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Mittwoch, den 10. Januar Politische Weltschau. Ja unserem engeren sächsischen Baterlande nahm die Wahlbewegung in der abgelaufenen Woche an Lebhaftigkeit erfreulich zu, denn nichts wirkt ver derblicher auf alle gesunde staatliche Entwicklung, als politische Gleichgiltigkeit. Leider muß man ja bekennen, daß die bürgerliche Gesellschaft noch sehr viel Trägheit in politischen Dingen bekundet. Wohl zeigen sich ehrenvolle Ausnahmen, Gott sei gedankt, und Männer, deren Sina und Denken nicht allein vom Materialismus beherrscht ist, son dern die auch für die edleren Erscheinungen und Be strebungen unseres menschlichen Sein'S warm em pfinden, allein wie vereinzelt stehen diese Männer in der großen Masse da l — Alles Mühen derselben, unseren staatlichen und socialen Organismus zu reformiren und zu verbessern, muß aussichtslos blei ben und im Sande verlaufen, wenn nicht die nach haltige Unterstützung einer denkenden Menge die gute Sache fördert. Die Zeiten monarchisch-patriar chalischer Zustände, wo der Bürger sich willenlos regieren ließ und den Befehlen seiner Herrscher ge dankenlos gehorchte, liegen längst hinter uns. Durch den Constitulionalismus ist er heute Mitleiter der Wohlfahrt seiner Nation geworden; durch ihn besitzt er heute zuvor kaum geträumte Rechte, denen als Gegenleistung aber auch die unabweisbarsten, politi schen Pflichten gcgenüberstchen. Von dieser Wahr heit, diesem Bewußtsein sollte jeder ordnungsliebende Staatsbürger durchdrungen sein, dann würden die alten und neuen Feinde eines geordneten Staats wesen, nicht so mächtige Fortschritte machen, wie diese» leider der Fall ist. Den größten Feind un serer nationalen Wohlfahrt bergen wir in uns selbst, in unserer Gleichgültigkeit den allerwichtigsteu politi schen und socialen Fragen gegenüber. Unsere Feinde, vor Allem die Social-Demokraten, kennen diese unsere Schwäche und bauen darauf ihre Zukunfts pläne , dir auf Umsturz uyd gesellschaftlichen Ruin berechnet sind. Wer die social-demokratischen Blätter liest und die social-demokratischen Versammlungen besucht, kann sich de« Schamgefühl« nicht rrwähren, ... .. .... wenn er steht und hört, wie Mo. von dieser Seite l i g-st.cn geoisie" schadenfroh belacht. Kommt nicht jeder Deutsche, der ein guter Staatsbürger sein will, zur Erkenntniß der ihm von social-demokratischer Seite drohenden, großen Gefahr, und hilft nicht Jeder derselben nach Kräften sie abzuwehren, dann hat sich unser Bürgerthum selbst das Verdienst zuzuschreiben, wenn die Social-Demo- kratie die Oberhand gewinnt und die An archie dessen Beherrscherin wird. — Die Hauptursache der Gleichgiltigkeit finden Wir theils in dem argen Materialismus, der sich Mehr als nöthig in den Werkstätten der Gewerbetreibenden, in den Bodenräumen des Kleinkrämers und in den Comp- toiren und Magazinen des Kaufmannsstandes breit macht, theils in der Unkenntniß der Lehren und Bestrebungen der Social-Demokratie und den Ultra-- montaniSmuS, vor Allem aber in der politi schen Unbildung, welche bei unserer Ju gend vorherrschend ist. In ihr müssen wir uns begeisterte Kämpfer für unsere Ideen erziehen. In der Schule, in der Familie zunächst, muß in die jungen Gcmüther der Keim patriotischen und natio nalen Empfindens und Denkens gelegt werden. Tritt der junge Mann in'« Leben, um sich einer bestimmten Thätigkeit für dasselbe zu widmen, dann ist es Pflicht des Meisters, des Lehrherrn und Prin zipals, den ihrer Abhut unterstellten jungen Men schen in freien Stunden zu einer gediegenen Lectüre anzuhalten, die sein Denkvermögen auf sociale und politische Ereignisse hinlenkt, ihn darüber belehrt und ihn die schlimmen Auswüchse in unserem Gesellschafts leben erkennen läßt, und selbige mit bekämpfen heißt. Geht-der Meister, Lehrherr und Prinzipal seinem Untergebenen mit gutem Beispiel voran, und be schafft er sich Schriften und Blätter, welche sich astf gesetzlich und freiheitlicher Ordnung baßrt, eingehend mit den socialen Fragen beschäftigen, daun, wird er nicht allein selbst zu Praktischem politischem Demen angeregt werden, sondern auch da« Änterrfse Wner Untergebenen für solche Fragen erwecken. Mi ge unser Mahnruf die beabsichtigte Wirk ung für den 10. d. Mt». haben, wo wir chn die Wahlurns zur Ausübung unserer het- ... .... . g.sten politischeuPflicht berufen tp-eichen. unsere Schwäche mit Hohn und Spptt geißelt und Möge Keiner fehlen, der.eS mH Kaffer die politische Faulheit und Thatenlosigkeit der ,Bour- Reich, mit K önig und K<^ter1anhz chit Or Aweiimbdreißlzster Jahrgang. Bischofswerda, Stolpen und Umgegend« Amtsblatt der Kgl. Amtshanptmannschaft und der Kgl. Schulinspection zu Pautzchg sowie des Königlichen Verichtsamtes und des Stadtratheo zu Kischofswerda. Vies« Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabend» und kostet einschließlich der S«u0 abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark SO Pfg. (IS Rgr.). Inserate werden di» Dienttagß und Freitag» früh 0 Uhr angenommen und kostet die gesp-ltene Sorpuszeile oder deren Raum 10 Pfennige.