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Wochenblatt für Bischofswerda, Stolpe« und Umgegend» Amtsblatt -er Kgl. Amtoljauptmannschaft und -er Kgl. Schulinfpection zu Knutzen sowie -es Königlichen Verichtsamtes un- -es Sta-tralhes zu Kischofawerda. Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabend« und lostet einschließlich der Sona, abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark SO Pfg. (IS Ngr.). Inserate werden di« Oienitag« und Freitag« früh » Uhr angenommen und kostet die gesp-ltene Eorpuszeile «der deren Raum lv Pfennige. Sonnabend, den L. Deeember. 1877. Englische Beklemmungen. John Bull hat infolge der türkischen Niederlagen in Armenien, wie wir bereit« in unserer letzten Weltschau andeuteten, eine heillose Furcht bekommen. Schon in der Mitte des Juli, als die Russen den Balkan überschritten und die Straße nach Adrianopel gewonnen hatten, befand man sich in England in großer Aufregung, die sich indeß wieder legte, nach dem die russischen Truppen über den Balkan zurück gedrängt worden, Osman Pascha sich bei Plewna behauptet und Moukhtar Pascha in Armenien die russische Armee bis an die Grenze zurückgetrieben hatte. Mit jeder Schlappe, welche die russischen Truppen im Laufe des Sommers auf beiden KriegS- plätzen erlitten, stieg die Hoffnung der Engländer, daß die Türkei des mächtigen Gegners aus eigener Kraft sich werde zu erwehren vermögen. Allein in der letzten Zeit trat ein jäher Situationswechsel ein; und jetzt befindet sich Armenien beinahe voll ständig in der Gewalt der Russen, und eine türkische Armee, welche im Stande wäre, das stark bedrohte Erzerum zu entsetzen oder Kars wieder zu erobern, giebt es nicht mehr. Also gerade in Asien, auf demjenigen Kriegs schauplätze, auf welchen die Engländer stets mit ängstlicher Miene blickten, haben die Ereignisse eine Wendung genommen, die ihre schlimmsten Be fürchtungen übertrifft und sie mit den bangsten Sorgen erfüllt. Die Eroberung von Türkisch-Arme nien durch Rußland ist für England von schwer wiegender Bedeutung; es sieht bereits seinen Weg nach Indien ernstlich bedroht, es hält sogar Constan- tinopel nun auch von asiatischer Seite gefährdet. Man muß deshalb auch erwarten, daß die englische Regierung, wenn nicht etwa eine neue Wendung des Kriegsglücks eintreten sollte, sich bald veranlaßt sehen wird, zu den russischen Erfolgen eine bestimmte Stellung zu nehmen und der jetzigen Beklemmung durch eine Aktion Herr zu werden. Die Mehrzahl der englischen Blätter fordert ent schlossenes, unzweideutiges Dorgehen. Die „Morning Post' verlangt geradezu das Aufgeben der bisherigen neutralen Haltung Englands, und auch der „Standard" plädirt für das Hervortreten au» der passiven Zuschäuerrolle. Seine ganze bisherige Aweiunddrrißigsta Jahrgang, Politik habe England jedenfalls gegen den Borwurf sicher gestellt, daß es der Pforte Hilfe leisten würde, damit diese sich den nothwendigen Reformen wider setzen könne. ES handle sich um die Bertheidigung rein britischer Interessen, und das Schicksal von Kars müsse England zur Entscheidung drängen. Selbst die stark russisch Angehauchte „Times" "findet sich durch die Ereignisse in Armenien einigermaßen beunruhigt unk wünscht, daß von England etwas geschehe, rückt aber freilich mit einem Vorschlag« hervor, der nicht sonderlich praktisch erscheint und- auch von der Regierung schwerlich acceptirt werden dürfte. Da» Cithblatt räch nämlich, England soll« in Constantinopel den erforderlichen Druck ausSben, - um die Pforte zum Friedensschluß zu bewegen. So verzweifelt ist ja die militärische Situation der Türkei noch keineswegs, um eine Capitulation auf Gnade - und Ungnade, wie sie Rußland verlangen würde; eingehen zu müssen- Da faßt der „Observer" die Sache anders an; er redet nämlich der englischen Regierung eindringlich zu, sich in den Besitz eines „Pfände» ' zu setzen, um allen Eventualitäten gewachsen zu sein, unv plädirt ziemlich offen für die Einverleibung Aegyptens, da es ihm unvermeidlich erscheint, daß Rußland" durch den Friedensschluß in den Besitz Armeniens gelangest ' werde, wodurch der englische Weg nach Indien be trächtlich gefährdet sein würde. Me Auslassung des „Obseroer" kann leicht ein' Fühler sein, der auf Kommende» vorbereiten soll; in Verbindung mit der Aufforderung de» „Standard" an die Regierung, im Hinblick auf den Fall von Kar» Maßregeln zu treffen, durch welche die Stellung Englands, wie sie Derby'« Mai-Depesche an Schuma- loff gezeichnet, aufrecht erhalten werde, eröffnet er die Aussicht auf ein Nachspiel zum orientalischen - Krieg, da» die Engländer von ihren Beklemmungen befreien soll, da» aber Verwickelungen hervorrufeN - kann, welche England au« der Scylla in die Charybdi» bringen. Denn wird z. B. Frankreich sich die Occupatio» Aegypten» durch Englemd unge zwungen gefallen lassen? Wird Oesterreich und die übrigen Mittelmeerstaaten dulden, daß England den Ausgang im Osten de» Mittelmeere« gedadtso ver-- schließe, wie e« durch den Besitz von Gibrältar dien^ Westen verschließt? '