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mauer an den Rand der düsteren Quebrada Guapal. Darüber hinweg weitet sich eine wundervolle Aussicht nach Westen über die große, lang sam westwärts sich senkende Ebne der Quitomulde, die wir am Vortag durchritten hatten, bis zum fernen dunstigen Pichincha, der langgestreckt und mit sanften Hängen das Panorama im Westen abschließt (s. Abb. 72). Seine breiten Gipfel heben sich nur wenig über die flache Wölbung des schildförmigen Massivs, der höhere Südgipfel (Guagua-Pichincha, 4787 m) mit ein wenig Schnee, aber ohne die leiseste Spur eines Kraterwölkchens. Auch an den vorhergehenden und folgenden Tagen habe ich nur drei- oder viermal eine dünne weiße Wasserdampfsäule vom Gipfel des Guagua- Pichincha aufsteigen sehen. Die Fumarolentätigkeit ist jetzt dort viel geringer als vor 30 Jahren zur Zeit von Reiß und Stübel, wo noch der Dampf im Krater aus einem 3 m weiten Schlot mit Zischen herausfuhr und oft bis zu großen Höhen in geschloßner Säule emporwirbelte. Nach Osten schweifte unser Blick über die leicht ansteigende Ebne bis zum breitbuckeligen, felsigen Sincholagua, dessen kleiner Gipfelgletscher im Morgenlicht rosig schimmerte, und südwestlich hinter seinen langen dunklen Ausläufern leuchtete aus der Ferne die oberste Firnkuppe des Cotopaxi herüber, der eine zart orangerote Dampfwolke entflatterte wie eine feine getönte Straußenfeder. Fünfviertel Jahre später, am 14. No vember 1904, hat von unserm Standpunkt aus der Quitener Geolog Augusto Martinez eine Ascheneruption des Cotopaxi beobachtet und photo graphiert, die ich hier (Abbild. 73) wiedergebe. (Siehe auch Seite 213). Die schnell steigende Sonne mahnte zum Aufbruch. Mit nur fünf Peonen im Gefolge, die am Antisana unser Gepäck von den Maultieren über nehmen sollten, ritten wir unserm Führer nach in die Quebrada Gua pal hinein, an deren steiler Innenwand der Pfad langsam bergan führt. Dichtes bambusartiges Röhricht (Chusquea aristata) mit 2—3 m langen daumendicken Stengeln umgab uns und ließ nur selten das Auge in die Quebrada selbst und darüber hinaus dringen. Wo dies möglich war, wurde unsre ganze Aufmerksamkeit von dem in der Talschlucht liegenden Lavastrom von Antisanilla gefesselt, vor dessen Stirn wir den Abend vorher die Tiefe der Quebrada durchritten hatten. Der Fuß des Lavastromendes liegt bei 3045 m im Talgrund, und bis dahin zieht der „Volcan“ wie ein riesiger Damm vom Berg her in der Quebrada entlang. Er füllt nicht das Tal in der Breite und Höhe aus,