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vorstehende Kammereröffnung mit. Ein Minister- Conseil unter dem Vorsitze des Kaisers berieth die Thronrede, welche der Kaiser persönlich lesen wird. Fast scheint es, als ob Ollivier, der liberale, der Mittelpartei angehörende Deputirte, Minister präsident werden soll. Er hatte wiederholte Unter redungen mit dem Kaiser. Die „Patrie" glaubt, daß eine Veränderung des Ministeriums vor Be endigung der Wahlprüsungen nicht stattfinden wird. Am 27. Nov. fand eine Versammlung von 60 Mit gliedern des linken Centrums statt. Ollivier sprach sich gegen die Ansicht aus, daß die Kammer aufgelöst werden würde. Die Versammlung beschloß mit 27 gegen 21 Stimmen sich bis Sonntag zu vertagen. Inzwischen erwächst dem Kaiserreich eine neue Ver legenheit durch das Erwachen der Opposition in der Handelspolitik. Die nördlichen und östlichen De partements wollen die Handelsverträge kündigen, sie verlangen eine parlamentarische Untersuchung der Handelsverhältnisse; die Einrichtung eines Ober handelsraths, den blos der Minister zusammenberuft, genügt ihnen nicht. Die Handelskammern von Rouen und Rouvaix haben beschlossen, einen Protest gegen die Zusammensetzung des vom Handelsminister vor-, geschlagenen Oberhandelsraths einzureichen und weigern sich, Deputirte zu demselben zu senden. Die Ministerkrisis in Italien scheint ihrem Ende nahe. Die Bedingungen, unter welchen Lanza sich zur Ucbernahme der Bildung eines neuen Cabinets erklärt, sollen sein: das Fernbleiben Menabrea's, Cambray-Dignh's und Gnalterio's vom Schlosse, so wie die Reduclion des Militär-Budgets auf 30 Millionen. Man glaubt, den 29. Nov. werde der Kammer die Neubildung des Cabinets angekündigt worden sein. Neuere Nachrichten melden: Lanza hat am 27. Nov. die Neubildung des Cabinets definitiv übernommen und bereits mit mehreren politischen Persönlichkeiten conferirt. Aus Constantinopel wird unterm 26. Nov. ge meldet: Die Absendung eines türkischen Ulti matums an den Vicekönig von Egypten, welches die Unterwerfung binnen 10 Tagen fordert, ist von hier aus erfolgt. Sachsen. Bischofswerda, den 29. Nov. Am 26. d. feierte still im Kreise seiner Familie unser achtbarer Mitbürger, der Tuchfabrikant Herr Gottlob Heinß, bei guter Gesundheit das seltene Fest des goldenen Bürger-Jubiläums. Von Seiten- der städtischen Be hörde, als auch von vielen seiner Mitbürger wurden ihm Zeichen der vollkommensten Hochachtung zu Theil. Mögen dem greisen Jubilar noch recht viele frohe Lebenstage beschicken sein! Ihre königl. Hoheiten der Kronprinz, und Prinz Georg haben sich auf Einladung Sr. Mas. des Königs von Preußen am 28. Nov. nach Berlin be geben, um an den königlichen Hofjagden bei Wusten- hausen Theil zu nehmen. Die Rückkehr Ihrer königl. Hoheiten wird den 1. December erwartet. Die erste Kammer hat in ihrer Sitzung am 29. Nov. den von der zweiten Kammer angenommenen, aus Aufhebung des.PatronatSrechtS gerichteten Ml- trag der Abgeordneten Temper und Genoffen, nach dem Anträge ihrer dritten Deputation einstimmig abgelehnt. Sodann erledigte die Kammer noch eine Beschwerde aus Riesa, die zwangsweise Ermiethung eines Exercierplatzes daselbst betreffend. Einer Verordnung des Ministers des Innern zufolge ist, wie zeithcr, auch ferner die Veranstal tung öffentlicher Tanzbelustigungen nicht als ein natürlicher Bestandtheil des Gasthofs- und Schank gewerbes anzusehen, sondern stets an polizeiliche Erlaubniß gebunden, bei welcher, nach wie vor, die Bedürfnißsrage in Berücksichtigung zu ziehen ist. Im „Lpz. Tgbl." finden wir folgende Resolutton, welche am 22. November in der im Pantheon in Leipzig abgehaltenen Arbeiterversammlung gefaßt und einstimmig angenommen worden ist. Die heu tige Versammlung erklärt: Sic erkennt in der heutigen Presse, hauptsächlich der liberalen, eine der größten Giftbeulen unseres Jahrhunderts, welche allen moralischen Halt in der Gesellschaft vernichtet, und jeden emporkeimenden Gedanken des Vernunft rechts verpestet. Sie fordert die Männer der Kunst, Wissenschaft und Arbeit, denen das wahre sittliche Recht der Menschheit nicht Phrase ist, auf: Mit aller Kraft dahin zu wirken, diesen Krebsschaden zu vernichten. Sie spricht ferner über Diejenigen, die Angesichts dieses Verbrechens in ihrem Nichtsthun verharren, ihren Unwillen, sowie dem geistig pro- stituirenden Literatenthum ihre tiefste Verachtung aus. Die norddeutsche Postverwaltung beabsichtigt nach der „Börsen-Ztg.", dafern aus der Mitte des Han delsstandes darauf gerichtete Wünsche laut werden, nach dem Vorgänge Oesterreichs im Bundespostgebiete ebenfalls Correspondenzkarten zum Preise von 4 Ngr. einzuführen. Da nämlich wohl die Hälfte aller Briefe einen Inhalt hat, der durchaus kein Ge- heimniß ist, so würde das gesammte correspondirende Publikum viele Millionen an Couverten, Siegellack u. s. w. ersparen, wenn es gestattet wird, auf solche von der Post zu liefernde Karten Notizen zu machen und sie als offene Briefe zu versenden. Dieselben würden ungefähr halb so groß wie die Postanweisungen sein, auf der Vorderseite Linien für die Adresse und eine Freimarke zu Ngr., auf der Rückseite aber freien Raum zu kürzeren, insbesondere geschäft lichen Mitthcilungen enthalten. Das interimistische Theater an der Packhofstraße in Dre'sden wird, wie nunmehr festgcstellt ist, am 2. December eröffnet werden. Am 28. Nov. haben Se. Majestät der König dasselbe unter Führung des Herrn Generaldirektors Grafen Platcn und des Bauunternehmers Herrn Richter eingehend in Augen schein genommen und Allerhöchstihre Zufriedenheit mit dem wohlgelungenen Baue zu erkennen zu geben geruht. Man hat berechnet, daß durch den außerordent lichen Rückgang des Courses der sächsischen StaatS- papiere, wie er sich seit 1866 gezeigt, die StaatS- gläubiger, die Mündel, milden Stiftungen rc. einen Verlust von nicht weniger als 7 Millionen Thalern erlitten haben.