Suche löschen...
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 23.01.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190601234
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19060123
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19060123
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-01
- Tag 1906-01-23
-
Monat
1906-01
-
Jahr
1906
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
— Eibenstock. Wie aus dem Inseratenteil ersicht lich, gedenkt die hiesige Bürgerschule auch in diesem Jahre Kaisers Geburtstag durch eine Kinderaufführung zu feiern. Näheres darüber folgt in der Donnerstag-Nummer dieses Blattes. — Zwickau. Seinern Transporteur entsprungen ist der Schulknabe Paul Alfred Schubert aus Nieder planitz, der am 10. d. M. in die Bezirksanstalt Wiesenburg zur Besserung eingcliefert worden war. Schubert war vor das hiesige Amtsgericht in einer Strafsache geladen und wurde durch den Hausvater der Kinderabteilung der Bezirksanstalt Wiesenburg dorthin gebracht. Auf dem Rückwege entsprang nun Schubert seinem Transporteur auf dem hiesigen Haupt bahnhofe. Er ist seitdem spurlos verschwunden. Der Bursche hat bereits kurz nach seiner Einlieferung einen erfolglosen Fluchtversuch gemacht. — Plauen, 20. Januar. Die Gastwirte der Kreishanptmannschaft Zwickau hielten, wie die „Neue Vogt ländische Zeitung" beuchtet, gestern abend hier eine Pro te st v e r s a m m l u n g gegen die beabsichtigte Brausteuer ab. Landtagsabgeordneter Günther erstattete das Referat. Die zum Schluß verlesene Resolution gegen die Brausteuer fand einstimmige Annahme. - Auerbach, 20. Januar. Vermißt wird seit dem 28. Dezember v. I. der am 20. Januar 1881 in Mühl grün geborene, hier wohnhaft gewesene Bleichereiarbeiter Otto Albin Seidel. Derselbe stockt beim Sprechen, ist von kleiner schmächtiger Statur, trägt kleinen blonden Schnurrbart und war mit dunklem Jackettanzug und weichem Filzhut bekleidet. Aeußerungen, die Seidel kurz vor seinem Fortgang hier ge tan hat, lassen vermuten, daß er sich ein Leid angetan hat. — Ann «berg, 20. Januar. Das 60jährige Iubiläu m als B n rger der Stadt Annaberg feiert heute der am l 7. Oktober 1821 zu Crottendorf geborene Posamen tiermeister Herr Karl August Brand, welcher am 20. Januar 1846 das Bürgerrecht erwarb. — Oberwiesenthal. Der Fichtelberg hatte im Jahre 1905 eine außerordentliche Besucherzahl zu verzeichnen, denn es wurden für den Aussichtsturm nicht weniger als 12 000 Eintrittskarten verkauft. Von der im Sommer auf dem Fichtelberg eingerichteten Posthilfsstelle sind im vorigen Jahre 3'0 496 Ansichtspostkarten befördert worden. — Brand bei Freiberg, 18. Januar. Ein Diebstahl, der, wie allgemein angenommen wird, auf Parteifanatismus zurückzuführen ist, wurde dieser Tage hier verübt. Aus sämt lichen Restaurationen wurden von einem Unbekannten die dort ausliegenden, zum Teil schon ausgefülltcn Unterschrift bogen für die Kundgebung des Deutschen Flottenvcreins entwendet. — Bautzen, 10. Januar. Die Hinrichtung des sechsfachen Mörders und Brandstifters, des 36jährigen Glas- machermcisters Reinhold Linke aus Kamenz, ist heute früh ^8 Uhr im kleinen Gefängnishofe des Schlosses Ortenburg hier erfolgt. Linke, ein noch nie vorbestrafter Mann, hatte, wie seinerzeit näher ausgeführt worden ist, in der Nacht zum 61. August 1905 seine Frau, seine Schwiegermutter und seine vier Kinderchen mit einem Beile erschlagen, und