446 15. Die heutige und einstige Vergletscherung Ecuadors Der Rückgang der Gletscher ist allgemein. Das zeigt sich schon in ihrer Form und Oberflächenbeschaffenheit, außer in den Rückzugs moränen. Sie sind nicht hoch gewölbt, sondern flach oder eingesunken, ihre Stirn ist nicht geschwollen, die Oberflächen sind durch Sonne, heftige stetige Winde und rinnendes Schmelzwasser tief zerfurcht (ohne Bildung von Renitentes, die nur dem Firn eigen sind) oder weit und breit unter dicken, ausgeschmolzenen Schuttmassen begraben. Die Zufuhr aus dem Firngebiet ist nicht mehr groß genug, um die gegenwärtig sehr starke Abschmelzung an den Zungen zu ersetzen. Die im Zehrgebiet wirksamen klimatischen Elemente sind jetzt mächtiger als die im Nährgebiet tätigen. Wegen der unzureichenden Zufuhr aus dem Nährgebiet vollzieht sich aber nicht nur ein rasches Rückschreiten der Form und Größe der Gletscher, sondern es ist deshalb auch die Eigenbewegung der meisten Gletscher nur gering. Deshalb vermögen die schmelzenden Faktoren die einzelnen, lange Zeit unbewegt bleibenden Teile viel kräftiger auszu modellieren, als sie es auf den sich schneller gegeneinander verschiebenden Teilen eines wachsenden, stark bewegten Gletschers könnten. Vor allem sind die Schmelzformen von Karren und kleinen Dolinen an der Eisoberfläche bemerkenswert. Aus niederen Breiten Amerikas waren sie bisher noch nicht bekannt. Im äquatorialen Afrika aber habe ich sie 1898 am Drygalskigletscher des Westkibo in schönster Entwickelung beobachtet und später auch abgebildot'); nur habe ich sie damals noch nicht streng genug von den Renitentes des Firnes unterschieden. Der Formenreichtum dieses Karrenphänomens der Gletscheroberfläche ist groß. Viele, nament lich die dolinenartigen Formen, verdanken ihre Entstehung hauptsächlich der Einschmelzung von Staub und Steinen; die große Mehrzahl der anderen Formen jedoch der Ausschmelzung durch die abrieselnden Schmelzwasser, die hier im Gletschereis nicht versickern können wie im durchlässigen Firn. Wie im undurchlässigen Kalk die Karrenfurchen durch kalklösende Fähigkeit des Regenwassers entstehen, so im undurch lässigen Gletschereis durch die lösende Wirkung des wärmeren Schmelz wassers. Und wie die Karren im Kalk, so verlaufen auch die im Gletscher eis stets in der Richtung der größten Flächenneigung. Wenn an den Gletscherseiten das Schmelzwasser über steile Eis- ’) Hans Meyer, Der Kilimandjaro, Berlin 1900, S. 174, 175, 360, 368.