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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 12.08.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190208124
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19020812
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19020812
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1902
-
Monat
1902-08
- Tag 1902-08-12
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Monat
1902-08
-
Jahr
1902
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Herzog von Devcnshire trug die Krone, der Marquis von London- derry da« Schwer!; sie waren begleite! von dem Premierminister Balsour und gefolgt von dem Lord-Kanzler und dem Herzog von Fise. Der Erzbischof von Canterbury nahm inzwischen seinen Platz mit dem Angesicht gegen das Schiff ein. Die Königin, deren Schleppe von acht Pagen getragen wurde, nahm aus dem Throne der Königin Platz und wurde von den Schülern von Westminster mit dem Ruse: »Vivat Regina Alexandra" begrüßt. Alsdann kündigte die Musik die Ankunft de« König« an, der von der Versammlung, die sich erhoben hatte, mit dem Ruse: »Vivat Rex EduarduS" begrüßt wurde. Der König trug den Königlichen Staatsornat und war begleitet von Edelleuten, welche die Regalien trugen, und von anderen Würdenträgern. Der König schritt alsdann auf den im Vordergrund de« Throne« be findlichen für ihn bestimmten Sitz zu, verbeugte sich vor der Königin und kniete zum Gebet nieder. Hieraus sand die Zere monie der Rekognition unter wiederholten stürmischen Zurufen und schmetternden Fanfaren statt. Alsdann folgte die Kommunion. Der König hörte die Verlesung des Evangeliums stehend an, gab während der heiligen Handlung seine Antworten mit fester Stimme ab und vollzog alsdann die Unterzeichnung de« Eides. Die Krönung der Königin erfolgte um 12 Uhr 56 Min. Als die Krönung beendet war, erhob sich die ganze Versammlung und ries: „Gott erhalte den König und die Königin"! Die heilige Handlung war kurz nach 1 Uhr beendet. Nach Schluß des Gottesdienste« fiel ein leichter Regenschauer, der jedoch nach einigen Minuten wieder aushörtc. Da« Königspaar verließ um 2 Uhr 6 Min. die Abtei, von der Volksmenge wiederuin mit begeisterten Zurufen begrüßt. — Von maßgebender Seite wird gemeldet, daß der König die Feier vorzüglich überstanden hat ohne Ermüdung zu zeigen, daß sein Aussehen gut und sein Be finden ausgezeichnet ist. — Belgien. Der Burcngcneral Lukas Meyer ist am Freitag in Brüssel an einem Herzleiden plötzlich gestorben. — Spanien. Der König ist am Freitag in Leon ein- gctrofien. Während der Reise zersprang in dem Tunnel von LivarcS die Thür des Waggons des Königs und rief vorüber gehend Beunruhigung hervor. Der König verließ den Wagen und stellte selbst den Zwischenfall fest. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Von Hrn. Ernst Horbach, Betriebs- Sekretär an der Staatsbahn in Dresden, ist uns folgendes Schreiben zugegangen, welche« wir hiermit gern zur Kenntniß unserer Leser bringen: „In Ihrem geschätzten Blatte brachten Sie kürzlich die Mittheilung, daß in der Nähe von Schwarzenberg und von Schöneck die einzigen Stellen seien, wo bis jetzt im Erzgebirge und Vogtlande Leu chtm oos entdeckt worden ist. Ich bitte Sie, geehrter Herr Redakteur, meinen l. rändSleuten in einer der nächsten Nummern Ihres