dann, um die grausige Tat zu verdecken, sein Wohnhaus angezündet. Linke wurde dann, nach mehrtägiger Schwurgerichtsverhand lung, am 13. Dezember Ntz>5 wegen der Mordtaten sechs mal zum Tode verurteilt, außerdem erhielt er wegen vor sätzlicher Brandstiftung noch eine Strafe von 5 Jahren Zucht haus zugcsprochen. Linke hat bis zuletzt geleugnet; er ver neinte überhaupt alles, sogar unumstößliche Tatsachen, die ihm gestern noch von seiner eigenen Schwester vorgehalten wurden. Wahrscheinlich hoffte der Verbrecher, durch sein Leugnen sein Leben zu retten. Der Hinrichtungsakt, vom Landesscharfrichter Brand und zwei Gehilfen ausgeführt, ging schnell von statten — Obercrinitz. Wegen wiederholter nächtlicher Be raubung des Postbriefkastens war der Fabrikarbeiter Meinet im Dezember vorigen Jahres verhaftet worden. Jetzt hat sich ergeben, daß Meinet geisteskrank ist und nicht bestraft werden kann. Er wurde ins Zwickauer Stadtkrankenhaus gebracht und wird ins Irrenhaus übergeführt werden. Eingesandt. Große Aufregung hat in den beteiligten kauf männischen Kreisen die Ablehnung eines Kaufmannsgerichts für den Bezirk der Amtshauptmannschaft Schwarzenberg her vorgerufen. Der Bezirksausschuß hält ein Bedürfnis nicht als vorliegend an und stützt sich dabei auf die bisher vor gekommenen Streitfälle vor den Amtsgerichten. Die kauf männischen Kreise wollen freilich den Vergleich nicht gelten lassen und verweisen aus die Praxis anderer Kaufmanns gerichte, so hatte zum Beispiel Leipzig vor den ordentlichen Gerichten 34 Fälle verhandelt, während das Kaufmannsgericht 719 Fälle im Jahr erledigt hat. Bei dem überaus stark industriell entwickelten Charakter der fast 130060 Einwohner zählenden Amtshauptmannschaft Schwarzenberg scheint ein Bedürfnis doch sicher so gut vorhanden zu sein, wie in anderen Amtshauptmannschaften, die wie Glauchau, Dresden-A. und Leipzig-Land ein Kaufmannsgericht bereits errichtet haben. Es hat sich nun auf Veranlassung des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes ein Ausschuß gebildet, der die Angelegenheit in die Hand nehmen und erneut an den Be zirksausschuß herantreten will. Sitzung des Besirksansschufles der Königliche» Amtshaupl- mannschaft Schwarzenberg am 15. Januar 1906. Unter dem Vorsitze des Herrn Amtshauptmann Demmering kamen in der am genannten Tage abgehaltenen Sitzung des Bezirksausschusses folgende Sachen zur Erledigung: Der Bezirksausschuß 1) genehmigt die Gesuche u. des Schlossers Gustav Adolf Eichler in Unterstützenariin um Uebertraguna der Konzession zum Bier- und Branntwcinschank, sowie zum Krippensetzen für das Gebäude Kat.-Nr. 44 It für Unterstützenariin, der Gebr. Bretschneidcr in Wolfsgrün um Veränderung der Stauanlage in Flur Neidhardtsthal, c. des Bäckers Johann Eisenkolb in Schönheide um Kaffeeschank in Kat.-Nr. 14t bl für Schönheide, ä. des Bäckers Carl Otto Schlesinger in Schönheide um Kaffee schank in Kat. 138 für Schönheide, e. des Restaurateurs Karl Wild in Albernau um Ausübung der Schankwirtschaft einschl. des Branntweinschankes in einer Kantine während der Zeit des Wiederaufbaues des ab gebrannten RestaurationSaebäudes, s. des Floßgrabcnwärters Richard Müller in Albernau tRechen- haus) um Uebertraaung der Befugnis zum Bier- und Brannt weinschank in der Veranda, st- des Gastwirts Emil Gnüchtel in Wildenthal um Erlaubnis zur Betreibung der Schankwirtschaft einschl. des Branntwein schanks, Ausspannen und.Krippensetzen in dem »euerrichteten Gebäude Kat.