388 13. Zweite Chimborazo-Besteigung. in diesen Höhen schlimmer, als ein Steigen auf steilem, lockerm Geröll oder auf Hängen von pulverigem Schnee. Beim Atemholen schnappen wir, wenn wir weitersteigen, oft unwillkürlich mit einem tiefen seufzer artigen Ruck nach Luft wie der Fisch, der auf dem Trocknen liegt. Das Herz hämmert schnell und stark zum Zerspringen, während sich die Lippen und oft auch die Hände bläulich färben und die Augenbindehaut von Blut unterlaufen wird. Niemals hat sich aber bei uns und unsern Begleitern Erbrechen eingestellt, niemals Nasenbluten, und niemals habe ich an uns oder an anderen ein Bluten aus den Lippen und dem Zahnfleisch beob achtet, wovon A. v. Humboldt im Bericht seiner Chimborazobesteigung be richtet'). DesKopfes aber bemächtigt sich ein dumpfer Druck oder, richtiger gesagt, eine nach außen gerichtete Spannung, die die Gedanken trübt oder verworrne Vorstellungen auslöst, welche ohne alle Beziehung auf unser gegenwärtiges Tun sind. Wir steigen sozusagen im Dusel fort und möch ten uns am liebsten hinlegen und schlafen. Unser Gemüt ist von Nieder geschlagenheit bedrückt und zweifelt schwer an der Vollendung des unter nommenen Werkes. Von Zeit zu Zeit aber ermuntert sich der Wille wie aus einer Lethargie, bemächtigt sich der ganzen fatalen Situation und treibt den Körper mit souveräner Gewalt zu erneuter Anspannung aller Fähigkeiten und Kräfte weiter dem Ziele entgegen. Es ist ein schwerer Kampf, dessen Ausgang in letzter Linie von der Energie des Reisenden abhängt. Wem schon an sich kein starker Wille innewohnt, der kann das Spiel von vornherein verloren geben. Beim Rasten mindern und mildern sich alle diese Erscheinungen, um beim Weitersteigen in voller Schwere wiederzukehren. Sie verlieren sich erst von dem Moment an, wo der Abstieg beginnt. Da das Übel beim Abstieg weicht, ohne daß der Körper Zeit gehabt hat, sich voll aus zuruhen und neu zu kräftigen, können die Symptone nicht vorwiegend auf Übermüdung zurückgefuhrt werden. Ein Teil von ihnen jedenfalls, ein anderer Teil aber auf die enorme Trockenheit der Luft und die sehr in tensive Sonnenstrahlung in den großen Höhen, wodurch vor allem starke Reizungen auf die Schleimhäute und auf gewisse peripherische Nerven ausgeübt werden. Die Hauptursache jedoch ist die ungenügende Zu fuhr des für die Lebenstätigkeit notwendigen Sauerstoffes zum Nerven- ’) Kleinere Schriften, Stuttgart und Tübingen, 1853, Seite 148.