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11. Der Antisana. 351 von Antisanilla entlang reitend, trafen wir vor Mitte des Nachmittags in der Hacienda Pinantura ein, kreuzten wieder die Quebrada Guapal, die jetzt bei vollem Tageslicht nicht mehr die Schrecken hatte wie auf dem Nachtmarsch der Herreise, und eilten jenseits durch die Tuff- und Löß- schluchten nachPintac hinab, von wo wir gegen Abend in der Hacienda Rosario zum Nachtquartier anlangten. Der leicht „angesäuselte“ Mayor- domo räumte uns nach einigem Parlamentieren seinen Staatssalon ein, aus dem wir aber erst die Kartoffelhaufen entfernen mußten, ehe wir unsre Schlafsäcke auf den Boden legen konnten. Draußen hatte unterdessen die untergehende Sonne den ganzen Himmel in Flammen gesetzt, als ob sie noch im Erlöschen einen Welten brand entzünden wollte. Vor der glühenden gelb-rot-violetten Dämmerungs lohe standen im Westen die schon nächtlich-schwarzen Silhouetten der langgestreckten Vulkane Pichincha, Atacatzo und Corazon, während über ihnen dunkle, goldgesäumte Wolkenbänke, an der Oberseite zu Un geheuern Höhen aufgetürmt, an der Unterseite wagerecht abgeschnitten und seitlich durch lange Ausläufer miteinander zu einem Ganzen verbunden, noch ein Gebirge über dem Gebirge, ein himmlisches über dem irdischen, ins Dasein zu rufen schienen. In diesem Land der großen Montonie, der Einförmigkeit der Linien und Flächen, der Eintönigkeit der Farben und Stimmen, scheint der Himmel mit seiner abendlichen und frühmorgend lichen Farbenpracht dem Landschaftsbild die Schönheitsreize verleihen zu wollen, die ihm die Erde versagt hat. Wir standen stumm in Anschauen versunken, bis die Nacht dem zauberischen Schauspiel ein Ende machte. Am Morgen regnete es in Strömen. Aber je weiter wir aus dem Be reich der nassen Ostkordillere nach Westen kamen, desto heller wurde es; die Westkordillere lag in schönster Klarheit. Von der Höhe des Poingasi- rückens werfen wir einen Abschiedsblick auf die durcheilte weite Quito mulde und sehen nun auch klarer in die Entstehungsgeschichte dieser eigen tümlichen interandinen Ebnen zurück, als wir es auf der Hinreise vermochten. Schon früher haben wir die Quitomulde mit der Riobambamulde ver glichen (Seite 308), die gewissermaßen ihr Spiegelbild ist, und mit der Lata- cungamulde, die wir südlich der Quitomulde zwischen den beiden Kordil leren durchmessen haben. In der Quitomulde haben wir überall beobachten können, daß mächtige Ablagerungen von Tuffen, Sanden, Gerollen den interandinen Raum ausfullen. Moriz Wagner, Th. Wolf und A. Stübel