-Nr. 8 l> für Wildenthal, (das Gnüchtelsche Ge such um Erlaubnis zur Abhaltung von Singspielen wurde mangels Bedürfnisses abgelehnt); 2) genehmigt weiter «. die Erhöhung des Gemeindevorstandsgehaltes in Oberschlema, b. die Veröffentlichung allgemeiner Bekanntmachungen in Carlsfeld, c. die Umbezirkuug eines 1 in» 58 «r großen Flurstückes des Staatssorstrevieres Lauter nach Auerhammer, ck. die Feuerlöschordnung für die Gemeinde Zschorlau, e. den l V. Nachtrag zum Anlagcnregulativ für Raschau, t. den V. Nachtrag zum Ortsstatute der Stadt Johanngeorgen stadt, die Anstellungs-, Besoldungs- und RuhegehaltSverhalt- nisse der städtischen Beamten betr., x. das Anluaenregulativ für Crandorf (probeweise auf 2 Jahre), b. das Ortsstatut für die Gemeinde Strcitwald, i. den zwischen dem Staatsfiskus und der Gemeinde Lauter, die Schwarzenberg-Bockauerstraße abgeschlossenen Vertrag betr., k. die Wassermerksordnung der Gemeinde Obersachsenfeld, l. das Anlagenregulativ für Unterstiitzengrün, m. die Stauanlagcnveränderung der Gewerkschaft Gottes Geschick am Graul, u. das Ortsgcsetz (mit 1 Nachtrag) über die Erhebung der Gemeinde-, Kirchen-, Schul- und Armenanlagen in Oberschlema; 3. begutachtet beifällig die Gesuche a. des Gasthofsbesitzers Gustav Trümmer in Sosa um Ge nehmigung zur Abhaltung von Singspielen und theatralischen Vorstellungen, b. des Gastwirts Richard Georgi in Albervda um Genehmigung zur Abhaltung von Singspielen und theatralischen Vor stellungen ; 4. erteilt zu den Dismembrationen der Grundstücke Blatt 36 für Oberschlema, Blatt 704 für Lauter, Blatt 46 für Markersbach, Blatt 154 für Zschorlau, Blatt 0 für Beierfeld, soweit nötig, Dispensation; 5. stimmt den Vorschlägen der Kgl. Amtshauptmannschaft in folgen den Sachen zu: ». Wahl von Sachverständigen zu den Bezirksschützungsaus- schüssen bei der staatlichen Schlachtvichversicherung und von den Ortsbehörden zuzuziehendcn Sachverständigen zur Er mittelung der bei auftretendcn Seuchen für getötete Tiere zu gewährenden Entschädigungen aufs Jahr 1906, 1>. die im Jahre 1906 in Vorschlag zu bringenden Wegebau unterstützungen aus der Staatskasse betr.; 6. gewährt mehreren Klöppelschülerinnen von Bermsgrün und Aue Geldprämien aus Bezirksmitteln; 7. befürwortet das Besitzveränderungsabgabenregulativ für Neuwelt; 8. nimmt Kenntnis a. von einem Schreiben des Vorstandes des Magdalenenhilfs- vereins in Chemnitz, k. von einenr Schreiben, die ttr. Arthur Esche-Stiftung betr., e. von der Kultusministcrialverordnung über Gewährung von Beihilfen an Volksbibliotheken, ä. vom 1. Bericht der Genossenschaft für Mädchenfürsorge zu Harthau, e. von der Ministcrialverordnung über Gewährung von Staats beihilfen zu den durch Beseitigung der außerordentlichen Schneeverwehungen auf den Kommunikationswegen ent standenen Kosten; 9. begutachtet abfällig die Gesuche ». des Gastwirts Ernst Leichscnring in Albervda um Genehmig ung zur Abhaltung von Singspielen und theatralischen Vor stellungen, b. des Restaurateurs Max Vogel in Lauter um Genehmigung zur Abhaltung von Singspielen: 10. lehnt a. den 1. Nachtrag zum Anlagenregulativ für Waschleithe und I>. das Ortsstatut für die Gemeinde Raschau ab und erledigt iveiter 1 Anlagcnrekurs, 4 Bezirkssachen und 2 Bezirksanstalts sachen. Der Gegenstand, anderweite öffentliche und mündliche Verhandlung über das Gesuch des Holzschleifereibesitzers Karl Gustav