den Besuch von Fliegen und Wespen erhalten und daß sie vor allen Dingen nicht von unberufenen, ost sehr unsauberen Händen betastet werden. Die» Verfahren verdient weiteste Verbreitung. — Halle, >8. Oktober. Von den auSgcbrochencn 8 Strafgefangenen wurden 7 gestern nachmittag durch eine Abteilung Kriminalbeamte und Militär in der Dölauer Heide bei Halle wieder aufgegriffcn, wobei ein Gefangener durch einen Schuß in« Bein verletzt wurde. Der achte Gefangene wurde in dem Kohlenkeller einer nahe beim Gefängnis gelegenen Billa vorgefunden. Der ermordete Aufseher heißt Waller. Amtliche Mitteilungen ans dem Sihnagsprotokoll des Stadt rates j« Kiienftock vom 6. Oktober 1903. - Ohne Gewähr für daraus abgeleitete Rechte. — Anwesend: 4 RatS,nitglieder. Vorsitzender: Herr Bürgermeister Hesse. 1) Der Herr Vorsitzende gibt die Beschlüsse deS HerbergSauSschusseS über den Bau einer Herberge „zur Heimat" bekannt. Der Stadtbaumeister soll nach seinem Amtsantritt mit der Aufstellung eines Planes und genauen Kostenanschlags für einen HerbergSneubau beauftrayt werden. Der Kostenanschlag darf die festgesetzte Summe nicht überschreiten. Auf Grund solcher Unterlagen soll unter Begründung deS Unternehmen- daö Stadtverordnetenkollegium um Verwilligung eine- unverzinslichen städ tischen DarlehnS ersucht werden. 2) Die von der Königlichen Kreishauptmannscbaft geforderten Ergänzungen und Aenderungen deS Regulativ- über da- Schlasstellenwesen sind vorzunehmen. 3) Von der Verordnung über daö Wohnungswesen nimmt man Kenntnis. Die Einrichtuny und Ausgestaltung einer Nahrungsmittel- und Wohnung-, statistik wird m Verbindung mit der Einwohnerstatistik in Aussicht ge nommen. 4) 13 Straßenbäume an der bebauten oberen KarlSbaderstraße sollen zu dem von der Straßen- un d Wafferbauinspektion festgesetzten Preise über nommen und das Holz an Interessenten wieder verkauft werden. 5) Den Ratsschreibern HeinS, Herold und Faßmann wird die Protokollanten eigenschaft verliehen. 6) Hiernach nimmt man verschiedene Nachschätzungen vor und stellt die Ergebnisse im Heberegister ein. 7) Weiler wird über die Angelegenheit, Herstellung von Fußwegen auf der Schneebergerstraße betreffend, Beschluß gefaßt. Zur Beschlußfassung gelangten noch 1 Bau- und 3 allgemeine Sachen, die allgemeines Interesse nicht haben. Theater i« Eibenstock. Am Montag abend erfreute uns die Direktion mit dem in haltsvollen und abwcchjelungSreichen Lustspiel „Doktor Klau»" von A. L'Arronge. Dasselbe wurde ganz vorzüglich wiedergegeben und erntete den ungeteiltesten Beifall der Anwesenden. Die ver schiedensten Charaktere wurden von den Künstlern ohne Ausnahme tresflich verkörpert, sodaß e» uns schwer wird, einzelne Personen besonders hcrauszugreifen. Herr Dcmuth al» LubowSki hatte die Lacher stet« auf seiner Seite, während Herr Kuhnert al» Leopold Griesinger durch sein gewandte» Spiel fesselte. Herr Meischner (l)i. Klau»), Herr Mcmicke (Max v. Boden), Herr Rauch (Res. Gerstel) sowie die Damen, Frauen Meischner, Meinicke, Keßler und Frl. Tileniu« wetteiferten untereinander.in der guten Aus füllung ihrer Rollen, sodaß der Erfolg ein unbestrittener war. Bei auSverkauftcm Hause gelangte am Dienstag da« mit großem Interesse erwartete öaktige Schauspiel „Alt-Heidel berg" zur Aufführung. Der Inhalt de» Stücke» ist, wie wir vorauSsetzen, wohl dem größten Teil des Publikum« hinlänglich bekannt, da dasselbe Stück schon einige Male hier zur Aufführung gelangt ist, und halten wir eS daher nicht für nötig, darauf noch näher einzugehen. Herr Hugo Rehher, welcher heute zum ersten Male hier auftrat, spielte den Erbprinzen Karl