Blatte« bekannt zu geben, daß e« auch in unmittelbarer Nähe von Eibenstock Leuchtmoos giebt. Ich sand es, als ich vor Kurzem wieder einmal wie in meiner Kindheit, die herrlichen Wälder meiner l. Vaterstadt kreuz und quer durchstreifte, im Dönitzgrunde und zwar in dem alten BergwerkSslollen, welcher in der Richtung nach CarlSfeld links an der neuen Grundstraße (wenn ich nicht irre, bei Abth. 13) liegt. Vom 'Neumarkt au« ist die Stelle in einer halben Stunde bequem zu erreichen. Wer nicht in den Stollen hinabsteigen will, sicht das MooS am besten, wenn er sich am Eingänge ein wenig bückt. Da der schillernde Glanz des Mooses durch Be rühren leicht zerstört werden kann, so wäre es am Platze, wenn die Reviervcrwaltung oder der dortige Gebirgsvcrein Schutz vorrichtungen anbringen ließe. Als solche empfehle ich eine Schranke direkt vor dem Stollen und eine dergleichen vor dem Moose selbst in m Abstand. Geeignete Vorrichtungen zur Verhütung von UnglückSsällen machen sich ebenfalls nöthig." — Eibenstock. Auf ein an Se. Majestät König Georg anläßlich allerhöchstseineS Geburtstages vom König!. Sächs. Militär-Verein hier abgesandtcS Telegramm ist folgende« Antwort telegramm eingcgangen: Schloß Pillnitz, 8. August IÜ02, Nachmittags 2,g,. Ich danke herzlich für die Mir zugesandten freundlichen Glückwünsche. gez. Georg. — Dresden. Gleichzeitig mit den beiden Amnestie- Erlassen Sr. Majestät de« König« meldete das Dresdner Journal, daß der Freudentag de« sächsischen Volke« überdies dazu auSersehen worden, auch andere Gnadcnerweisungen mehr für zu längerer Freiheitsstrafe Verurihciltc eintretcn zu lassen, nament lich auch für solche, die wegen MajcstätSbeleidigung Gefängniß- strase verbüßten. Dieser Satz ist vielfach dahin verstanden worden, daß noch weitere Gnadcncrweise geplant seien. Dem ist jedoch, wie der Herr Justizministcr I)r. Otto in einem Schreiben an die „Dresdner Nachrichten" klarstcllt, nicht so; die betreffenden Gnadenerweise sind vielmehr schon seit einiger Zeit vorbereitet gewesen und ebenfalls am Geburtstage Sr. Majestät bereits in Kraft getreten. Da zu befürchten ist, daß die erwähnte irrthüm- liche Auffassung den Erfolg haben könnte, Angehörige von Ver- urtheilten zu schleuniger Einreichung von Gnadengesuchen zu ver anlassen, die dann unberücksichtigt bleiben müßten, fei besonders hieraus aufmerksam gemacht. - Die „Post" schreibt: „Wie ernst es König Georg mit seinen Regentcnpslichten nimmt, erhellt u. A. aus folgendem Vor gänge, der jetzt erst in weiteren Kreisen bekannt wird: Es war in den ersten Tagen nach seiner Thronbesteigung, als ihm seine Räthc einige Erlasse zur Vollziehung verlegten, die der König abzuändern für nöthig hielt. Die« wurde aber für unmöglich erklärt, weil diese Erlasse schon in« Land gegangen, ja sogar bei den amtlichen Blättern schon im Drucke seien. Da machte König Georg die Herren mit unverhohlener Mißbilligung aus da« Un statthafte ihre« Verfahrens aufmerksam und erklärte ein für alle Mal, daß er nie und nimmermehr als bloßer „Jasager" seinen Namen unter die Entwürfe seiner Räthc setzen, sondern selbst in allen wichtigeren Fällen die Entscheidung treffen wolle." — Pillnitz, 8. August. Der heutige 70. Geburtstag Seiner Majestät de« Königs Georg wurde im Hinblick auf die Trauer der Königlichen Familie in keiner Weise