444 15. Die heutige und einstige Vergletscherung Ecuadors Je weiter bergab, je näher der Firngrenze und den Gletscherzungen, desto mehr sieht man in den unteren Lagen Bänder von solchem dunkelblauen, homogenen Eis. In den oberen Schichten und Bändern des Firnes und Firneises haben die Eiskörner die auch bei uns gewöhnliche rundliche Gestalt und liegen meist in einem festen Eiszement. Die Struktur des eigentlichen „Gletscher kornes“ ist in den Firnfeldern auch in den unteren Lagen noch gering ausgebildet. Immerhin zeigt sich dort an Schmelzflächen schon mitunter das bekannte Liniennetz und darin mehr rundliche als eckige Körner von Linsen- bis Haselnußgröße. Je weiter sich die Firndecken bergab er strecken, desto größer werden die Körner ihrer unteren Bänder, bis sie in den Gletscherzungen ihr Maximum erreichen und fast nur polygonale Form haben. Ganz allmählich geht die Firnmasse in das Gletschereis über, das in aperem Zustande gar keine rundlichen Firnkörner mehr hat, sondern nur noch eckige, ineinander verzahnte Gletscherkörner, und nur noch dem Zehrgebiet angehört (s. Abb, 109). Weitaus die meisten ecuatorianischen Gletscher sind entweder die oben bezeichneten, am Rande der Firnmäntel vortretenden kurzen Eiszipfel oder etwas längere Hängegletscher in steilen Bodenmulden; nur wenige sind flachliegende, lange Talgletscher auf gering geneigtem Unter gründe. Letztere habe ich nur in den Calderas des Altar, Carihuairazo und Antisana sowie am nordöstlichen Chimborazo gefunden und von fern am westlichen Cayambe gesehen. Wenn Humboldt und Boussingault von „Gletschern“ der Anden sprechen, meinen sie nie Eiszungen im Gegensatz zu den Firnfeldern, sondern diese letzteren selbst. Erst Moriz Wagner (1858) macht diesen Unterschied und gibt ausdrücklich an, daß „der einzige wirkliche Gletscher, den er in der Äquatorialzone der Anden beobachtet habe,“ im Kraterkessel des Altar liege, und daß ein „eigent licher Gletscher auf dem Cotopaxi so wenig vorkomme wie auf dem Chimborazo“ (was allerdings ein Irrtum ist); auf dem Cotopaxi sei „indessen stellenweise eine gewisse Tendenz zu kompakter Eisbildung an der Oberfläche und zum Anfang eines Gletscherbaues an den unteren Rändern des Nevado wohl erkennbar“ ’). Und nach Wagner haben W. Reiß, A. Stübel, Th. Wolf, M. von Thielmann, E. Whymper die Gletscher- ') Moriz Wagner, Naturwissensch. Reisen im tropischen Südamerika, Stuttgart 1870, S. 487 und 594.