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<r sächsisch« W>rM«r, Wochenblatt kür Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt beo Königlichen Verichtsamte» »nb de» Stadtratheo zu Pifchossmerda. Diel« Zeitschrift erscheint wöchrotlich zwei Mal, Mittwock« und Sonnabend«, und ksstet rinschließiich b«r Gon» abmtz« «rscheiaendm „belletristischen Beilage" vierkeljShrlich iS «g,. Inserate «erden bi« Dienstag« und WMtzOst früh S Uhr angenommen und kostet di« gespaltene Torpurjeile »der der« Slam» 1 Ngr. 20 I Mittwoch, den 11. März. j 1874. Politische Weltschau. Das zweite Auftreten der Elsaß-Lothringer im deutschen Reichstage hat wohl bei Allen, welche noch einer unbefangenen Beurtheiluvg der Verhält nisse fähig sind, einen tiefen und heilsamen Eindruck hinterlassen. Es handelte sich um den Antrag, die außergewöhnlichen Gewalten aufzuheben, welche dem Oberpräsidenten der Reichslande durch Artikel 10 des Gesetzes über die Verwaltung in Elsaß-Lothringen für den Fall einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verliehen sind. Dieser Artikel begründet selbst bei seiner Handhabung noch lange keinen Be lagerungszustand nach französischem Muster. Das „Elsässer Journal" mußte vor Kurzem selbst zuge stehen, daß der Antrag auf seine Aufhebung nicht durch wirklich stattgehabten Mißbrauch jener diskre tionären Gewalten, sondern nur durch die künftige Möglichkeit eines Mißbrauch« motivirt werden könnte. Gleichwohl stellten der Antragsteller, ein katholischer Geistlicher und nach ihm ein Confrater, die Zustände im Reichslandr so dar, als glichen sie denjenigen der im Belagerungszustande befindlichen französischen Departements — eine Darstellung, deren Unrichtigkeit in ganz Europa bekannt ist und deren Widerlegung daher nicht schwer siel. Herr Guerber, so heißt der Antragsteller, diente daher den reichsländischen Interessen nicht besser, als Herr Deutsch, obwohl er nicht so ungezogen war, als dieser. Man kann es überhaupt nicht begreifen, auf was die Antragsteller nach der Teutsch'schen Blamage die Hoffnung eines Erfolges für ihr .zweites Debnt gründeten. Hätten sie unter der französischen Herrschaft nicht jedes politische Urtheil eingebüßt, so würden sie ihre NaMen ganz aus dem Spiel gelassen und Herrn Sonnemann mit der riöthigen Anzahl von CeotrumS-Mitgliedern mit der Stellung und Vertretung des Antrags beauftragt habe». Sie würden dabei wenigstens den persönlichen Racktheilen eines weitern FiaSco entgangen sein. Fürst Bismark hielt bei dieser Gelegenheit eine seiner glänzendsten Reden, die weder in Frankreich rioch im Reichslande vergessen und in Deutschland auch diejenigen Politik? bekehrt haben wird, welche etwa roch für eine sonveräne Stellung der annec- tirten Provinzen schivSrtnen. Mr lassen hier den HaqMhast der Rede fotzen, Fürst Bismark: Zu- «anmadtwanzigstrr Jahrg-o». nächst habe ich bei dieser Verhandlung eine gewisse Genugthuung zu constatiren, darüber, daß diese Angelegenheit nicht in Versailles, sondern hier zur Sprache gekommen ist. Ferner ist es ein Compliment für die Reichsregierung, daß sie eine so kräftige Sprache ertragen kann. Wenn etwa annectirtr Rheinländer in Versailles dieselbe zu führen gewagt hätten, so würde weder der Präsident Buffet noch die Pariser Bevölkerung so tolerant sich bewiesen haben. Das französische Publikum würde sicherlich nicht solches ertragen, erinnern Sie sich nur daran, welche UrtheilSsprüche Gerichtshöfen gegen Verbrecher» welche sich an Deutschen ergriffen hatte», abgedrungen sind. Die elsässischen Redner beklagen sich, daß die Reichsregierunz sie nicht so glücklich gemacht habe, als sie wünschten. Wir wünschten zwar auch, sie glücklich zu sehen, aber es war dies nicht eigentlich der Zweck der Annexion. Wir haben auch nicht erwartet, daß die Elsässer sich sobald glücklich fühlen würden. Die Gewohnheit aber wird schön ihre Wirkung üben, nach 200 Jahren werden die Elsässer sich sagen, daß es bei Deutschland doch am Besten ist. Eine weitere Genugthuung ist, daß der Gebrauch, selbst der rhetorische Gebrauch der deutschen Sprache viel vertrauter ist im Elsaß, als es nach den ersten Versuchen schien. Die einfache Einführung deS Belagerungszustandes würde mir eine bedeutende Verantwortlichkeit abnehmen, ich brauchte mich dann nur auf den Willen des commandirenden General» zu berufen. In Frankreich ist man weniger bedenklich gewesen , man hat dort 28 Departements in Bela gerungszustand versetzt, und die Antragsteller würden^ sobald ihr Wunsch nach Wiedervereinigung mit Frankreich erfüllt würde, sofort den Belagerungs zustand in ihrer Heimath haben, und manche Elsässer die Aussicht auf die Vogesen mit der Aussicht auf Lambessa und Neukaledonien vertauschen müssen. Die im 8 10 gewährten Befugnisse sind nothwendig: Reden wie die heut gehörten find im Elsaß seit einem Jahre nicht gehalten, aber sie würden ohne jene Befugnisse gehalten sein. Die letzten Wahle», die Reden und Anträge der Gewählten hier hüben mir jeden Zweifel darüber genommen, daß ich nicht ohne jene Rechte für die Ruhe de» Landes einsteheu könnte. Aber wozu soll die Erbitterung führen, welch« nicht einmal die Verringerung der Steuern und die großen Fortschritte im Schulwesen anerkennen