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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend; Amtsblatt des Königlichen Verichtsamtes und des Ktadtraihes zn Dischofswerda. Diese Iritschrist erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch» und Sonnabenvs, und kostet vierteljährlich »2'j, Ngr. Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« früh 8 Uhr angenommen. Rundschau. Die zweite Kammer hat in letzter Woche die Grundsätze berathen, welche sie in einer neuen Ge meindeordnung verwirklicht zu sehen wünscht. In der Hauptsache wurden die Anträge, welche der Vice präsident Streit vorgeschlagen hat, angenommen und diese laufen im Wesentlichen darauf hinaus, daß die künftige Gemeiudeversassung die ländlichen und städtischen Gemeinden umfassen und deren besondere Verhältnisse besonders regeln, daß eine ausgedehnte Selbstverwaltung eingeführt, das Bcstätigungsrecht der Regierung Wegfällen, den Gemeinden die Aus übung der Sicherheit- und Wohlfahrtspolizei über tragen, gleiches Stimmrecht in der Gemeinde und direkte Wahlen eingeführt, die Zweithcilung in Stadtrath und Stadtverordnete wegfallen und die obersten Gemeinde beamten nur auf Zeit angestellt werden sollen. Der Mini ster v. Nostitz-Wallwitz sagte zu, daß die Regierung dem nächsten Landtage eine Gemeindeverfassung vorlegen werde, doch werde dieselbe auf die wirklich vorhande nen Verhältnisse und auf die thatsächlichen Unter schiede zwischen Stadt und Land, Fabrik- und In dustrie-Gegend Rücksicht nehmen, er verzichtete ferner auf das Bestätigungsrecht für Gemeindewahlen in einem gewissen Umfange, hatte nichts gegen die Ueber- tragung der Polizei auf die Gemeinden einzuwenden, selbstverständlich, daß der Staat seinerseits für ge nügende Ausübung der Sicherheitspolizei zu sorgen hätte. Die Rittergutsbesitzer opferten ihre noch be stehenden gesetzlichen Vorrechte und es wurde dieser Schritt in der ganzen Kammer mit Freude begrüßt. Die Vertreter des platten Landes sprachen sich wieder holt gegen ein zu großes Nivelliren aus ; die radicale Demokratie, vertreten durch Abgeordneten Ludwig, wünschte möglichst Alles über einen Kamin zu scheeren. Äm Allgemeinen lieferten die gründlichen Berathungeu ein erfreuliches Ergebniß: wir sehen eine Regierung, die besonnen den Weg des Fortschritts gehen will, eine Rechte, die unhaltbare Einrichtungen aufopfert, um das vorhandene Gute zu erhalten, wir sehen eine Linke, die vorwärts drängt, aber den radicale» Elementen »sicht z« größer» Spielraum giebt. So Limmdzwoazigster Jahrgang. Wird diese große Frage einer Reform unserer Ge meindeverfassung hoffentlich allseitig befriedigend ge löst werden. Den praktischesten Antrag hat der Ab geordnete 0r. Hahn gestellt, daß provisorisch direkte Wahlen zu den Gemeindevertretungen eingeführt wer den sollen. Theilweise herrscht eine ähnliche Befriedigung über die Vorgänge im Landtage in Preußen. Daß der Finanzminister v. d. Heydt gegangen, welcher trotz seiner unleugbaren Fähigkeiten nicht im Stande war, in Preußen bessere Finanzzustände zu schaffen, wird allgemein mit Freude begrüßt. Schuld , das muß man ihm nachrühmen, ist er an diesen Calami- täten nicht; der Todtengräber feines Portefeuilles ist der ungeheuere Militär-Etat, der die Künste auch des genialsten Finanzmannes zu Schanden machen muß und dieser Todtengräber ist zugleich auch der Gratulant des neuen Finanzministers v. Camphausen. Derselbe hat sich mit einer sehr beifälligen Rede im Berliner Abgeordnetenhaus.eingeführt, er sprach darin einen praktischen Gedanken aus, nämlich den, daß Preußen vielzuviel von seiner Staatsschuld amortisire. Demgemäß scheint er sein Augenmerk auf eine Ver minderung der Summe zu lenken, welche jährlich zur Schuldentilgung verwendet wird. Ob dies mit den Rechten der preußischen Staatsgläubiger zu ver einbaren sein wird, steht dahin. Das Abgeordneten haus hat einstweilen die Berathung des Budgets so lange ausgesetzt, bis sich der neue Finanzminister einen Plan gebildet habe. Alle Gerüchte, daß nicht Herr v. d. Heydt allein sein Bündel schnüren werde, sondern, daß er in seiner Einsamkeit durch die gleich zeitig mit zu entlassenen Minister des Handels, des Innern und des Cultus sich trösten lassen könne, haben sich blos als fromme Wünsche herausgestellt. Die barbarische Verletzung des für die gefallenen Langensalzakämpfer in Celle errichteten Monuments und die dabei vorgekommene freche Verhöhnung des Richterspruchs durch den Kanonenstiefel hat die Be völkerung von Hannover auf's Tiefste empört. Der darüber in der Berliner Kammer interpellirte Kriegs Minister von Roon hat nur sehr ungenügend däS Verfahren seiner Offiziere entschuldigen könnest. Halb ärgert, halb schämt Man sich in Wep des