Nun ward von uns noch vorsichtiger, noch langsamer vorgegangen. Wir hielten die Richtung auf einen großen Eisturm nahe unter dem Sattel zu, von wo ein Traversieren durch das Klüftegewirr ostwärts zum Kamm hinauf möglich erschien. Der Schnee war nun, als wir in die Region der jagenden Wolken kamen, oft zu brett- oder schindelartigen, 1—2 Finger dicken, flachliegenden Wehen angeblasen, die aber ganz gut gangbar waren, Spalte nach Spalte wurde überschritten oder übersprungen oder umgangen. So oft die Luft etwas klarer wurde, machte ich eine photographische Aufnahme mit der Handkamera (s. Abbild. 86). Gegen 11 Uhr standen wir mitten in dem großartigsten Eisgeklüfte. Rechts und links und vor uns klafften dunkle Schlünde und starrten Wände und Türme und Zinnen von 20—35 m Höhe empor, alles um so phantastischer, als es, von Nebeln mehr und mehr umweht, gespenstig da und dort plötzlich auftauchte und wieder verschwand. In den Spalten schimmerte das Eis je nach der Dichte und Beleuchtung hellblau und meergrün und in größerer Tiefe ultramarin und blauviolett. An den Blöcken und Wänden trat die Schichtung des Firnes in schönster Regelmäßigkeit hervor, aber natürlich waren die Schichten je nach der Lage des abgesunknen Spaltenflügels oder des umgestürzten Eisturmes in der verschiedensten Weise gerichtet, an dem einen Stück horizontal gelagert, an dem andern schief einfallend, an dem dritten senkrecht aufgerichtet, usw. Und doch ist trotz dieser totalen Zerstörung des ursprünglichen Schichtenzusammenhanges, trotz dieses wüsten Durch einanders losgebrochner Blöcke etwa 200 m unterhalb dieser großen Bruchzone in dem ebnen Eisfeld der untern Berghälfte die Eismasse, wie in dortigen wenigen Spalten zu sehen ist, wieder in schönster Regelmäßig keit und Einheitlichkeit gebändert, als wenn sie nie eine wesentliche Störung erlitten hätte. Wie diese Erscheinung mit der jetzt sozusagen offiziell geltenden Theorie, daß die Bänderung des Eises direkt aus der Firnschichtung hervorgehe, sich verträgt, ist mir unverständlich. Ich werde hierauf im 15. Kapitel zurückkommen. Nicht zutreffend ist es aber auch, wenn Stübel von diesem „Eisblocklabyrinth“, in dem er stecken ge blieben war, sagt: „Ein allmähliches Gleiten des Gletschers allein kann so gewaltige Aufbrüche und Lagerungsstörungen kaum hervorgerufen haben. Vielleicht haben wir darin ein sonst seltnes Beispiel für eine Mit wirkung von Erdbeben zu sehen.“ Solcher Mitwirkung bedürfen diese