Heinrich von Sachsen-Karlsburg vorzüglich, desgleichen spielte auch Herr De- mulh seine Rolle als Kammerdiener Lutz sehr gut. Herr Direktor Meischner machte seinem Rus als 0r. pkil. Jüttner wieder alle Ehre, denn er spielte auch diesmal seine Rolle vorzüglich. Auch Herr Meinicke al» Student Graf von Astcrberg spielte gut. Die Käthi wurde von Frau Direktor Meischner ausgezeichnet dargeslellt, denn sie spielte ihre Rolle mit voller Hingabe und großer Natür lichkeit. Auch die übrigen handelnden Personen gelangten gut zur Darstellung. Zum Schluß möchten wir der Direktion raten, im Interesse de« Publikum« die Vorstellungen doch pünktlicher beginnen zu lassen und die Zwischenpausen möglichst zu kürzen, damit da« Theater nicht erst gegen 12 Uhr sein Ende erreicht. Durch pünkt lichen Ansang und Verkürzung der Zwischenpausen ließe e« sich wohl ermöglichen, die Vorstellungen um 11 Uhr zu Ende zu führen. Inspektor Kerkert. Roman von Maximilian Mocgeli». («. Fortsetzung) Inzwischen war die All-Hammer-Kutsche die Bahnhofstraße hinabgerollt und Fritz erhielt den Auftrag, „links" zu fahren. Er kannte diesen Befehl bereit» hinlänglich. Sein Herr schien heute wenig aufgelegt, den geraden Weg durch die Stadt am Marktplätze vorüberzufahren, wo e» dann freilich einer Beleidigung verzweifelt ähnlich sähe, dem „Deutschen Kaiser" nicht „guten Tag" gesagt zu haben. Jawohl, der alte Herr schien heute besonder« ernst; indessen diese Stimmung schlug sogleich um in eine wohltuende, freudige Beruhigung, al« er zu Hause angekommen, zwischen der einge- laufcnen Post einen Brief von seiner Gattin vorfand, in dem ihm diese die hochersreuliche Mitteilung machte, daß sie sich nun mehr recht wohl befinde und demnächst ihre Ankunft melden würde. „Golt sei Dank," rief er ordentlich erleichtert, denn er sehnte sich bereit» recht sehr nach dieser Zeit. Seine Ehe war ein völlig ungetrübte« Glück. Freilich, wa« man gemeinhin soviel an ihm, soviel an seiner Frau lag, mit solchem Glücke bezeichnen durste. Im übrigen war auch ihm de« „Leben» ungetrübte Freude" nicht unbekannt geblieben. Mit nicht besonder« großen Mitteln begann sein Wirtschaften, und al« Anna von Bredow mit ihren seelenvollen Augen und ihrem edlen Gemüt al« Anna von Sydow ihm einen Teil seiner Sorgen abnahm, da hatte alle Not noch lange kein Ende, vielmehr hieß e«, bezüglich de« Punkte«, der in der Ehe gemeinhin der erste Gedanke ist, daß gleich und gleich sich gern gesellt. Aber vielleicht waren ihre bescheidenen Mittel im Anfänge gerade ein wesentlicher Teil ihre« Glücke«, eine- Glücke«, da« auch mit allem Gelde der Welt nicht zu erkaufen war. Jawohl, ihre Ehe konnte und wurde auch mit Fug und Recht al« lobenswerte« Beispiel für manche jener Gegend hingcslellt, wo man da« Versprechen am Altar manchmal weniger ernst nahm. Freilich, al« dann der Nachlaß seine« Großonkel«, jene« reichen Sonderling« und Besitzer« vieler Güter, besonder» in der Mark, zur Teilung kam — nach dem Willen de« Erblasser« sollte die« erst 50 Jahre nach seinem Tode geschehen — da konnte er Helenenhos völlig ablösen und Alt-Hammer neu erwerben. Aber auch in anderer Hinsicht waren ihm die schweren Stunden de» Leben« nicht unbekannt geblieben — drei Hügel auf dem Dorffriedhose von Helenenhos redeten eine gar zu deutliche Sprache, die auch, namentlich im letzten der Grund de« Leiden« jener lag, deren Zeilen ihn jetzt so ungemein er leichterten und er fühlte sich nun so wohl, al» hätte er die ein wenig beschwerliche Reife von seinem Gute, die schon vor Sonnenaufgang begann, garnicht gemacht. Er bat feine Wirt- schast«dame, La« Frühstück