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Auf de» Etadthauptmann von Petersburg, Ge neral v. Treposf, wurde am 5. Februar ein Attentat verübt, indem eine Frau, welche mit anderen Bitt stellern in der täglich stattstndenden Audienz empfangen war, auf den General bei Ueberreichung einer Bitt schrift zwei Revolverschüsse abfeurrte. Der Zustand des Generals Trepoff ist ernst ; die Kugel Hal noch nicht herausgezogen werden können. Der Kaiser und der ReichScavzler erschienen im Laufe des Tages bei dem Stadthauptmann. In der Stadt herrscht lebhafte Erregung. Die Verbrecherin verweigert bis jetzt jede Auskunft. Neueste Nachrichten. Berlin, 7. Februar. Ter Reichstag wählte auf Antrag Windhorst-Meppen das Präsidium und die Schriftführer der vorigen Session wieder. London, 6. Februar. Die Abendausgabe des »Standard" meldet, Rußland conccntrirte bedeutende Truppenmassen, angeblich 40,000 Mann, an der Ostseeküste. Petersburg, 7. Febr. Auf die hierher ge richtete Anfrage, ob und wann der von Londoner Blättern gemeldete Einzug russ ischer Truppen n Constantinopel erfolgt sei, kann nur er- 'widert werden, derselbe ist nicht erfolgt und die be treffende Blättermeldung Erdichtung. Tod Papst Pius IX. Rom, 7. Februar. Pius IX starb heute Nachmittag 4 Uhr 87 Minuten. Eine vom Papst am 2. Februar gehaltene Ansprache hatte ihm große Anstrengung gekostet. Er blieb, weil sich der Magen weigerte Nahrung anzunehmen, zwei Tage ohne jegliche Nahrung. Gestern Abend empfing er noch Besuche und nahm in der Nacht starke Dosen Chinin. Im Laufe der Nacht trat eine starke Ver schlimmerung seines Zustandes ein, so daß er gegen Morgen mit den Sterbesakramenten versehen werden mußte. Der Cardinalvicar wurde noch während der Nacht in den Vatikan gerufen. Der Papst selbst wurde abgesperrt, um zu verhindern, daß Unberufene in den Vatikan eindrängen. Nach dem Empfang der Sterbesakramente telegraphirte Cardinal Simeoni an die auswärtigen Cardinäle, um sie schleunigst herzu rufen. Am Morgen wurde in den römischen Kirchen das heilige Sakrament ausgestellt. In der Nacht um 4 Uhr, vom Schmerze gepeinigt, sagte der Papst zu seiner Umgebung: „8ono kritto! (Ich bin wie gebraten!) Im Sterbezimmer waren dreißig Cardinäle versammelt. Ebenso Nobel garben, Mitglieder der römischen Aristokratie und römische Senatoren und Malthe/er. Nach zwölf Uhr Mittags verlor Pius die Sprache. Darauf hin verbreitete sich fälschlich das Gerücht von dem schon erfolgten Tode, das bald widerrufen wurde. Zwei Cardinäle sprachen abwechselnd die Todtcngebete. Um 3 Uhr kragte man den Papst, der sich ein wenig erholt zu haben schien, ob er sich schlecht befinde. Er ant wortete mit kaum vernehmlicher Mimme: „8i!" (Ja!) Um 4 Uhr traf ihn ein Lungevschlag, um 4 Uhr 57 Minuten constatirten die Aerzte den ein getretenen Tod. Die Versammlung der Cardinäle trat nicht sofort zusammen, wie irrthümlich von hier verbreitet wurde. Erst morgen, Freitag Vormittag 10 Uhr, beginnt das Conclave Cardinal Bilio versah den Sterbenden mit den Sterbesakramenten und reichte ihm die letzte Oelung. Am Morgen wurden sämmtlichc hier anwesende Cardinäle nach dem Vatikan berufen. Der Tod trat um 5 Uhr Nachmittags ein, in Gegenwart ter Cardinäle Bilio, Pecci und Dipimctra. Das Car- dinalS-Collegium erklärte sich in Permanenz, doch ist eS noch ungewiß, ob das Conclave schon morgen oder erst nach 9 Tagen zusammentritt. Jedenfalls wird es hier abgehalten. In Rom herrscht den ganzen Tag über große Bewegung. Am Nachmittage füllten riesige Volksmengen und auch zahlreiche ele gante Equipagen den weiten St. Petersplatz. Hun derte von Wagen passirten die Engelsbrücke nach dem Vatikan. Die Haltung der Bevölkerung ist von bewundernSwerther Ruhe. Der Minjsterrath war den ganzen Tag über versammelt. Die italienischen Wachtposten an der Piazza Rusticucci und vor dem Vatikan wurden vorsichtshalber verstärkt. Um 8 Uhr wurden alle Lichter im Peters-Dom ausgelöscht und gleich darauf ebenfalls in allen übrigen Kirchen Roms. Es ertönt kein Glockengeläut in der ganzen Stadt, selbst nicht vom Capitol. Vermischtes. — Au» Kamenz wird uns unterm 4. Februar über einen Eisenbahnunfall berichtet: Gestern Mittag traf im Bahnhof Lübbenau der früh 9 Uhr hier abgehende gemischte Zug (Berlin - Görlitzsr Bahn) mit dem von Berlin kommenden Güterzuge zusammen. Der Kamenzer Zug, hinter den Personenwagen stark belastet mit Güterwagen, war bei dem Glatteis im Bahnhof nicht zu halten und fuhr über die Weiche und traf so den zuweit vorgekommenen Berliner Güterzug. Letzterer versuchte zwar, der Gefahr zu entgehen, doch beim Contredampf wurden etliche Wagen bald gestürzt und so das -weitere Zu rückweichen unmöglich. Die Maschinen fuhren dann auf einander, der Führer der Berliner Zuges wurde arg verletzt und der Lokomotivenführer Bruchwitz, auf dem Kamenzer Zuge, erlitt auch schweren Schaden. Der Heizer bei diesem Zuge rettete sich durch Hcrabspringen und das übrige Zugspersonal ward auch nicht erheblich getroffen. Nächst den verletzten Maschinen wurden etwa noch 20 Wagen zertrümmert. Die Passagiere der 4. Classc, auf dem Kamenzer Zuge, waren höchst unglücklich, denn nächst drei Todten beklagen 5 Personen den Verlust ihrer Glieder, Arme und Beine, und andere find sonst übel zugerichtet. Unter den Todten befindet sich auch der Sleinbruchverwalter Fritsch (Vater von 4 Kindern jetzt in Bullritz, früher in Berlin). Eine Frau wurde vor den Augen der sic erwartenden Kinder zerquetscht, und ebenso fand ein Lübbenauer Bürger seinen jähen Tod. — Bei dem Zusammen stöße der beiden Züge ist eine Frau aus Finster walde, welche sich in einem der verunglückten Züge befand, glücklich mit dem Leben davongekowmen. Dieselbe reiste nach dem Unglückefalle mit der Dahn nach Kakau und ging von dort in die Stadt. Um nun Abends mit der Halle-Sorau-Gubener Bahn nach Finsterwalde wieder zurückzureisen, bestieg sie in Kalau einen Schlitten um nach dem Bahnhofe