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88 4. Der Chimborazo. fälschlich 3 3 /i Uhr), sie waren also trotz der geschilderten großen Schwierig keiten und Hindernisse in 1 Stunde wieder 324 m hoch gestiegen. Diese übermenschliche Leistung wird aber noch durch die des Abstieges über troffen, denn nachdem sie gegen 3 Uhr ihren 6004 m hohen Standort ver lassen hatten, waren sie schon um 4 3 / t Uhr wieder an ihrem Rastplatz von 9 Uhr morgens in 4335 m Höhe. Sie hatten also in l 3 / 4 Stunden 1669 m zurückgelegt, hart an „furchtbaren Abgründen“ entlang, über steile vereiste Hänge, wo aufwärts Stufen hatten geschlagen werden müssen, wo ein Rutschen ihnen das „Leben gekostet hätte“ usw. Und um 8 Uhr abends waren sie schon wieder in der „metairie“ zurück, von der sie früh 7 Uhr aufgebrochen waren. Solcher alpiner Taten kann sich auch der beste moderne Bergsteiger nicht rühmen. Es muß also, wie in Humboldts Bericht so auch in dem Boussingaults, einiges nicht stimmen. Wie jener so wird auch dieser erst durch die Annahme begreiflich, daß die zur Höhenmessung gebrauchten Quecksilberbarometer und Thermometer in Unordnung geraten waren. Wir sind aber durch Boussingaults Beschreibung selbst instandgesetzt, ungefähr die Stelle an der Südsüdostseite des Berges zu erkennen, die er erreicht hat: Der Fuß des „Trachytprismas, dessen obere Fläche, be deckt mit einer Schneekuppel, den Gipfel des Chimborazo bildet“, liegt bei ca. 5500 m. Demnach hätten die Reisenden von 10 3 / t bis l 3 / 4 Uhr kletternd in Wahrheit 555 m (4945—5500) hinauf und hinab überwunden, was in Anbetracht ihrer Ungeübtheit und der geschilderten Schwierigkeiten noch eine sehr anzuerkennende Leistung ist. Sie sind somit rund 800 nr unter dem Gipfel geblieben und haben Humboldt um etwa 200 m überstiegen, ohne aber die vereisten Hänge des großen Firndomes selbst zu betreten. Daß Boussingault ursprünglich sogar behauptete, „nahezu 20000 Fuß über dem Meeresniveau“ gestanden und „eine weit bedeutendere Höhe als Humboldt erreicht“ zu haben, belegt Moriz Wagner’) aus einem Brief Boussingaults vom 17. Dezember 1831. Der Irrtum Boussingaults ist also hier ebenso groß wie in seiner Angabe der von ihm erreichten Höhe am Cotopaxi (s. Kapitel 8). Boussingaults Bericht ist übrigens auch dadurch bemerkenswert, daß er zuerst unter allen Reisenden von „Gletschern“ (glaciers) des Chimborazo spricht; doch ohne sie zu beschreiben. *) Naturwissenschaftliche Reisen im tropischen Amerika, Stuttgart 1870, S. 571.