offiziell gefeiert. Bi« gegen 12 Uhr waren weit über 1000 Depeschen eingetroffen; allen voran ein lange«, in herzlichen Ausdrücken gehaltenes Telegramm Kaiser Wilhelms, da« der König sofort beantwortete. — Zwickau, 8. August. Die erste Ferienstraskammer als Berufungsinstanz verhandelte heute wider die 40 Jahre alte, mehrfach vorbestrafte Wirthschafterin Minna Hulda verehel. B. geb. Sch. in Eibenstock wegen Körperverletzung. Dieselbe, welche der Ansicht war, daß die TambourSehefrau Zimmermann dort falsche Gerückte über sie verbreitete, ließ sich hinreißen und be arbeitete die Zimmermann mit einem großen und starken Holzriegel dermaßen, daß dieselbe zu Boden stürzte und eine stark blutende Wunde am Kopf davontrug. Sie erhielt deshalb von dem Kgl. Schöffengericht zu Eibenstock 3 Monate Gcsängniß zuerkannt, bei welcher Strafe e« zu bewenden hat, da ihr Rechtsmittel ver worfen wurde. — Zwickau. Die Ironie eine« Konkurse« wird durch nachstehenden Vorfall, der einer hiesigen Firma passirte, in ein Helles Licht gesetzt. Die Firma hatte bei einem in Konkurs gerathenen Geschäftsmann in Erfurt Forderungen in Höhe von 89,,i M. Der Konkursverwalter theilte nun auf einer Postkarte mit, daß er zur Begleichung der Gcsainmtschulden von 166 824 M. nur 82,«» M. zur Versügung habe, was gerade 0,»» Prozent auSmachr. Aus der Postkarte, die im übrigen als Drucksache befördert wurde, war weiter zu lesen: Ich kann Ihnen leider da« Percipiendum von 05 Pf., welche« aus Ihre Forderung von 89,»« M. entfällt, nicht zusenden und betrachte ich den Gegenstand durch diese Karte erledigt." Zum Glück war also doch noch soviel vorhanden, daß die Gläubiger wenigstens eine Postkarte für drei Pfennige erhalten konnten. — Schneeberg, 8. August. Se. Majestät der König hat sich bereit erklärt, da« seiner Zeit al« Prinz übernommene Protektorat über den E r; g cb i r g« v e re i n beizubc- haltcn. Diese Allerhöchste Entschließung, von der der Vorsitzende im Gesammtvorstandc de« Erzgedirgsverein», Herr Seminarober lehrer Möckel in Schneeberg aus sein Gesuch vom Ministerium de« Königlichen Hauses in Kenntniß gesetzt worden ist, wird im gcsammten, gegenwärtig fast 8000 Mitglieder zählenden Erzge- birgSverein mit großer Freude ausgenommen werden. — CunnerSdors b. Hainichen, 7. August. Gestern Nach mittag hat eine im hiesigen Orte ausgetretene Windhose nicht unbedeutenden Schaden angericktcl. Von einem Gebäude de« Gutsbesitzers Spindler wurde da« Dach abgehoben und in das Gehöst geschleudert. Spindler, welcher sich gerade im Gehöft befand, wurde von dem niederstürzcnden Dache getroffen und zu Boden geworfen. Hierbei erlitt derselbe einen doppelten Bein bruch. Von einem Nachbargute wurde ebenfalls das Dach abge hoben und herunicrgcfcgt. — Den z w e i t L l t e st e n jetzt noch lebenden ehemaligen sächsischen Soldaten nimmt heute der Kgl. sächs. Militär verein für Pausa und Umgegend in Anspruch. Er hat ein Mit glied in seinen Reihen, ras am 2. Februar 1814 geboren ist und von 1835— 1840 beim 3. Jnsl.