Trommler in Grünstädtel um Genehmigung zur Erhöhung seines Wehres ini Pöhlabache re. betr., wurde auf Antrag des Vertreters des Gesuchstellers von der Tages ordnung abgesetzt. Um fremde Schutd. Roman von Reinhold Ortmann. (5. Fortsetzung). „Gestatten Sie mir, gnädige Frau," sagte er so ruhig wie möglich, doch ohne die frühere Zurückweisung, „Ihnen die Antwort auf diese Frage schuldig zu bleiben und zugleich die herzliche Bitte auszusprechen, daß der Vergangenheit zwischen uns sur die Folge mit keiner Silbe mehr Erwähnung getan werde. Ich betrachte mich mit Stolz als den Freund Ihres Gatten und würde jede Erörterung der früher ge schehenen Dinge für einen Verrat an seinem Vertrauen halten." „Das also ift Ihre Erwiderung auf den verzweifelnden Aufschrei eines gemarterten Fraucnherzens. Diese kalte Zu rechtweisung ist alles, was Sie an Mitleid und Erbarmen für mich haben. O, mein Gott, Oswald, wenn Sie wüßten, was ich Ihretwegen gelitten habe, Sie hätten mir, beim Himmel, eine andere Antwort gegeben!" Sie war wie gebrochen auf einen Sessel niedergesunken und hatte ihr Gesicht in den Händen verborgen; das stürmische, krampfhafte Auf- und Niederwogen ihres Busens aber ver riet, daß ihre Aufregung keine erkünstelte war und daß es des Aufgebots ihrer ganzen Kraft bedurfte, um das volle Hervorb.:echen einer entfesselten Leidenschaft zu verhindern. Es war unmöglich, dieses schöne, schmerzdurchzuckte Weib ohne ein Gefühl der Teilnahme zu betrachten; aber in dem Bewußtsein, daß er in dieser schweren Stunde der Versuchung gestählt und gewappnet sein müsse gegen jede Anwandlung von Schwäche, kämpfte Oswald die aufsteigenden Regungen von Bitterkeit und beginnendem Mitleid in seinem Herzen nieder. „Gnädige Frau," sagte er nach einer kurzen Pause, „ist es nicht unter allen Umständen für unsere beiderseitige Ruhe besser, wenn wir nicht an geschehene Dinge denken, an denen jetzt doch nichts mehr geändert werden kann. Als ich auf dem Bälle des Kommerzienrats die erste Einladung Ihres Mannes, sein Haus zu besuchen, annahm, da wußte ich bei Gott nicht, daß sich feilte Gattin vor ihrer Verheiratung Wanda Wilden hof nannte und —" „Und wenn Sie es gewußt hätten, so würden Sie die Einladung von vornherein zurückgewiesen haben, nicht wahr? O, sprechen Sie es nur ruhig aus, denn tiefer können Sie mich doch nicht mehr verletzen, als wie Sie es schon getan haben." „Ja, ich würde Sie zurückgewiesen haben," erwiderte Oswald ernst. „Ich würde Ihnen und mir ein Wiedersehen erspart haben, das unter allen Umständen ein peinliches sein mußte. Der Zufall hat es anders gefügt und hat Sie mir an jenem Abend in einem Augenblick nahe gebracht, in welchem ich auf alles andere eher gefaßt gewesen wäre, als darauf, Ihnen zu begegnen. Ich war damals überrascht, für eine kurze Zeit vielleicht erschüttert, aber Ihr Benehmen ließ mich darauf schließen, daß Sie unsere einstigen Beziehungen zu einander ebenso vollständig vergessen hätten, als ich es ver sucht hatte, und ich beschloß nach kurzem Schwanken, im Ver trauen auf Ihr Zartgefühl, die dargebotene Freundschaft Ihres Gatten anzunehmen. Ich habe es bis zu dieser Stunde nicht bereut, denn der Verkehr in Ihrem Haufe ist mir in der einen kurzen Woche zu einer Quelle der reinsten, geistigen Anregung geworden. Ich gestehe offen, daß ich es nur un gern meiden würde: aber ich bin weit entfernt, Ihre Ruhe nur für eine kurze Stunde stören zu wollen. Es