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480 15. Die heutige und einstige Vergletscherung Ecuadors Erde, ferner ihrer universellen Verbreitung über alle Zonen des Erdballes und ihres Verlaufes in mehreren, durch Interglazialzeiten unterbrochenen Glazialperioden ergeben sich noch einige andere wichtige Folgerungen. Es werden damit die Theorien hinfällig, die auf der Voraussetzung beruhen, daß die Eiszeiten abwechselnd die Süd- und Nordhemisphäre betroffen haben, und es lassen sich damit nicht die Ansichten in Einklang bringen, welche für die eiszeitlichen Gebilde eines Landes nur lokale Ursachen annehmen, wie es z. B. J. W. Gregory für den Kenia und W. Reiß für Ecuador getan haben. Reiß hat in seinem Ecuadorwerk die Spuren alter Vergletscherung in Hoch-Ecuador mannigfach erörtert, wie wir in den obigen Kapiteln an vielen Stellen gesehen haben, und ist zu dem Schluß gelangt, daß es in Ecuador keine Eiszeit gegeben habe. Er erklärt: Die Berge waren einst höher, ragten in kältere Luftschichten und trugen deshalb mehr Schnee und Eis als gegenwärtig. Die Gletscher aber haben durch Erosion die Bergeshöhen zerstört, die ihre Firnfelder trugen, und damit sich selbst vernichtet. Durch die glaziale Erniedrigung wurde das Klima lokal verändert, die Temperatur höher, die Niederschläge vermindert und die Schneegrenze so weit erhöht, daß heute nur noch die größten der Berge Schnee und Gletscher tragen ’). Die Reißsche Erklärung, die im wesentlichen aufTyndalls Auffassung von der Gletscherwirkungin den Alpen zurückkommt, ist nur zum Teil richtig, in der Hauptsache aber sicherlich nicht. Alle vergletscherten Berge werden, wie die Erfahrung lehrt, in der Region der Gletscherausdehnung durch Gletschererosion immer mehr redu ziert. Diese Reduktion der Gipfel muß schließlich, wie E. Richter 2 ) gezeigt hat, zur „Enthauptung“ der Berge führen, wenn der Zerstörungsprozeß nicht durch Hebung des Berges resp. Gebirges oder durch eine Klima schwankung unterbrochen wird. Anstatt spitzer, schroffer Gipfel werden dann solche Berge auf ihrem Scheitel eine „Abtragungsebne“ haben. Wie in den Alpen so sehen wir gegenwärtig in den ecuatorianischen Anden neben einer Anzahl von Bergen, auf denen die „Enthauptung“ durch Glet schererosion schon bis unter die klimatische Schneegrenze oder Firngrenzo herab und damit zur Schneelosigkeit fortgeschritten ist, auch eine andere ’) Wilh. Reiß und Alphons Stübel, Das Hochgebirge der Republik Ecuador, II, Berlin 1896—1902, 8. 162, 173/174, 187/188. J ) Ed. Richter, Geomorphologische Studien in den Hochalpen; Peterm. Geograph. Mitteilungen, Ergänzungsheft 132, 1900, S. 64, 77, 78, 103.