-Rcg. Prinz Georg gedient hat. Der alte ehemalige Soldat heißt Johann Adam Kopp; er ist noch so rüstig, daß er in einen KicSbruch auf Arbeit geht. — Beim Herannahen der militärischen Herbst üb ungen wird dringend empfohlen, Postsendungen sür die an den Hebungen thcilnehmenden Offiziere und Mannschaften nicht nach den in kurzen Zwischenräumen wechselnden Marsch quartieren, sondern stet« nach den ständigen Garnisonorten zu richten, da nach den postseitig getroffenen Maßnahmen die schleunige und richtige Zuführung der Sendungen an die Empfänger aus solche Weise am besten gesichert ist. Ferner ist es unumgänglich nothwendig, in den Aufschriften der Postsendungen an alle im Manöver befindlichen Milstärpersonen (Mannschaften sowohl wie Offiziere und Einjährig Freiwillige) außer dem Familiennamen auch den Dienstgrad und Truppenthcil (Regiment, Bataillon, Kompagnie, Eskadron, Batterie n. s. w.) genau anzugeben, falls nicht unerwünschte Verzögerungen in der Uebersendung eintretcn sollen. Außerdem hat eS vielfach zu llnzuträglichkeiten geführt, daß solche Postsendungen an Offiziere und Einjährig-Freiwillige, für welche die Postverwaltung Gewähr leistet — also Pallete, Postanweisungen, Werthbriefe u. s. w. — mit der Bezeichnung „postlagernd" bei den im Manövergelände belegcnen Postanstalten eingehen. Bei der Abholung derartiger Sendungen ist sehr häufig der Mangel an genügenden AuSweispapicrcn festzustellen gewesen, wodurch sür die Empfänger vielfach Weiterungen ent standen sind. — Neudek, 7. August. Ein gräßlicher Unglücks fall ereignete sich am Montag auf der hiesigen Herrschaft. Ein Holzhauer gerieth beim Spalten eine« Stocke« mit der Hand in die Spalte, wahrend der eingetriebcne Keil zurücksprang, sodaß die Hand vollständig eingeklemmt wurde. Von den gräßlichsten Schmerzen gequält, schrie der BedanernSwerthe um Hilfe, die ihm aber Niemand bringen konnte, da Personen nicht in der Nähe weilten. In der Verzweiflung ergriff der Arbeiter die Hacke und trennte mit einem Hiebe die Hand von dem Arme. Die Folge die'er Verstümmelung war eine Verblutung, die den Tod de« Unglücklichen herbeisührte. K i n d e r k e r ö l i ch k e i t. Bon Vr. meä. H. Nossen. IV. Krämpfe. (Schluß.) Der größte Schrecken der Eltern sind Vic Krämpfe der Kinder, die meistens das erste Mal ganz plötzlich und uner war. et eintrcten, und zwar meist während des Schlafes. Ein Wimmern und Stöhnen de« Kindes weckt die Mutter, und wenn sie nach dem Kleinen sicht, bictet sich ihr cin erschreckcn- dcs Bild. Das Kind verdreht die Augen, die Gesichtszügc sind verzerrt. Arme und Beine zucken, das Körperchen wird erst hin- und hcrgeschlcudcrt, bis es zuletzt starr daliegt und nur das Zucken der Lippen den Schaum vor dein Munde anhäuft. Zn der Regel erfolgt ain Ende eines solchen Krampf anfalles Erbrechen oder Abgang von grünlichem Stuhlgange init vielen Winden. Ein solcher böser Anfall dauert oft zehn Minuten und kehrt nicht wieder. Manchmal aber wiederholt er sich mehrere Male nach kurzen Ruhepausen. Bisweilen kündigen sich Krämpfe schon mehrere Tage vor ihrem Aus bruche an. Die Kinder sind dann verdrießlich, sehr reizbar wechseln oft die Farbe, sehen blasser aus als gewöhnlich und bekommen ein gedunsenes Gesicht. Bemerkt man diese Vorboten, so verhindert inan Veit Ausbruch oft, indem man zeitig den Arzt nist. Dauert ciu Krampf ohne Unterbrechung bis zu seiner Beendigung fort, so nennt man ihn tonisch; tritt er aber in Intervallen, also stoßweise auf, so nennt man ihn klonisch oder konvulsiv. Zu den letzteren gehören die Krämpfe der Kinder, daher man sic auch Konvulsionen, Zuckungen oder Schäuerchen nennt. 