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eine Meinungsverschiedenheit über die einzuschlagende Richtung, doch ich bestand auf strengstes Befolgen meines Kompasses, dessen Weisungen ich schon beim Aufstieg öfters notiert hatte, und in dieser Richtung steuernd, landeten wir um 2 Uhr richtig an derselben Stelle neben dem obern Ansatz des Westgletschers, wo wir am Morgen das Eis betreten hatten. Des Seiles ledig, eilten wir nun hurtig über die Moränenhalden hin ab, und bald standen wir, immer noch von etwas Schnee, von Regen und Wind begleitet, wieder bei unsern Zelten. Die triefnassen Wettermäntel flogen herunter, und unser niedriges, enges, aber stets von Neuem ge- benedeites Bergheim nahm uns wieder auf. Im stillen Zeltchen Tee trinkend, gerösteten heißen Mais kauend und Cigarillos rauchend, warteten wir in Geduld, bis uns der Verabredung gemäß unsre Arrieros mit der Tropa abholten. Trotz des nichtsnutzigen Wetters kamen die Braven mit nur wenig Verspätung um Mitte des Nach mittags an. Die beiden Männer hatten sich von den Hirten des Hato weite, wetterfeste Ziegenfellhosen geliehen, die ihnen ein schrecklich wüstes Aussehen gaben, aber sie waren ganz friedlichen, freundlichen Sinnes, ob gleich sie wieder einmal stundenlang mit ihren Bastsandalen im schneeigen Schlick patschen mußten; und diese heitere Seelenstimmung war, wie ich schnell merkte, durch gründliche Imprägnierung mit Chichaschnaps her vorgerufen. Weniger vergnügt waren die „Bestias“ über das Wetter. Das hatte aber das Gute, daß sie mit uns unaufhaltsam freundlicheren Gefilden am Bergesfuß zudrängten und auf dem Pfad der Päramos von selbst einen Trab anschlugen, der uns noch vor Dunkelwerden zum Hato Antisana zurückbrachte. Schneidender Ostwind und strömender Regen verfolgten uns bis unter das schützende Dach. Der Antisana hatte es offenbar darauf abgesehen, sich uns auch einmal in seiner ganzen, als „brava“ verschrieenen Abscheulichkeit zu zeigen und uns für unsre Frechheit, daß wir seinen Rücken betreten hatten, einen gründlichen Denkzettel zu verabreichen. Im Hato am knisternden Feuer war des Tages Last und Mühe bald vergessen. Die Nacht im Hato (4095 m) verging ohne die Herz- und Atembeklemmungen, die mich in der vorigen Nacht 600 m höher befallen hatten, und der Puls war von 112 Schläge p. Minute auf die Normalzahl von 78 zurückgekehrt. Am nächsten frühen Morgen stand der Antisana wieder mit seinem großen weißen Wolkenhut vor uns wie am Morgen vorher. Gern hätte ich