kostet Sie nichts als ein einziges Wort, um mich für immer von Ihrer Schwelle fernzuhalten." „Sie sind grausamer, Oswald, als Sie es sein wollen; denn Sie wissen nicht, wie wehe Sie mir tun. Aber ich will mich nicht beklagen, ich habe es nicht bester um Sie verdient. Quälen Sie mich denn, wie Sie wollen, hassen Sie, verachten Sie mich, aber gönnen Sie mir wenigstens das Recht, welches keinem Elenden, keinem Verbrecher entzogen wird, das Recht der Verteidigung! Noch wissen Sie >a nicht einmal, was vor vier Jahren mein Handeln bestimmte." „Lassen Sie es mich niemals erfahren, gnädige Frau. Ich versichere Sie, daß ich auch ohne Ihre Verteidigung weder Groll noch Verachtung empfinde und daß Sie von meinen Lippen niemals ein Wort des Vorwurfs gehört haben würden. Es ist von meiner Seite überwunden und ich hoffte bereits, daß wir angefangen hätten, der Vergangenheit überhaupt nicht mehr zu gedenken." „Als wenn ich sie jemals vergessen könnte! Ach, Oswald, weshalb mußte ich damals so wenig Mut haben und wes halb gaben Sie mich so leicht auf?" „Die Aufregung reißt Sie hin, Frau von Tristen. Noch einmal bitte ich Sie herzlich, zu bedenken, daß es der Freund Ihres Gatten ist, zu dem Sie sprechen." „O, Sie sorgen dafür, daß ich es nicht vergesse! Aber wenn Sie der Freund meines Mannes sind, weshalb dürfen Sie denn nicht auch der meinige sein; weshalb müssen Sie inir selbst das Mitleid versagen, auf das doch jeder Unglück liche Anspruch erheben darf und ich bin unglücklich, denn ich kann die Vergangenheit nicht vergessen, Sie können, Sie dürfen mich nicht zurückstoßen!" Peinlich überrascht von dem Ausbruch ihrer überwallenden Gefühle, trat Oswald um einige Schritte von Frau von Tristen zurück. „Ich verstehe Sie nicht, gnädige Frau," sprach er, „Ihre Worte sind mir ein Rätsel. Mit welchem Recht dürfte sich die schöne und reiche Gattin eines der angesehensten Männer, welcher sie von ganzem Herzen liebt, unter die Zahl der Un glücklichen rechnen?" „Mit welchem Recht?" rief Wanda schmerzlich aus. „O, Sie sind auch der Meinung, daß es keiner anderen Mittel bedarf, als eines Haufen Goldes, einiger blitzenden Steine und einiger spielenden Liebkosungen, um das Herz eines Weibes zu befriedigen? Sie glauben auch, wir müßten un bedingt glücklich sein, wenn wir uns nur in unseren Launen zufriedengestellt sehen? O ja, Herr Doktor Eichstedt, wenn Sie dieser Ansicht sind, so bin ich glücklich, beneidenswert glücklich, dann habe ich alle Ursache, mit meinem Lose zu frieden zu sein." „Sie verkennen die vortrefflichen Herzenseigenschaften Ihres Gatten, wenn Sie ihn so hart und ungerecht beurteilen, gnädige Frau. Ich hege die feste Ueberzeugung, daß seine Liebe für Sie eine ebenso tiefe als aufrichtige ist." „Ja, er liebt mich wie sein Spielzeug, wie seine Puppe, die zu nichts anderem auf der Welt da ist, als zu seinen! Vergnügen, die keinen eigenen Willen, keine eigenen Herzens regungen haben darf. Ach, Oswald, Sie können nicht ahnen, was es heißt, vier Jahre lang die eifersüchtige, egoistische Liebe eines Mannes erdulden zu müssen, an den man mit unlös lichen Fesseln gebunden ist und den man nicht zu lieben vermag." „Sie erschrecken mich, Frau von Trysen, und ich be schwöre Sie, fahren Sie nicht fort, denn nicht mir geziemt es, solche Geständnisse aus Ihrem Munde entgegenzunehmen." „Und doch habe ich mich jahrelang danach gesehnt. Sie wiederzusehen; doch habe ich nur deshalb