'Nicht nur im Schlaf, auch bei Tage, beim Spiel, können diese Konvulsionen bei den Kleinen nch einstellen. Krämpfe sind stets eine Erscheinung, welche die Eltern besorgt um die Gesundheit ihres Kindes machen müssen. Es liegen denselben die verschiedenartigsten Ursachen zu Grunde, als Reizbarkeit de? Nervensystems, heftige Schmerzen, Krank heiten des Kopfes, der Luftröhre oder des VerdauungSappa- ratcS. 'Am meisten werden die Kinder von Krämpfen heim gesucht, deren Mütter selbst zu Krampfanfällen neigen. Verzärtelung, Verweichlichung und Diätsehlcr find die häufigsten Ursachen dieses Leidens. Der Arzt aber findet nicht selten eine schwierige Aufgabe, wenn er den Grund der Krämpfe bestimmen soll; und doch ist dieses unbedingt noth- wcndig zur Heilung und Verhütung derselben. Um lo mehr müssen die Eltern fich hüten, mit angepriesenen Univcrsalheil- mitteln cingreifcn zu wollen. Es giebt überhaupt keine Uni versalheilmittel, am allerwenigsten gegen Leiden, die an sich gar keine Krankheit sind, sondern nur die Begleiterscheinungen anderer Krankheiten, ivie es bei den Krämpfen auch der Fall ist. Bevor der Arzt da ist, können lauwarme Bäder, Ein reibungen des Leibes mit Oel, Klysticre von Kamillenthee angewandt werden, die in den meisten Fällen allein schon helfen. Ein Aberglaube ist es, daß man Kinder ivährend der Krämpfe nicht anfassen oder anheben dürfe, weil sie sonst steife ober krumme Glieder bekämen. Rian bringe das von Krämpfen erfaßte Kind nur ruhig in ein warmes Bad und reibe sanft den Leib, es verliert dadurch sicher nicht seine ge raden oder gelenkigen Glieder. Hat man nicht schnell genug ein warmes Bad zur Hand, so lüfte man den Kleinen wenigstens sofort Windeln oder Kleider. Ist der Blutandrang zum Kopfe sehr stark, so daß das Gesicht roth und gedunsen aussieht, die Lippen sich bläulich färben, so sind kalte, wenn möglich eiskalte Unischläge auf Stirn und Kopf angebracht. Tritt unter tiefem Einathmen fester Schlaf ein, so ist die Lebensgefahr überwunden. Da es schwer ist, die Ursache der Krämpfe genau und bestimmt fcstzustcllen, so arbeite man ans eine allgemeine Stärkung des Organismus hin. Dabei verfahre inan aber höchst vorsichtig. Man hält gewöhnlich jene Kinder für schwach, die eine lymphatische Konstitution haben, das heißt eine seine weiße Haut mit blauen durchscheinenden Adern, dünne zarte Muskeln und geringe Fettablagerung haben. Allerdings haben jene Kinder schwache Muskeln und kein zu eisenhaltiges Blut, aber bei ihnen ist meistens ein wichtiges Organ über mäßig entwickelt, das ist das Gehirn. Es ist die Regel, das solche schwache, lymphatische Kinder einen starken Kopf haben, keinen sogenannten Wasserkopf, sondern einen gesund ent wickelten Verstandssig. Um solchen lymphatischen Kindern kräftige Muskeln, ein gesundes Aussehen zu verleihen, wird ihnen ost von übersorgten Eltern zu kräftige Nahrung, ja früh selbst Wein und Bier gereicht. Das ist eine höchst ge fährliche Sache. Wenn das Sprichwort schon sagt: „Kluge Kinder werden nicht alt", so drückt das Wort damit richtig, die Häufigkeit und Gefahr der Gehirnerkrankungcn bei solchen Kindern ans. Diese Gefahr aber verdoppeln jene Eltern, welche solche Kinder mit Gewalt stark und gesund machen wollen und dabei, in gutem Glauben allerdings, die gefähr lichsten Mittel anwcnden. Bei