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714 ciSsen Stempel aufdrückt, damit der Sache des Reichs- canzlers dient und seinen Ideen entspricht; denn seine großherzige Auffassung von dem selbstständigen Lebens- und Wirkungskreis der deutschen Bundes staaten innerhalb des großen Reichsganzen ist himmelweit entfernt von den tendenziösen Mäkeleien dieser sächsischen Correspondenten, welche über unfern ParticulariSmus schreien und lediglich darauf auS- gehen, Zeugnisse dieses vermeintlichen ParticulariS- MUs-den übrigen Bundesstaaten zu denunciren. Und was erreichen sie damit? Die unserer Ver hältnisse einigermaßen kundigen und kritischen Leser auswärts täuschen sie nicht; denn diese pflegen nach jeder solchen sauberen Anekdote zu sagen: „Das kommt mal wieder aus dem bekannten Lager, mor gen wird wohl die Berichtigung folgen." Aber im eigenen Lande bringen sie gerade diejenige Partei, Ker sie angeblich dienen wollen — die National- Liberalen — in Mißkredit. Denn kein Mensch will seine Heimath täglich verunglimpft und verdächtigt sehen. Unserer Meinung nach hat die national liberale Partei gar keine Lust an dieser Kleinmeisterei und Quängelei, die aus jeder Mücke einen Stephan ien macht und jede Kleinigkeit zu einer particula- ristischen Unthat zustutzt. Wir sollten glauben, auf vorigem Landtage wäre es dieser Art von Denun- ciation des eigenen Landes klar angedeutet worden, was man von ihr hält. Die Leutchen scheinen aber auch gar nicht zu be denken, wie sehr sie auswärts unserm Lande schaden würden, wenn wirklich ihr tägliches Verdächtigen Glauben fände. Denn „der Tropfen höhlt den Stein" und osiuminure suäavtör, semper aiiquiä kseret, d. h. verdächtige nur immer fort, es bleibt doch etwas hängen. Es kann also wohl kommen, daß sich wirk lich bei den weniger kritischen oder geradezu befange nen Beurtheilcrn Mißtrauen gegen Sachsen fest setzt. Das wäre für Staat und Volk nicht Wün schenswerth und gut. Denn träte der Fall ein, daß wir gegen irgend einen Bundesgesetz-Entwurf einmal sehr ernste und wohlbegründete Bedenken hätten, flugs würde es heißen: „Das ist wieder der bekannte sächsische ParticulariSmus I" Und so noch in manchen anderen Fällen! Darum, Ihr Herren Particularistenspäher, seid doch vor Allem für das eigene Land gerecht und billig, eingedenk des Wortes: „Ein schlimmer Vogel, der sein Nest beschmutzt!" Deutsches Reich. Bischofswerda, 3. September. Das herr- - lichste Welter begünstigte gestern das hiesige Schulfest, , welches zur Feier des denkwürdigen Tages von Sedan unter allseitiger Theilnahme abgehalten wurde. Schon früh wurde der Festtag mit allen Glocken i eingrläutet, die Häuser waren reich beflaggt und in gehobener Stimmung freute sich Alles des Tages, ä« welchem vor vier Jahren deutsche Armeen den Erzfeind unser« lieben Vaterlandes zu , Boden geworfen hatten. Auch unsere Schuljugend i sollte in patriotischer, festlicher Stimmung diesen » Ehrentag der Deutschen begehen. Die städtischen - Behörden hatten daher in dankenswerthrr Bereit willigkeit die Mittel zu einem allgemeinen Schulfeste bewilligt. Die Kinder fanden daher schon mehrere Tage vorher keine Ruhe mehr; sie mußten sich ja rüsten und schmücken zu dem lieblichen Feste, welches ihnen bereitet werden sollte. Endlich war für die lieben Kleinen die längstersehnte Stunde gekommen. Nachmittags 1 Uhr versammelten sich sämmtliche Kinder im neuen Schulhause und ordneten sich da selbst zum Festzuge. Viele Bürger und Türner, sowie junge Mädchen unterstützten in freundlichster Weise die Lehrer während des ganzen Festes. Um 2 Uhr endlich entwickelte sich der herrliche, so lieb liche Festzug von 700 Schulkindern auf dem freien Schulplatze und bewegte sich nun unter Musik wohl geordnet zur Stadt hinein. Jede Classe trug Schärpen, Fahnen und Stäbe von verschiedener Farbe, schön grün gewundene Kronen und Lhras wurden von größeren Mädchen auf Stäben getragen und Adler und Scheiben befanden sich ebenfalls mit im Zuge. Es war ein reizendes Bild, diese fröhliche Kinderwelt in ihrem Festschmucke wohlgeordnet, und mit unzähligen flatternden Fahnen versehen, durch die Straßen ziehen zu sehen. Das Auge des Er wachsenen mußte sich laben an diesem lieblichen Bilde und das Herz unwillkürlich zurückdenkcn an die Zeit der eigenen, vergangenen Jugend. Der Zug ging durch die Bautzner Straße, begleitet von 2 Musik corps, bis auf den Marktplatz. Hier stellte sich derselbe vorm Rathhaus auf und nach dem Gesänge des Chorals : „Allein Gott in der Höh' sei Ehr" hielt Herr Schuldirektor Köhler eine, auf die Feier des Tages bezügliche Festrede und schloß mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser, unfern König und unsere Stadt. Nachdem die Jugend noch mehrere Gesänge angestimmt hatte, setzte sich der Zug wieder in Be wegung und ging in mehreren Schlangenlinien über den Markt, die Kirchgasse hinaus. Als der Zug beim Kriegerdenkmal vorüber kam, welches ebenfalls schön geschmückt war, senkten sich alle Fahnen und die Knaben nahmen ihre Mützen ab. Endlich war der Festzug auf dem Platze am Schützenhaus angekommen und nachdem noch ein Lied gesungen worden war, vertheilten sich sämmtliche Classen auf die ihnen angewiesenen Spielplätze. Da herrschte nun ein überaus fröhliches Leben und unzählige Zuschauer erfreuten sich mit an den fröhlichen Spielen der Kinder. Da wurde hier ein Adler geschossen, dort nach einer Scheibe, auf einem anderen Platze mit Stech bolzen, Mädchen sangen und sprangen unter fröh lichem Spiel, mächtige Fichtenbäume waren mit Gewinnen geschmückt und wurden dann von den Kindern unter Aufsicht von Lehrern, Bürgem und Turnern unter entsprechendem Spiel geleert. Es war ein fröhliches, liebliches Kinderfest. Die Kinder erhielten auch Bier, Semmel und Würstchen, überall sah man daher fröhliche Gesichter. Der Abend nahte nur zu schnell heran. Gegen 7 Uhr wurde zum Einzuge geblasen. Der Zug ordnete sich, wieder und fröhlich und heiter zog nun mit der lieben Schul- fugend Alle« zur Stadt hinein. Auf dem Markt platze angekommeo, stellten sich die Kinder abermals auf, ein Äbendkied wurde angestimmt und ein Schulknabe brachte ein Hoch auf die städtischen Be hörden und Lehrer au», worauf sich der Zug austöste