auf unsere Ueber- siedelung nach der Residenz bestanden, weil ich eine unbe stimmte Hoffnung hegte, in Ihnen einen Freund zu finden, der mich aus meiner Verzweiflung emporzurichten und mit starker Hand vor dem Sturze in den Abgrund zu bewahren vermöchte, der zu meinen Füßen gähnt." „Wenn Sie es mir geloben wollen, Wanda, niemals etwas anderes in mir zu sehen, als den brüderlichen Freund, wenn Sie nie vergessen wollen, daß wir das Vertrauen eines edlen Mannes achten und ehren müssen, so biete ich Ihnen von ganzem Herzen meine Freundschaft an. Wo sie einer Stütze und eines Beistandes bedürfen, da sollen Sie mich sicherlich an Ihrer Seite finden." „Nein, Oswald, versprechen Sie mir nichts, so lange nicht über die Vergangenheit alles klar geworden ist zwischen uns. Sie müssen meine Schuld und die Geschichte dieser Ehe kennen lernen, bevor Sie mir Ihr Vertrauen wieder schenken sollen. Hören Sie sie an, denn sie ist ja trotz ihres Elends nur so kurz." Oswald widersprach nicht; aber er heftete die Augen auf den Boden und vermied es, den Blicken des schönen, jungen Weibes zu begegnen, als fürchte er, daß seine Ruhe noch nicht stark genug sei, um denselben Stand zu halten. „Als ich damals auf die Depesche meines Vaters hin nach Hamburg zurückkehrte," sagte Wanda mit leiser Stimme, „lag mir der Gedanke, daß der aus Süd-Amerika heimge kommene Vetter von irgend welchem entscheidenden Einfluß auf mein Lebensglück sein könnte, vollständig fern, und meine Liebe für Sie war eine so warme und innige, als es nur jemals die eines Weibes gewesen sein konnte. Schon die ersten Tage im elterlichen Hause aber machten mir alles klar, was man mit mir vorhatte. Herr von Trysen sollte mein Gatte werden, um den derangierten Vermögensverhältnissen meines Vaters wieder aufzuhelfen und um denselben eine geschäftliche Verbindung zu sichern, ohne welche sich sein er schüttertes Haus nicht mehr zu halten vermocht hätte. Zu seiner Ehre muß ich sagen, daß von Trysen selbst nichts von diesem Seelenverkauf wußte und daß er noch bis zu dieser Stunde in dem Glauben lebt, ich hätte ihm aus Liebe oder wenigstens aus warmer Zuneigung die Hand gereicht. Aber wie ganz anders waren in Wirklichkeit meine Gefühle ge wesen, als ich an seiner Seite vor dem Traualtar stand. Mein Vater hatte mir am Tage nach meiner Ankunft seine Absichten rückhaltslos mitgeteilt. Er hatte mir kein Hehl daraus gemacht, daß dies seine letzte Hoffnung sei und daß er unfehlbar zu Grunde gehen müsse, wenn es mir nicht ge länge, die Liebe von Trysens zu gewinnen. Mit der ganzen Entrüstung eines liebenden Mädchenherzens wies ich sein An sinnen zurück, und als sein auflodernder Zorn meinen Trotz immer mehr herausforderte, teilte ich ihm, gegen meinen an fänglichen Vorsatz, das Geheimnis unserer Liebe und unser Gelöbnis mit. Von diesem Augenblick an begann für mich in meinem elterlichen Hause eine endlose Kette von Leiden und seelischen Martern. Mein Vater zog hinter meinem Rückeng Erkundigungen über Ihre persönlichen und Ihre Vermögensverhältnisse ein und da das Ergebnis der letzteren, wie ich glaube, kein sehr günstiges war, so wurde er nicht müde, mir die traurigen Bilder einer sorgenvollen, arm seligen Zukunft auszumalen, die mir bei meiner verwöhnten Erziehung in der Tat unerträglich genug erschienen, und mir dabei immer wieder vor die Seele zu führen, daß ich die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)