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Amtsblatt -es Königlichen Gerichtsamtes nnd -es Sta-tratheo zo Kifchof»«^-ak H K Diese Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwochs und Sonnabends, und koket vierteljährlich 12'j, RA. -E Inserate werden dis Dienstag« und Freitags früh 8 Uhr angenommen. - für r" " 'E , Stolpe» und Umgegend. ^69.1 11869. Mittwoch, -en 1. September Rundschau. Je weniger augenblicklich die auswärtige Politik Stoff zur Unterhaltung liefert, um so mehr können wir unseren eigenen, inneren Angelegenheiten volle Aufmerksamkeit widmen. In diesem Bereich bildet der Entwurf des neuen Strafgesetzbuches für Norddeutschland einen der wichtigsten Gegen stände, die nur je an das Volksleben herantreten können. Ehe diese Vorlage dem Reichstag unter breitet wird, hat man sie anerkennenswerther Weise der öffentlichen Kritik preisgegeben. Obgleich man dem Entwurf keineswegs den Vorwurf der Flüchtig keit machen kann, so würde es doch zu bedauern sein, wenn er ohne durchgreifende Aenderungen als Gesetz proclamirt würde; denn er trägt durchweg die Merk male einer bureaukratischen Bearbeitung. Sind auch die Härten der bisherigen preußischen Gesetzgebung, an welche sich der neue Entwurf anlehnt, vermieden und gemildert, so weht doch durch das Ganze keines wegs der Geist der Sittlichkeit und Humanität, welcher unserem civilisirten Zeitalter entspricht. Es ist ganz unzweifelhaft, daß gerade die Strafgesetz gebung eine mächtige, sittliche Rückwirkung auf's Volk auszuüben vermag. Wo man in dieser Gesetz gebung Mißachtung gegen das Leben und die Freiheit des Einzelnen an den Tag legt, wird dieselbe auch im entsprechenden Maße dem Bolksbegriff eigen werden. Wo die Justiz hart und roh verfährt, kann man aucb nur Rohheit im Volke voraussetzen. Die Criminal-Justiz muß durchaus als ein Mittel des Staates zur Förderung des Sittlichkeits-Princips im Volk betrachtet werden. Es darf nicht nur ihre Aufgahe sein , Verbrechen zu rächen, sondern in gleich hohem Grade erfordert ihr Beruf, Verbrechen zu verhüten. Vor allen Dingen ist dazu aber nöthig, daß die Gesetzgebung bedenkt, wie unsere gesellschaft lichen Zustände nicht nur die Abwendung zahlreicher Verbrechen unmöglich machen, sondern wse ungerecht oft der todte Buchstabe des Gesetzes gegen die Ur sache einer schuldvollen Handlung ist. Dis Gesetz gebung muß sonach milden Geistes sein, zumal harte außerdem aber nicht erfinderisch in Aufstellung von Vergehen sein, die sie verfolgen will, ohne dabei einen sittlichen Zweck im Auge zu haben. Das be dingt wieder eine Verringerung der mit Strafe be legten Gesetze und vor Allem eine Erschwerung der Anklage, die jetzt so leicht gemacht ist, daß fast die Hälfte aller Angeklagten freigesprochen wird. Daher ist als Schutz gegen unnütze und schädliche Benutzung des Anklagerechts die Erschwerung jeder Präventiv- Verhaftung durch Verantwortlichkeit der sie veran lassenden Beamten und durch Schadenersatz an den Unschuldigen zu bewirken, sowie ferner eine Erschwerung der Untersuchungshaft durch Einsetzung einer Jury, welche über Einleitung eines Criminal-Proceffes end- giltig entscheidet. In dieser Beziehung hätte man bei dem Entwürfe der neuen norddeutschen Straf gesetzgebung reformatorisch wirken können. Aber der Entwurf begnügt sich im Wesentlichen mit einer etwas untreren Abmessung des Strafmaßes für Ver brechen. Das Gefängniß bleibt wie seither die letzte Moral der Justiz und ebenso soll die bei uns ab geschaffte Todesstrafe wieder eingeführt werden, während doch über den Zweck der Absonderung von der beleidigten Gesellschaft hinaus sittlicher Weise nichts mehr geschehen sollte. Zudem darf diese Ab sonderung nicht das Bewußtsein des Schuldigen als Menschen vernichten, wie es geschieht, wenn er der Gegenstand psychologischer Experimente im Gefäng nisse wird. Augenblicklich kann freilich die GesM- schaft der Gefängnisse nicht entbehren; aber die Gesetz gebung sollte an deren Verringerung denken, sowie an eine Umwandlung derselben in Jnternirungs- Colonien, welche mindestens dem aus den Gefäng nissen zurückströmenden Verderbniß einigermaßen Einhalt thun würden. Mit den leidigen Strafen kommen wir schließlich dahin, daß die Hälfte deS erwachsenen Volkes, wenn nicht in den Casernen, sä in den Gefängnissen lebt. Hoffentlich wird der Reichstag die resormirende Hand an den neuen Eilt- wuxf legen. Üeber das schreckliche Grubenunglück im Plauenschen, Grunde finden wir einen offenbar von fachkundiger „ . ........ - ,...., , . Hand geschriebenen Artikel in der preußischen „Presse", Strafen die Verbrechen doch nicht mindern; sie muß in dem <s unter Anderem heißt: So sehr in Jedem , Lkrundzwanzigster Jahrgang. -