des Bürgers, des Menschen der deutschen Renaissance unter Führung von Männern mit offenem Blick, einfachem, geradem Charakter, nüchternem, strengem Denken. Die schwäbische Heimat Rüieins war bereits vor und in seiner Jugendzeit von frühhumanistischem Regen und Schaffen erfüllt. Aus den südwestdeutschen Stadt- und Fürstenkanzleien kam in der ersten Zeit des Buchdrucks eine starke Pflege der deutschen Sprache. Eine füh rende Tätigkeit entfaltete hierbei Niklas von WYL, Stadtschreiber in Eßlingen und zuletjt Kanzler beim Grafen Ulrich in Stuttgart, als Über- setjer fremder humanistischer Literatur für den deutschen Leser. Viele Anregungen gingen von ihm aus; er war der erste Humanist, der über die Regeln der Übersetjung ins Deutsche systematisch nachgedacht und geschrieben hat. Seine Übersetjertätigkeit wurde vom Grafen Ulrich und vom Grafen Eberhard im Bart, dem Gründer der Universität Tü bingen, stark gefördert. Der bedeutendste Vertreter des schwäbischen Frühhumanismus war der in Weil der Stadt nahe Calw geborene Dr. Heinrich STEINHÖWEL, Magister der freien Künste und der Medizin, Stadtarzt in Ulm, Übersetjer mittelalterlicher Unterhaltungs- und Be lehrungsliteratur, ferner Verfasser einer der ersten deutschsprachigen Pestschriften (1473). Er bemühte sich, die fremden Werke nicht wört lich, sondern sinngemäß zu verdeutschen und überhaupt volkstümlich, leicht verständlich zu schreiben. Seine Fabelsammlung war zwei Jahr hunderte lang sehr beliebt. Diese mit wenigen kräftigen Strichen gezeichnete Skizze möge dem Leser die Welt in Erinnerung rufen, in die Riilein hineingesetjt wurde, in der er aufwuchs und in der er ein vielseitiges, der Gesellschaft dienen des, über Jahrhunderte fruchtbares Wirken entfaltete. Die Bilder zweier Baudenkmäler seiner Zeit sollen diese Skizze ergänzen. Zunächst die Nagoldbrücke mit der Kapelle des hl. Niko laus in Calw (Bild 1). Hermann Hesse verherrlicht seine Geburtsstadt Calw als „die schönste Stadt von allen, die ich kenne“ und nennt die schöne steinerne Brücke mit den Blicken hinab und hinauf den „liebsten Platj im Städtchen“, den geliebten Ruhepunkt seiner Jugendjahre. Sie überspannte den Fluß schon zu Rüieins Kindheit, und ihr Bild wird auch ihm in der fernen Wahlheimat bei Erinnerungen an die Jugendzeit vor den Augen erschienen sein. Und für F reiberg dürfte die Tulpen kanzel im Dom der beste steinerne Repräsentant der Zeit von Rüieins dortigem Leben und Schaffen sein (Bild 2). Sie wurde von Meister Hans Witten um 1510 errichtet, ist also unter Rüieins Augen entstanden und