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nahm. Natürlich, daß sie an den Vulkanen, die sie sich durch furchtbare Auftreibungen der Erdrinde entstanden dachten (Erhebungskratere), die Wirkung der Katastrophen vor allem in steilen Formen sahen. Die vor gefaßte Idee trübte hier den Blick für die Wirklichkeit in ganz besonders auffallender Weise. Der Vertikalismus, der bei vielen Menschen ohne hin dazu neigt, die Größe eines Berges, eines Baumes, eines Gebäudes usw. in übertriebner Höhe und Steilheit zum Ausdruck zu bringen, unter Ver nachlässigung ihrer Breitenausdehnung, er fand in der plutonistischen Katastrophenlehre neue Stütze sowohl für wissenschaftliche Beschrei bungen wie für künstlerische Landschaftsschilderungen. Wie schon das erste, lange vor der plutonistischen Lehre entworfne Bild des Cotopaxi, das Juan und Ulloa in ihrem Reisewerk 1 ) von einem Ausbruch des Jahres 1743 mitteilen (siehe Abbildung 44) nur noch als Kuriosität gelten kann, so ist auch das Bild des Cotopaxi, das Humboldt in seinem großen Bilderatlas „Vues des Cordilleres“ (Planche X) gibt, ein wahres Monstrum einesVulkan- berges. Vom Fuß bis zum Gipfel steigen die Hänge mit 40° bis 55° Nei gung an, und der ganze Bergkörper ist schematisch in 3 horizontale Paral lelzonen geteilt, die pflanzengeographisch als Waldregion, Aschenregion und Schneeregion zu deuten sind. Das Ganze sieht mehr einem hohen, zur Hälfte verzuckerten Napfkuchen ähnlich als einem Vulkan oder gar dem schönsten allerVulkane, dem Cotopaxi (s. Abbildung 45). Sonderbarer Weise bemerkt Humboldt zu diesem Bild, er habe mit dieser und einer Reihe anderer Bergzeichnungen den Versuch gemacht, eine „Physiognomie der Gebirge“, einen „Anblick wirklicher Gestaltung von Bergmassen“ zu geben. Dazu habe er, um „die Konturen mit großer Genauigkeit zu be stimmen“, Winkelmessungen mit feinen geodätischen Instrumenten aus geführt 2 ). Das unglückliche Humboldt’sche Bild ist dann in zahlreiche andere Bücher übergegangen — so z. B. in Villavicencio’s Geografia de laRepublica del Ecuador (siehe Abbildung 51) — und in vielen von ihnen noch an Steilheit und Unförmigkeit gewachsen. Zur völligen Karrikatur ist es in Pfaffs Buch „Die vulkanischen Erscheinungen“ (Seite 6) aus geartet, ohne daß damals jemand Anstoß daran genommen hätte. (Siehe Abbildung 46). ’) Jorge Juan y Antonio de Ulloa, Kelacion historica del Viaje ä la America meridio- nal, Primeraparte, 1748. Lamina XIV, fig. 1. 2 ) Vues des Cordilleres, Textband S. 42/43, und Kleinere Schriften, S. 458/459. Meyer, Ecuador. 14