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BrsclZofSwerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -e» Königlichen Gerichtsamtes »n- des S^täbtrathe» zu PifchofswerdN L»ts« ZMchrifl erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Lonnadeno«, und ksftet einschlietlich »er S»a— «den»« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich >L Stae. Ipserate werde» di« Dienttag« und Kreikag« M«h 0 uhr angenommen und kostet die gespallene Sorputjeile »der deren Raum 1 Rgr. 5. Sonnabend, den 17 Januar ! 874. Die Svcialdemokralie. Der Ausfall ver diesmaligen Reichstagswahlen wird nicht verfehlen, den Socialdemvkraten erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Sind sie doch zu einem Factor herangewachsen, mit welchem der Staat wohl oder übel rechnen muß. Was man bisher unter Socialdemokratie verstand, ist die Lehre, welche Lassalle aufftellte und die darin gipfelt, daß sich die Arbeiter mittelst des Stimmrechts der Gesetzgebung des Staates bemächtigen sollen, um sich den Staat in ihren Interessen dienstbar zu machen. Darnach ist auch offenbar von Seiten ter socialdemokratischen Partei in Deutschland verfahren worden. Mit diesen Zielpunkten hat sie ihre straffe Organisation gefunden und zwar von Nachfolgern Lassalle's, welche in Bezug auf Energie der Partei-DiSciplin viel günstiger als ihr Meister gestellt sind. Denn während Lassalle genug zu thun hatte, erst Gläubige für seine Sache zu erwerben, haben die jetzigen Führer die Gläubigen in Hellen Hausen; die Schlagwörter sind geläufig und die Erfolge ersichtlich. Dank ihrer Organisation haben die Socialdemokraten sich im deutschen Vaterlande schon mehrere Citadcllen ge schaffen und der neue Reichstag wird wahrscheinlich ^egen zwei Dutzend ihrer Männer zu Mitgliedern zählen. Auf den ersten Blick sollte es scheinen, daß die demokratische oder Fortschrittspartei mit der Social demokratie die innigsten Beziehungen haben müsse. Die politischen Zielpunkte beider sind doch im Wesentlichen dieselben. In Vic' Fortschrittspartei, wie wir sie in Männern wie Schulze-Delitzsch, Virchow, Schaffrath ü. s. w. Vertreters finden, hat längst vor dem Auftauchrn der Lassalleaner die po litischen Volksrechte erstrebt , deren sich die deutsche Nation heute erfreut, und die dem Grundsätze Rech nung tragen, daß Jeder, also auch der Arbeiter, die Möglichkeit habe, sich empor zu bringen. Also müßte doch die Socialdemokratie in der Fortschrittspartei ihre Vorhut erkennen und ihr dankbar sein. Dem ist jedoch keineswegS so. Die Svcialdemo- kratle ist viel weniger eine eigentlich politische Partei, denn eiste gesellschaftliche. Wenn der Fortschritts partei fern liegt, bei der Umgestaltung des modernen Staatswesens im Siqste der Freiheit auch gewalt sam in die GesellschaftSverhältstffse, in das Elgenkhum, R tunundjwoniigster Jahrgang. in die natürlich entstandenen Interessen de« Besitzes einzugreifen, so ist cs gerade Hauptzweck der Social demokratie, in dieseo Verhältnissen nach ihren Ideen aufzuräumen. Darum sind ihnen auch Männer, > wie die vorstehend erwähnten, „Bourgeois", und in dem, was sie „Bourgeois" nennen, Haffen sie die Achtung vor Besitz und den bestehenden Gesellschafts verhältnissen. Es ist dabei eine alte Erfahrung, daß verwandt« Parteien sich viel erbitterter bekämpfen, wie die gegensätzlichsten. Wir werden deshalb auch im Reichstage die Socialdemokraten mit den Ultra montanen und Reaktionären an einem Stricke ziehen, sie aber stets gegen die Fortschrittspartei Front machen sehen. Die liberalen Parteien erstreben Aushebung aller Privilegien, vollständige Freiheit des Individuums, Aufhebung des Staatsbegriffs im Sinne einer Ver sorgungsanstalt für einzelne Claffen. Da« will die Socialvemokratie aber gerade nicht; siewill vielmehr dem Proletariat das Privilegium verschaffen, Gesetze zu machen und den Staat als Domäne benutzen; sie will nicht Freiheit für Alle, damit Jeder sorgen könne, wie er fortkomme, sondern sie erstrebt die Herrschaft über die anderen Claffen der bürgerlichen Gesellschaft. Die meisten unserer Staatseinrichtmigcn beruhen auf Gleichberechtigung ; alle Bürger sind vor dem Gesetze gleich; Adel, Bürger und Arbeiter unter stehen ein und demselben Richter. Unsere Aufgabe kann nur sein, darüber zu wachen, daß nicht neue Bevorzugungen und Vorrechte dje durch das Staats grundgesetz gewährleistete Gleichberechtigung schmälern und gefährden, sondern daß dieselbe immer cvrrecter zur Anwendung komme. In all' diesen Bestrebungen sind die Social demokraten unsere Gegner. Wir gehören durchaus nicht zu Denen, welche behaupten, es gebe im Staate und in der Kirche nichts zu verbessern; allein gesellschaftliche Formen, die sich im Laufe von Jahr tausenden gebildet, lassen sich nicht plötzlich ,auf den Kopf stellen, So sehr wir uns^ jeder geistige» Be wegung erfreuen, so wenig Verstand vermögen wir in der socialdemvkratischen Arbeiterbewegung zu er blicken. Noch weniger im Gebrauche ihrer Agitation«- mittel. Dir erinnern nur an die Arbeitseinstellungen. Jeder Mensch mit gesunden fünf Sinnen mutz einsehen, daß der Einzelne den Werth seiner Arbeit