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Nehmen Md. — Brkanntlich fand bis jetzt jedesmal der Reichstag bkt seinem Zusammentritt rin Defiiit vor, welches jeddch stetj als nicht vorhanden nach gewiesen wurde. ES läßt sich daher erwarten, daß er von den 112 Millionen ein gut Theil abhandeln, oder vielleicht wiederum das Nichlvorhandeniein des DesicitS constatiren wirk Der Tabakssteuer- entwurf lvill den Eingangszoll aus Tabaksblätter stuf 42 Mark pro. Centner, von Cigarren und Cigartetten auf 90 Mark, und von anderem fabri- cirten Tabak auf 60 Mark erhöhen, die Steuer von dem inländischen Tabak auf 24 Mark pro Centner. Der Ertrag ist auf 29 Millionen Mark veranschlagt. Da dieser Ertrag das angebliche Deficit nicht decken Würde, soll noch eine Reichestempelsteuer (Börsen geschäfte, Steuer von Lottcrieloosen und Spielkarten) in Vorschlag gebracht werden. In Oesterreich ist man höchlichst verschnupft über eine Verfügung der preußischen Regierung, welche wie folgt lautet: .Höherer Anordnung zufolge ist zur Sicherung der Comrole darüber, daß die Zollfreiheit von Leinwand auf Grund der Aner kennung an, zu Nr. 5. der Position 22 des Vercins- zolllariss nur in den bestimmungsmäßigen Grenzen erfolgt, Bestimmung dahin getroffen worden: daß für die Leinwand, in Betreff welcher Zollfreiheit in Anspruch genommen wird, der tarifmäßige Eingangs zoll so lange zu deponiren oder sicher zu stellen, bis der wirkliche Eingang derselben zu einem Leinwand markte oder zu einer Bleicherei durch ein Attest der betreffenden Ortsbehörde oder durch eine obrigkeitlich beglaubigte Bescheinigung eines Bleicherei-Besitzers nachgewiesen ist. Auch Hal Vie Abfertigung an der Grenze nach entfernteren Orten nach Bestimmung des Grenz-Einigungsamtes auf Begleitschein 1 statt zufinden. Dies wird dem betheiligten Publikum mit dem Bemerken zur Kenniniß gebracht, daß diese Maßregel mit dem 1. Januar 1878 in Wirksamkeit tritt." Vorstehende Bestimmung ist allerdings einer Aufhebung der Zollfreiheit für Rohleinen gleich zu achten. Nachdem der erste König von Italien zur Ruhe bestattet ist, wirft sich von selbst die Frage auf, welche Stellung sein Nachfolger dem Vatican gegenüber einnehmen werde. Was von Humbert als Kronprinz bekannt geworden ist, läßt keine Unterwerfung erwarten; er soll sich im Gegenthcil nicht selten mit ironischer Schärfe über die Präten tionen des Vatican ergangen haben, und wenn er auch als König selbstverständlich mehr Rücksichten in seiner AusdruckSwcise beobachten dürfte, so wird doch nicht zu befürchten sein, daß er im Gegensatz zu seinem gutkalbolischen Vater dem Katholiken die Herrschaft über den Monarchen einräumen könnte. ÜeberdieS ist die Verfassung Italiens eine thatsächlich parlamentarische und der Wille des Königs findet sich also in ganz anderer Weise paralhsirt als in Ländern mit mehr oder weniger schcinparlamentarischen Verfassungszuständen, und um so gewisser werden die Hoffnungen, welche der Vatican auf Humbert I. zu setzen scheint, auf Sand gebaut sein — so lange wenigstens, als das italienische Parlament nicht durch eine clerikale Majorität beherrscht wird. Was uns weiter interessirt, das ist die Stellung, welche König Humbert dm auswärtigen Mächten gegenüber einnehmen wird. Er sdll gtöße Sympathien für Hränkreich habest Und in Frankreich selbst, wo man der Reserve längst müde ist- die man sich infolge der Niederlage von 1871 in der auswärtigen Politik auferlegen mußt« und wo man sich täglich mehr nach Allianzen sehnt, scheint man den Aeußerungen der Presse nach auf diese Sympathien große Pläne gründen zu wollen, in denen wahrscheinlich auch unser deutsches Reich eine Rolle spielt. Aber eben weil in Jt-lien die persönlichen Sympathien des Monarchen nur eine untergeordnete Bedeutung haben, wo es sich um das Interesse des in seinem Parlament vertretenen Reiches handelt, werken die Franzosen selbst in dem Fall, daß ihre Anschauung über König Humbert begründet wäre, in ihren Hoffnungen sich ebenso getäuscht finden wie der Vatican, da jene Interessengemeinschaft, welche Italien in die Arme Deutschlands geführt hat, jedenfalls länger fortbestehen wird, als es den französischen Revanchegelüsten ersprießlich ist. In Frankreich fühlt sich die republikanische Partei trotz ihrer fortdauernden Wahlerfolge, trotz des engeren Anschlusses der bisher.hin- und her schwankenden „Constilutioncllen" und trotz der ge lungenen Verdrängung von Staatsstreich -Profoßen a la Ducrot noch immer noch nicht vollständig sicher im Besitze der Herrschaft. Aus dieser Stimmung entspringen eine Reihe von pessimistischen Gerüchten, denen wir einstweilen jedoch keinen besonderen Werth beimessen. So hält eine Pariser Correspondenz der „ Jndepcndance" die Stellung Marceres für er schüttert, und gleichzeitig wird behauptet, daß Du- saure sich angeblich wegen Altersschwäche von seinem Posten zurückziehen will. — In der am 16. abge- halicnen Sitzung der Budgetcommission erklärte der Finanzminister Leon Say auf eine an ihn gerichtete Anfrage in Bezug auf die Convertirung der Rente, daß man, welche Meinung man auch von dieser Maßregel hegen möge, bei der gegenwärtigen Lage Europas nicht an eine solche denken dürfe. Um eine Reform von einer solchen Bedeutung durchführen zu können, müßten die Bedingungen für den Frieden nach Außen durchaus gesichert sein. Der spanische Congreß hat mit 309 gegen 4 Stimmen zu der Vermählung des Kölligs mit der Prinzessin Mercedes seine Zustimmung er- theilt und die für die Königin im Falle des Ablebens des Königs geforderte JahreSrente bewilligt. Damit wäre nun wohl das letzte Hinderniß zur Vermählung des jungen Königs beseitigt. Ihm ist wahrhaftig das Heirathen nicht leicht gemacht worden. Zuerst mußte er die Bedenken seiner Minister, dann den Widerstand der Cortes und endlich den Protest seiner Verwandten überwinden, um, nachdem dies nach schweren Mühen besorgt war, die Erfahrung zu machey, daß seine Mutter, die Exkönigin Isabella, ihre Einwilligung versagte. Isabella haßt Niemanden so bitter, als ihren Schwager, den Herzog von Montpensier, den Vater der Infantin Mercedes, mußte aber endlich fünf gerade sein lassen, da ihr Sohn «auf seinem Vorsatz beharrte. Auch Könige, namentlich junge, wollen in Herzenssachen zuweilen ihren Willen haben. Nichts Böses ahnend, ver brachte König Alfonso die WeihnachtSfeiertage bei seiner Braut, als er erfährt, daß seine Mütter sich