nach dem Verandazimmer zu senden. Mit der Post war sonst Wesentliche» nicht eingegangen, und so nahm er nach seiner Gewohnheit die Zeitungen und ging nach jenem Zimmer, da« nach der kühlen Parkseile zu lag. Hier herrschte in der heißen Sommerszeit stet» eine ange nehme Temperatur, und die Sonne meinte e« heute, wo alle Welt in der Heuernte stand, auch besonder« gut. Der Gutsherr lehnte sich in einen Korbstuhl und vertiefte sich al«bald in seine Zeitungen. Da« Neueste vom politischen Himmel de« Wellballe« hatte er bereit« während der langweiligen Fahrt hinlänglich genossen, und so war er bei dem Wochen- und Krei«blatt der guten Stadt G. -ngelangt. Darin la« er unter Lokale«: daß nach einstimmigem Beschlüsse die Schützengilde nun mehr beschlossen habe, im nächsten Jahr» bereit« in neuer schlichter Uniform zu erscheinen. „Na also," bemerkte er halblaut und erwiderte den Gruß de» Inspektor», der fast gleichzeitig mit Johanna und Anna, die von der anveren Seite mit dem Frühstück kamen, erschien. Sie sahen den Gutsherrn recht froh gestimmt, und solche Stimmung, die von oben herab meist ansteckend wirkt, war auch hier ein wenig da» Barometer. Der Inspektor berichtete al»bald einige dienstliche Mitteil ungen, ßie indes nicht sonderlich von Belang schienen, während Johanna da« Ordnen de« Tische» beschäftigte; und der Herr de» Hause«, der heute wohl au« Anlaß seiner guten Stimmung Wein bestellt hatte, füllte in feiner ritterlichen Art Johanna zuerst da» Gla». Da nun in wirtschaftlicher Hinsicht aus Alt-Hammer alle« wie im Uhrwerke eingerichtet war, da« auch gewöhnlich recht zeitig aufgezogen und geölt wurde, so fanden Herr und Inspektor wenig Anlaß zu Fragen und Antworten. „Herr Herbert," sagte der Herr von Shdow plötzlich, al» habe er ihm eine höchst wichtige Mitteilung zu machen, an die er vordem kaum gedacht. „Herr Herbert, eine Nachricht, die Sie gewiß überraschen dürste," begann er nochmal» und schob sein Gla» ein wenig zur Seite. „Gestern verkaufte ich Helcncn- hof an den langsamen Dossotv, mit dem ich zufällig in Danzig zusammentras." Der Inspektor horchte auf, al« handelte e» sich um eine Sache, die ihn sogar im hohen Maße interessierte. „Hm," entgegnete er ganz im Banne de« soeben Vernommenen, „da« begrüße ich mit aufrichtiger Freudes- Sein Herr wußte sehr wohl diese Worte zu deuten, und in der Tat war er auch einer Sorge enthoben, die er auf seine alten Tage — er zählte bereit» über sechzig Jahre — nicht mehr recht haben mochte. Aber der Inspektor sah merkwürdig sinnend vor sich hin. Er kannte Helenenhos, wo ihn sein Herr oft genug mit Aufträgen hinsandte, die sich beruflich kaum er ledigen ließen. Er wußte auch sehr wohl, wa« diese» Gut, auf dem sein Herr einstmals seine Aera begonnen, heute wert war, nachdem er e« damals in einem bedenklichen Zustande von einem polnischen Edlen erstanden. Der alte Herr, der seinen Inspektor so sinnend sah, konnte sich durchaus keinen Ber« machen und meinte: „Ueberrascht Sie da» wirklich so sehr, Herr Herbert?" Er legte dabei die Arme auf den Tisch, wie er es immer zu tun pflegte, wenn ein Ge spräch ihn ganz besonder» interessierte. „In der Tat, es überrascht mich ungemein," entgegnete er und sah mit ein wenig gefurchter Stirn aus fein Gegenüber. „Ich meine, weil der Herr von Sydow niemals die Güte hatten, davon zu sprechen. Indessen, ich bin glücklich zu wissen, daß meinem Herrn dadurch eine Erleichterung wird, die ihm in der aufrichtigsten Weise gewiß alle Welt von Herzen wünscht." „Aber", bemerkte er und über sein Gesicht, au» dem eine volle Kraft, ein fester Wille sprach, ging ein