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der Republik Ecuador. Plazas letzter wichtiger Regierungsakt war, daß er alle Haciendas der Kirchen als Staatsgut eingezogen und an Meist bietende verpachtet hat, die zufällig lauter Freunde von ihm waren. Verloddert wie die Regierung sind auch die Gemeindeverwaltun gen. Die Gemeinde Quito gibt sehr viel Geld aus für öffentliche Anlagen, Wasserleitungen, Straßenbeleuchtung, usw., aber die öffentlichen Anlagen verwahrlosen, die Wasserleitungen fließen nicht, die elektrische Straßen beleuchtung glimmt düster wie Glühwürmchen oder funktioniert überhaupt nicht, und so fort in infinitum. Am schlimmsten sieht es mit den hygienischen Einrichtungen aus. Auch in der Landeshauptstadt Quito haben nur die wenigsten Häuser Aborte. Und da man weder Kanalisation noch Abfuhr kennt, so ist man notgedrungen auf ein andres Aushilfsmittol verfallen, das für eino große Stadt mindestens originell ist. Wenn man nämlich abends, bevor sich die Bewohnerschaft zu Ruhe begibt, durch die Straßen geht, begegnen einem ganze Karawanen von Kindern und Dienstboten, die je ein oder zwei Nachtgeschirre tragend zu einer der vielen tiefen Bach schluchten wandern, von denen ganz Quito durchzogen ist. Dort tritt einer nach dem andern an die eigens zu diesem Zweck in der Mauer brüstung angebrachte Bresche und entleert den Inhalt in den finstern Ab grund. Ein Polizist steht daneben und wacht darüber, daß nicht gedrän gelt wird, und darüber flimmert eine elektrische Bogenlampe in trübem, bleichem Licht. Die sonderbare Wallfahrt nach den Quebradas dauert ungefähr eine Stunde, dann ist’s von ’/ 2 10 Uhr an einsam und still auf den Straßen. Nur klatscht da und dort plötzlich einmal ein Guß übler Flüssig keiten aus einem obern Stockwerk auf das Straßenpflaster, so daß man in einigen Stadtteilen gut tut, auch bei klarstem Sternhimmel unter aufge spanntem Regenschirm zu gehen. Wenn man sieht, welcher Unrat sich wochen- und monatelang in den trocknen Schluchten innerhalb der Stadt ansammelt, ehe ihn die Regenzeit wegspült, wenn man ferner an anderen Stellen beobachtet, wie ganze Häusergruppen vermittels starker, aber lüderlich gezimmerter Balkenlagen über die Quebradas gebaut worden, weil da der Boden billig ist, und wenn man die entsetzlichen Miasmen riecht, die aus den Quebradas in diese Häuser und ihre Nachbarschaft aufsteigen, so wundert man sich nur, daß in Quito nicht noch mehr Menschen am Typhus und anderen Seuchen sterben, als es schon geschieht.