Den Wechsel vom Niederland zu großen Höhen und umgekehrt werden vielleicht solche ältere Leute am besten vertragen, deren Lungen kapillaren und Blutgefäße schon viel vom ursprünglichen Tonus eingebüßt haben. Bei ihnen kann der durch verminderten Luftdruck herbeigeführte Blutdruck in den Lungenkapillaren nicht mehr so stark werden, daß er als mechanisches Atmungshindernis wirkt und die Zufuhr von Sauerstoff so wie den Blutkreislauf stört. Wer sich rühmt, in 6000 und mehr Metern Höhe keinerlei Störung seiner Lebensfunktionen gefühlt zu haben, ist, wie H. Kronecker hübsch sagt, „kein Übermensch, sondern ein bescheidner Untermensch“. Für einen gut trainierten Bergsteiger von normaler Konstitution bleibt das schwerste das dauernde, jedesmal wieder neu zu überwindende Hindernis, daß in großen Höhen mit jeder Höhenzunahme eine sehr em pfindliche Kraftabnahme verbunden ist. Starke wie schwache Männer werden, wenn sie auch trainiert und durchaus gesund sind, im Verhältnis zu ihrer Konstitution immer weniger leistungsfähig, je höher sie steigen. Wenn darum eine mehrtägige Hochtour sich joden Tag auf gleichbe schaffnem Gebiet bewegt und auf jeden Tag gleich viel Arbeit verwendet, so wird doch der Fortschritt bergauf von Tag zu Tag kleiner. Conway bemerkt zu seinen bolivianischen Bergbesteigungen, eine große Erschwer nis für den Bergsteiger sei es, daß die Nachtkälte oberhalb 20000' Höhe rapid zunehme, und daß ebenso schwächend wie diese am Tag die Inten sität der äquatorialen Sonnenstrahlung in der dünnen Luft sei. Nach meinen Erfahrungen sind diese beiden Faktoren von geringerer Bedeu tung als die oben genannten; immerhin fallen sie mit ins Gewicht. Darin stimme ich aber Conway voll bei, daß die Gefahr von schlechtem Wetter fast in geometrischer Progression mit der Höhe wächst, und zwar gilt dies nicht bloß für den Invierno der furchtbaren Gewitterstürme, sondern für alle Jahreszeiten. Das Geheimnis, wie man große Bergeshöhen (nicht nur in den Anden) erreichen kann, besteht, wie auch Conway richtig betont, darin, daß man in kurzen Etappen aufsteigt und auf jeder Station eine Nacht bleibt. Ich habe diese Praxis auf allen meinen größeren Hochtouren be folgt, auch seinerzeit zu wiederholten Malen am Kilimandjaro, wo ich mir den Aufstieg von 1300 m zu 6010 m Höhe in 5 Tagesstrecken eingoteilt hatte, und bin meist gut dabei gefahren. Aber dazu gehört Zeit, viel Zeit und