Darum hat Wilhelm Reiß eine Formenreihe der ecuatorianischen Vulkanberge nach dem Grade der glazialen Erosion und Abtragung aufge stellt, die an der Unterscheidung von „Stratovulkanen“ und von den viel seltneren „Quellkuppen“ festhält 1 ) und an den Anfang der Reihe die intakten Eruptionskegel Tunguragua und Cotopaxi, an das Ende die von den Gletschern zerstörten Gipfel Cotacachi undRucu-Pichincha stellt; aber sie sieht von der Frage, ob ursprünglich monogene oder nicht monogene Entstehung, ganz ab und kann deshalb nicht vollständig sein. Erst durch die gegenseitige Ergänzung beider Auffassungen, erst indem wir in Reiß’ Formenreihe die primär entstandnen Formen von gegliederten Kegel bergen etc. aufnehmen und indem wir in Stübels Klassifikation die glazial ausgestalteten Reliefformen einreihen, können wir eine lückenlose, richtige Erklärung erhalten. Reiß’ Ansicht aber, daß die Morphologie des ecuatorianischen Hochgebirges, wie es sich uns heute darstellt, haupt sächlich auf Glazialerosion zurückzuführen sei, steht der Wirklichkeit viel näher als Stübels Auffassung. Wenn wir nun eine tiefe Ausbildung glazialer Hohlformen und eine riesige Anhäufung glazialen Schuttes in einer Höhenzone der Berge an treffen, die heute nicht mehr von Schnee und Eis erreicht wird, gibt uns die Höhendifferenz zwischen jenen älteren Glazialgebilden und den jungen Fimmulden, Gletschorbetten und Moränen ein Maß für die Verschiebung der Fimgrenze. Dabei machen wir die Beobachtung, daß das ältere Glazialrelief im tiefem Niveau sich im Allgemeinen ebenso gleich mäßig und gürtelförmig um die Berggipfel legt wie das rezente; nur einzelne moränenbesetzte Trogtäler erstrecken sich beträchtlich weiter darunter bergab. Die damalige Firnbedeckung war also eine ziemlich gleichmäßige Verstärkung und Expansion der heutigen, sie war auf den meisten, weniger zerstörten Vulkankegeln ebenso ein hauben förmiger großer „Firngletscher“ mit nur wenig gezacktem, annähernd horizontal verlaufendem Saum wie in der Gegenwart. Und nur vereinzelte Gletscherzungen hatten eine bedeutend größere Entwicklung als die heutigen; es waren echte Talgletscher gegenüber den gegenwärtigen ganz überwiegenden Kahr- und Hängegletschern. Bei der Untersuchung der einzelnen Berge haben wir in den vor- ’) W. Reiß und A. Stiibel, Das Hochgebirge der Republik Ecuador, Berlin 1896 bis 1902, Bd. H, S. 171—173.