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Vorwort. Die Reise, die ich im Frühling und Sommer 1903 nach der süd amerikanischen Republik Ecuador ausfuhrte, hatte in der Hauptsache einen Zweck: die Untersuchung der Schnee- und Eisregionen des ecuatorianischen Hochgebirges. Hochgebirgsforschung versprach ge rade dort sehr interessante Ergebnisse, weil vielleicht kein andres Land der Welt eine solche Fülle von natürlichen Gegensätzen in sich vereint und eine so große Zahl wichtiger geographischer Probleme in räumlich naher Verbindung bietet, wie das durch unermeßliche gebirgsbildende und namentlich vulkanische Kräfte aus tropisch-heißen Niederungen zu den Regionen ewigen Schnees aufgetürmte Andenland Ecuador. Der genannte Zweck dieser Reise hängt eng zusammen mit meinen früheren mehrfachen Expeditionen im äquatorialen Ostafrika. Ich hatte dort gesehen, daß die Gletscher des tropisch-afrikanischen Hochgebirges, das sich im Kilimandjaro, dem höchsten Berg Afrikas, zu 6010 m erhebt, unter dem Einfluß des dortigen extremen Klimas in ihrer äußeren und inneren Beschaffenheit von den Gletschern unserer Alpen und der anderen Gebirge höherer Breiten sehr abweichen. Ich hatte ferner am Kilimandjaro beobachtet, daß die gegenwärtige Schnee- und Eisbedeckung stark im Rück gang, im Abschmelzen begriffen ist, indem sie gewaltige Schuttmassen als Endmoränen hinterläßt, und ich hatte gefunden, daß weit unterhalb dieser jungen Moränenzone eine Zone viel älterer Moränen und Gletscher wirkungen auf den Berghängen liegt, die einer früheren geologischen Periode zugeschrieben werden muß und beweist, daß in geologisch junger Vergangenheit die Gletscher etwa 800 m, stellenweise sogar 1000 m tiefer am Gebirge (also bis zu etwa 3800 m Meereshöhe) herabgereicht haben als in der Jetztzeit. Die Zeit jener großen Gletscherausdehnung am Kilima ndjaro kann nach den dort vorliegenden Verhältnissen nur das Pleistozän, die Diluvialzeit, gewesen sein, d. h. dieselbe geologische Periode, in der