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für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -esKöniglichen Gerichtoamtes nnd des Stadtrathra zu Kischosowrrvn. Vies« Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwocks und Sonnadrnv«, und koket einschließlich der Sonn abends erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'^, Ngi. Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« — früh 8 Uhr angenommen. 80.1 187H Mittwoch, den S October Politische Umschau. Während seit Monaten in der Politik eine fast beispiellose Ruhe und Stille andauert, haben die religiösen Fragen sich mehr als je in den Vorder grund gedrängt. Der Katholiken-Versamm- lung in Breslau, der Bischofsconferenz in Fulda, dem Altkatholiken-Congreß in Cöln folgten dieser Tage die Versammlungen des evan gelischen Kirchentages in Halle und des Pro te stant en Vereins in Osnabrück. Man kann Wohl sagen, daß alle religiösen Richtungen der christlichen Kirche Deutschlands in diesen Zusammenkünften zu gemeinsamer Bcrathung ver einigt waren. Ueber Gleichgiltigkeit gegen religiöse Fragen darf man also nicht klagen, zumal das öffentliche Interesse diesen Versammlungen sich all gemeiner und entschiedener zuwendct, als etwa dem Juristentage in Frankfurt oder dem volkswirth- schaftlichen Congreß in Danzig. Diese Erscheinung ist sicherlich nur mit freudiger Genugthuung zu be grüßen. In unserer Zeit, in der ja unbestreitbar der Sinn für materielles Wohlleben wenn nicht stärker ist, so doch stärker sich an die Oberfläche drängt und in allen Gesellschaftsklassen gleich mäßig stärker sich bemerklich macht, muß jede Be reicherung und Belebung unsers idealen Volks fonds mit doppelter Genugthuung willkommen ge heißen werden. Vom Standpunkte der Politik aus mögen wir uns nicht mit der übersinnlichen Bedeutung dieser religiösen Bestrebungen befassen, wohl aber interessiren sic uns alle im Sinne einer gesunden irdischen Volkscntwicklung. Um unser Volk glücklich sich entwickeln zu sehen und auf seine lange Erhaltung in blühender Jngendkraft hoffen zu dürfen, haben wir ein wohlbegründetes Interesse, alle ide alen Bestrebungen, mögen sie auf dem Gebiete der Religion, der Wissenschaft oder der Ktwst sich äußern, zu fördern und zu unterstützen, zumal die jenigen, welche den weitesten Kreisen zugänglich sind und welche am meisten die Hingabe dts Einzelnen an das Allgemeine fordern. Es stände gut um unser Volk, wenn seine geistigen Führer und die geschichtlich überlieferten realen Mächte sich daran genügen ließen, in diesem weit gezogenen und mit dem Geist der Toleranz erfüllten Kreise das Volk Siebenundzwanzigster Jahrgang. zu einigen; ja wenn man mehr darauf achtete, was die einzelnen Glieder verbindet, als auf das, was sie trennt. Der evangelische Kirchentag in Halle beschäftigte sich mit Anträgen, welche ihrem Inhalte nach für die evangelische Kirche von der höchsten Bedeutung sind. Es ward von ihm eine selbstständige, auf Emancipation von den politischen Organen ausgehende Constituirung der evangelischen Kirche auf Grund einer presbhterialen und synodalen Verfassung in das Auge gefaßt. Mit richtigem Tart ging man von der Gemeindcorganisation aus, also von Unten aufbauend. Soll freilich diese projectirte Kirchenverfassung die Hoffnung rechtfertigen.daß sie sich zu einem Hause für die evangelische Kirche Deutsch lands gestalte, so wird sie, ohne der Gemeinde eine gewisse Freiheit gegenüber den reformatorischen Symbolen zu gewähren, nicht zum Ziele führen. Daß den Gemeinden diese Freiheit gestattet werde, den religiösen Schattirungen innerhalb gewisser Grenzen einen Spielraum zu lassen, der ja ohnehin schon durch den Grundgedanken des Protestantismus geboten ist, bildet wieder die Hauptforderung, welche der Proteftantenverein in Osnabrück aufstellte. Trägt man dieser Forderung Rechnung, dann ist der Protestantismus in Deutschland wohl geborgen; trägt man ihr nicht Rechnung, so wird die so sehr zu wünschende evangelische Kircheneinheit für Deutsch land nicht zu erreichen, sondern Sectenbilkung und Kirchenlosigkeit erheblicher Voltstheile unser Loos sein. In Preußen tritt mit diesem Monat die Re form des Hypothekenwcsens in Kraft. Die Vortheile der neuen Einrichtung lassen sich, ohne auf juristische Einzelheiten einzugehen, folgenderweise zusammen fassen : Die Kosten aller Eintragungen sind erheblich herabgesetzt, die Geschäfte bei den Gerichten werden schneller erledigt, weil das Gesetz dem Richter die schwierigen und wenig nützlichen Prüfungen erläßt; der Staat übernimmt die Bürgschaft für alle Schäden, welche aus den Fehlern der Beamten ent stehen; die bisher schwerfälligen Formen der Ur kunden werden vereinfacht und durch die bloße Be glaubigung der Unterschrift billiger gestellt. Neben den verringerten Kosten erleichtern die neuen Gesetze die Prüfung der Schuldurkundcn und gestatten eine größere Schnelligkeit im Umsatz. Ganz neu ist die Einführung des Grundschuldbriefes; durch denselben