sonderbare» Lächeln, da sein Herr ebensowenig wie Johanna, die lautlos aber desto auf merksamer zuhörte, zu deuten wußten. „Aber", fuhr er fort, „und da« gab mir zu denken — — Helenenhos hätte auch ich von Herzen gern gekauft!" „Sie — gekauft! — ja aber wie konnte ich da» nur ahnen," sagte der Gutsherr völlig überrascht und schien im Augenblicke höchlichst erstaunt ob dieser Worte, die er entfernt nicht einmal erwartete. „Denn Ihnen, Herbert, hätte ich e» sehr gern ge geben," fuhr er fort, um nur etwa» zu sagen, denn ihm war e» unklar, wie sein Inspektor, dessen Verhältnisse er ziemlich genau zu kennen glaubte, sich diese Ucbernahme eigentlich vorstellte. 'Noch völlig im Banne de» soeben Gehörten, blickte er auf Johanna, die bi« dahin still gelauscht. Plötzlich aber sprang er auf, aber auch gleichzeitig der Inspektor. „Fräulein von Geisel" ries der alte Herr. „Fräulein, Fräu lein um'« Himmels willen, was ist Ihnen nur!" Allein diese atmete schwer und ihr sonst so interessante» Gesicht schien geisterhaft bleich. Er drückte aus die Glocke, während der Inspektor ein Gla« mit Wasser an ihre Lippen führte und sie im Arme hielt. „Sie ist ohne Zweifel recht krank," sagte er teilnahmsvoll und blickte wie fragend auf den Gutsherrn, der ihren Arm er griff, um ihr gleichfalls behilflich zu sein. Johanna schlug die Augen auf und schien föllig überrascht von einer Situation, von der sie nicht» ahnte, nicht» fühlte, nicht» wußte. E» kam ihr so schnell, so urplötzlich da» Ver lassen ihrer Sinne, und sie empfand nicht einmal ein unbehag liche» Gefühl dabei. „Ich danke Ihnen, gnädiger Herr," sagte sic verwirrt und blickte wie fragend aus die um sic Bemühten, während jähe Röte sich über ihr bleiche« Gesicht ergoß. „Ich danke wirklich, e« ist vorüber". Und nun begriff sie auch die Ursache; e« war ihr wenig angenehm, in solche Schwäche zu verfallen, deren wahren Grund sie freilich nur allein empfand. Sie erhob sich, als wäre nicht» vorgefallen, dankte nochmal» mit dem bezaubernden Lächeln, da« sie so tresflich kleidete und verließ mit dem Mädchen den Raum. Herr und Inspektor sahen sich noch fragend und achsel- zuckend stumm an, während plötzlich ein fröhliche« „Guten Tag- Lurch« offene Fenster schallte. Ueberrascht sahen sich beide um und gewahrten de» Brauc- reibesitzer« vergnügte» Gesicht im Fensterrahmen neben Nimrod, der seine Pfoten auf da« Gesims gelegt hatte und gleichfalls neugierig hineinschaute. „Guten Tag, Onkelchen," grüßte er nochmal« und hielt einen Brief in der Hand, der sichtlich heute die besondere Ur sache seiner Stimmung war. „Aber willst du nicht etwa» näher treten, wo warst du eigentlich?" entgegnete der alte Herr seinem Neffen, der sich mit verschränkten Armen, al« wolle er so der Unterhaltung pflegen, in» Fenster gelegt hatte. „Gewiß, lieber Onkel, ich komme schon, ich war — nach Hopsen!" Besitzer und Inspektor lachten, denn sie kannten diese Fahr ten bereit« hinlänglich, die jener ständig »»«führte, wenn ihn die lange Weile plagte oder sein Pferd der Bewegung bedurfte und der zweirädrige, leichte Wagen in Aktion trat, denn b, ja 10 Meilen im Umkreise blühte kein Hopfen und nach Norden, nach der Ostsee zu schon längst nicht. Der Besitzer, sichtlich in guter Laune, denn Johanna schien ihm sonderliche« Bedenken nicht mehr einzuflößen, drückte die Glocke und ries nach Martha. „O," sagte von Sydow sich verbessernd, sie ist ja nicht mehr hier, leider; daran wird man sich auch erst gewöhnen müssen": er dachte sogleich an ihren Baler, mit dem er al«bald einmal sprechen wollte.
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