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nicht nur w der Debatte Geist und Geschick bewiesen, .. ,„.^,Nn auch sonst den Gegensätzen im Reichstag gegenüber, die sie nicht unmittelbar berühren, sich mit unleugbarem Tact verhalten. In Bezug auf das Reichsgericht hat sich der Reichstag in zweiter und dritter Lesung dahin entschiedet, daß es seinen Sitz kn Leipzig bekommen soll. Da BundeSrath und Reichstag in dieser Frage einig sitid, so unterliegt t« keiüem Zweifel, daß unser Sachsen künftig die Hriinstätte de» obersten deutschen Gerichtshofes sein wird. Alle sonstigen schwerwiegenden Aufgaben der Session bleiben nun den Wochen nach Ostern zur Lösung Vorbehalten. Dahin gehört zunächst der Abschluß des Etats, der in seinen Extraordinarien nicht einmal in der Budgetcommission bi« jetzt voll ständig durchberathen ist und in denjenigen Capiteln, bei denen es sich vorzugsweise um die Verminderung der Uoterbilanz handelt, noch gar nicht in Angriff genommen ist. Es folgt dann weiter der Gesetz entwurf über die Seeunfälle, der wohl bald nach den Ferien in'S Plenum kommen wird, dann der wichtige Entwurf über das Patentwesen, der ebenfalls in der Commission noch manche Ar beit erfordert. Ebenso sind die gewerblichen Fragen, der Gesetzentwurf der Conservativen sowohl, als die Resolution der Nationalliberalen und der mit ihnen gehenden Fraktionen bi« nach den Ferien vertagt. Diese Anregungen au« der Mitte de« Hauses werden eine der ersten Stellen unter den Arbeiten nach Ostern »nehmen müssen. Noch gänzlich un berücksichtigt ist da» CasernirungSgesetz geblieben, es hat noch gar nicht auf der Tagesordnung zu erster Lesung gestanden und ist der Gudgetcommission noch nicht überwiesen. Der Gesetzentwurf beruht ja auf dem Wunsche, welchen der Reichstag schon wieder holt geäußert hat: e« möchte das für die Bewohner der Städte sowohl als für die militärischen Inte ressen unzweckmäßige Bürgerquartier beseitigt und die Casernirung für den Rest der Armee durchge führt werden. Aber mit der Ausführung des Planes collidiren so viele Interessen, daß die Genehmigung de« Reichstages für den Plan in seinem ganzen Umfang in dieser Session doch zweifelhaft erscheint. Schließlich harren noch die Gesetzentwürfe über die Einnahmen und Ausgaben de« Reichs und den Rechnungshof der Erledigung. Ob eine Ver einbarung zu Stande kommen wird, ist freilich sehr zweifelhaft, wenn die Regierung alle ihre alten Forderungen aufrecht erhält. Wie man sieht, liegt dem Reichstage nach Ostern noch eine so große Last von Arbeit ob, daß er mit seiner Zeit sehr haushälte risch wird sein müssen, wenn die Session Mitte Mai geschloffen werden soll. In Oesterreich-Ungarn widmen sich der Wiener Reichsrath und der ungarische Reichstag mit mehr Ruhe al« gewöhnlich den inneren Fragen. Der Reichstag in Buda - Pesth konnte aber doch nicht umhin, wenn auch keinen Scändal, so doch einige Scene» aufzuführen. Den Stoff dazu mußte, wie schon oft, die leidige orientalische Frage geben. Mi letic« interpeüirte dir Regierung wegen ihrer Orient politik, wurde jedoch dom Ministerpräsidenten Tisca geziemend zurecht Miesen. Dena Tisca führte aus, daß die «jchtaDchekPoM HtßärÄWMM« dem Zusammengehen mit den übrigen Garantie- Mächten gipfele, deren Endziel die Verbesserung de» ChristenSloose« auf der Balkanhalbinsel sei, ohne die Interessen Oesterreich-UngarnS zu verletzen. Diese Auslassung TiSca's ist ein indirecter Beweis für den ungetrübten Fortbestand des Dreikaiserbunde«. Aus Italien kommen fast kurios klingende Nachrichten. Im Batican soll nämlich eine außer ordentliche Thäligkeit herrschen. Der Papst, so ver sichert man, hat eigenhändige Briefe an den Kaiser von Oesterreich, an die verwittwete Kaiserin Marie Anna, Tante des Königs von Italien, an die Kö nigin-Wittwe von Baiern, an König Leopold von Belgien, an die Königin Isabella von Spanien und an Marschall Mac Mahon geschrieb^z und man erzählt, daß nichts Geringe« al« die baldige Wiederherstellung der weltlichen Macht des Pastthum« geplant werde. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Schritte in dieser Richtung lange vor bereitet worden. Die katholischen Club« und die Präsidenten der katholischen Gesellenvereine in Deutschland und Oesterreich haben ihre Mit wirkung versprochen und sich mit allen ihnen fzu Gebote stehenden Mitteln für die Wiederbelebung der römischen Frage verbindlich gemacht. Ja, der Batican hat bereits UnterstützungSzusagen von katho lischen Mächten empfangen und sich eingeredct, daß e« weder Frankreich noch England leid thun würde, die römische Frage wieder in den Vordergrund treten zu sehen. Listen von Freiwilligen, die bereit sind, unter der päpstlichen Flagge zu dienen, sind ent worfen worden unv über den Fortschritt dieser ge heimen Anwerbungen wird den Führern iu Rom von Zeit zu Zeit Bericht erstattet. An Geld für diese oder verwandte Zwecke — sollte Geld erfor derlich sein — mangeli es nicht, da enorme Summen — die Erträge des PeterspfenmgS — in Frankreich und England deponirt sind, während die Opfergaben der Gläubigen durch private Uebersendung und öffent liche Pilgerfahrten jährlich im Betrage zunehmen. Die französische Deputirtenkammer hat einen Ausschuß von 22 Mitgliedern gewählt, welcher eine Enquete über alle seit Beginn des zweiten Kaiser reich« auf den französischen Markt zugelassenen fremden StaatSanlehen, die mit denselben für das französische Capital verbundenen Verluste und die geeigneten Mittel pflegen soll, wie die nationale Ersparniß in Zukunft besser geschützt werden könne, ohne die Frei heit des Geldmarktes zu beeinträchtigen. Eine starke Minorität dieses Ausschusses, von welcher man die Herren Lockroh, Antonin, Proust, Fähe und LeceSne namhaft macht, erklärt sich gegen diese Enquete. Dieselbe, sagen diese Abgeordneten, werde doch kein praktisches Resultat haben, da es an jedem Rechts mittel gegen die Regierung, welche die schädlichen Anleihen zurückgelassen hat, fehle; dagegen könnte sie leicht diplomatische Schwierigkeiten nach sich ziehen, denen man allen Grund habe, lieber au« dem Wege zu gehen. — Wie man dem .Bien Public' au« Marseille meldet, sollen in der Gegend von Nizza bedeutende Befestigungsarbeiten in Angriff genommen werden; schon seien zwei Genie-Compagnien nach