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Bischofswerda, Stolpen und UmgegeirW Amtsblatt der Kgl. Amtshauptmannschaft und der Kgl. Schnlinfpection zu Dautze»^ sowie des Königlichen Gerichtsamleo und des Stadtralhes zu Dischofswerda. Diese' Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabend» und kostet einschließlich der Som», «bend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark LO Pfg. (IS Ngr.). Inserate werden di« vienttag« und Freitag« früh » Uhr angenommen und kostet die gespaltene Eorpuszeile »der deren Raum 10 Pfennige. 33. Mittwoch, den 2S April. 1877. Politische Weltschau. Noch ist der Rubikon nicht überschritten, noch kann durch die Diplomatie ein Frieden nothdürftig zusammengeflickt werden. 'Aber auf diesen AuSgang der Krisis darf man sich keine Hoffnung machen. Die logische Folge der Ereignisse führt nothwendig zum Krieg. Die Türkei hat die in dem Londoner Protokoll vom 31. März niedergelegten Forde rungen der europäischen Mächte in schroffer Weise abgelehnt. In einem Rundschreiben des türkischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten vom d. April ist das Vorgehen der Mächte unberechtigt und als ein Angriff auf die Würde und die Rechte der Pforte bezeichnet. Keine Erwägung könne die türkische Re gierung dazu bestimmen, von dem Widerspruche gegen die Zumuthungcn des Protokolls Abstand zu nehmen und dasselbe als im höchsten Grade ungerecht und daher jedes verpflichtenden Charakters baar zu er klären. Im Widerstande gegen feindliche Zumuthungcn, gegen ungerechtfertigte Verdächtigungen und gegen offen kundige Verletzungen ihrer Rechte, die gleichzeitig Verletzungen de« Völkerrechts seien, fühle die Türkei, daß sie vor einem Kampfe um ihr Dasein stehe. Mit dieser Erklärung ist der letzte Versuch, den Frieden zu erhalten, gescheitert. Ein St. Peters burger officiöseS Telegramm meldet, daß sich Ruß land durch die gegenwärtige Lage zum Handeln ge zwungen sehe: Die Türkei wolle den Conflict und Dränge zum Kriege. Indem dieselbe den europäischen Mächren das Recht und die Möglichkeit abspreche, irgendwie innere Reformen zu Gunsten der Christen in der Türkei zu fordern und zu gewährleisten, sei eine völlig neue Lage geschaffen. Rußland habe fünf Monate lang Beweise seiner friedlichen Absichten gegeben. Die Türkei dagegen habe alle gebotene Gelegenheit, den Dingen eine friedliche Wendung zu geben, zurückgewiesen, sie dränge aus Waffenent scheidung; das unter den Waffen stehende Rußland könne nicht mehr zmückweichen. Kaiser Alexander ist zur Armee nach Kischaneff gereist. Die Eröffnung der Feindseligkeiten dürfte sehr bald bevorstehen. Die Frage, welche jetzt als die brennendste in den Vordergrund tritt', lautet: wird der Krieg lora- lisirt d. h. auf Rußland und die Türkei beschränkt 'leiben? fiwchmddrrißi-ster Ja-r-m* Bei dieser schwerwiegenden Frage kommen neben Rußland hauptsächlich diejenigen Mächte in Betracht, deren Interessen im Orient verschieden sind von den russischen: England und Oesterreich. Wa» zunächst Rußland anbetrifft, so hat es neben dem Zwecke, durch Beschützung der orientalischen Christen den nationalen und religiösen Gefühlen des russischen Volks gerecht zu werden, selbstverständlich noch an dere, reellere Interessen. Es tritt mit diesem Kriege in eine neue Phase des nun schon über ein Jahr hundert alten Kampfes um da« schwarze Meer. Der Schlüssel zu demselben befindet sich in den Händen der Türken, und Englands Handels- und maritime Interessen erfordern, daß die Türken diesen Schlüffe! behalten. Die russischen Staatsmänner haben mit großer Energie die Uneigennützigkeit ihrer Absichten behauptet und jeden Eroberungsgedanken in Abrede gestellt ; und einem englischen Diplomaten hat der Czaar gewissermaßen sein Ehrenwort dafür verpfändet, daß es ihm nicht um Eroberungen zu thun sei. In der That weist das russische Interesse nicht auf Eroberungen hin. Ihm genügt es, wenn der Bos porus und die Dardanellen in den Händen be freundeter, nicht unter englischem Einfluß stehender Staaten sich befinden, und so die freie Verbindung zwischen dem Schwarzen und Mittelländischen Meere gesichert wird. Und dies ist der Punkt, in welchem zugleich eine Versöhnung der russischen mit den österreichischen Interessen möglich ist. Oesterreichs Interesse fällt nur insofern mit dem englischen za- sammen, als Beide nicht wollen, daß der Bosporus und die Dardanellen in russischen Besitz gerathen. Ucber diesen Punkt hinaus giebt eS zwischen beiden Staaten in dieser Frage keine Interessengemeinschaft. Die Gründe für den gemeinsamen Wunsch aber find auf beide» Seiten verschieden. Oesterreich fürchtet, durch Festsetzung Rußlands oder Errichtung eines große« SlavkustaateS an der unteren Donau, welcher alle in Oesterreich wohnenden slavifchen Männer ««ziehen würde, in seinen Grundvesten erschüttert zU werden und diese Befürchtung ist wohl nicht ohne Berech tigung. Es liegt aber nahe, daß eine Colliflon der russischen und österreichischen Interessen nicht eintritt, wenn die Herrschaft der Türken auf Mehrere kleine machtlose Nationalstaaten übergeht. Dadnrch würden die Befürchtungen Oestrrtrkch« beseitigt und A