solchen Kindern ist Fleischkost und spirituoses Getränk nicht angebracht, sondern mehr Pflan zenkost Und reizlose Nahrung. Es giebt allerdings eine Art von lymphatischer Körperbeschaffenheit, wo es umgekehrt ist, das ist bei jenen lymphatischen Kindern der Fall, welche nicht leicht reizbar, welche dumm und langsam sind. Will man für die reizbaren und klugen lymphatischen Kinder den richtigen Weg zur Abhärtung und Stählung ein schlagen, so schicke man sie recht oft und sehr lange in die frische Luft und in den Sonnenschein: dort lasse man sie in frühester Zeit hcrumtragen, später hcrumlaufen und spielen. Frische Luft, Sonnenlicht und körperliche Arbeit sind und bleiben stets Vie besten Hebel der Gesundheit und Körperkrasl. Darum sind die Landleute auch so kräftig und die Fabrik arbeiter so schmächtig, trotzdem die ersteren oft wochenlang kein Fleisch zu essen und kein Bier oder keinen Wein zu trinken bekommen, ivährend dem großstädtischen Fabrikarbeiter es nicht an dergleichen Nahrungsmitteln fehlt. Die reizbar-lymphatischen Konstitnlionen werden in der Regel alt, trog ihrer schwachen Körperbeschafsenheit. Das liegt darin begründet, daß diese Konstitution sic zu einem enthaltsamen, soliden Leben zwingt. Diese Enthaltsamkeit, diese aufgczwungcne Diät aber lohnt sich durch ein langes oft segensreiches Leben, während manche starke Konstitution sich durch Unmäßigkeit und Neberanstrengung ein frühzeitiges Ende bereitete. Zum Schluß nochmals Vie Mahnung: „Wer gesunde Kinder haben will, muß selbst gesund sein. Nichts erbt sich in unserer Zeit so verhängnißvoll und häufig fort, wie die sogenannten EntbchrungSkrankheiten, Skrofeln, Bleich sucht, Nervenschwäche und Schwindsucht." Durchgefochlen. Novelle von L. Haidheim. <1S. Fortsetzung.: „Ich bin viel gereist," sagte der »Doktor" halb lachend, halb wchmüthig, „denn Sie begreifen, daß die Reisekosten mich dabei nicht ängstigen konnten. Ich habe ol>i Imgümck. — In decke I-rnnee, - die Schweiz und Italien gesehen — und es ist wahr, — ich kam Sann zurück, ganz erfüllt von all' der Größe und dem Glan; jener Länder — und dennoch — wohin mich meine Füße dann trugen, sei e» durch Westfalens reich bebauten, in echt altdeutscher Eigenartigkeit noch erhaltenen „Bauerschaften", sei es an den Usern de« stolzen, herrlichen Rheins, — mochte ich durch die stillen grünen Harzberge pilgern und der Romantik längst vergangener Zeiten lauschen, welche dort dem Wanderer wie etwa« diesen Wäldern Ureigene» in dem Rauschen und Rau nen derselben zugetragen wird, oder im lachenden Thüringen dem Singen und Klingen alter und neuer deutscher Herrlichkeit die Seele hingcben, — immer, immer wieder hatte ich das Gefühl, so viel Lebenskraft, so feste« Mark und solchen Mutterboden hat kein anderes Volk und wir sollten wohl —" »Aber, sehen Sie," unterbrach er sich dann, »da bin ich wieder bei dem unseligen „Ich", — denn nun liegt doch die Thatsachc zu unabweisbar nahe, daß ich — zu denen gehöre, denen Liebe keine Thal — keine Frucht brachte." Und nun war'« sür eine Weile wieder vorbei mit dem ruhigen Geplauder. Tief unglücklich schritt er neben Stürmchen her; sein Gang wurde dann müde, seine Haltung schlaff und seine Züge alt und abgespannt, bi« irgend ein äußerer Anlaß ihn plötz lich aufrüttclte und ihn dann in seine groteske Lustigkeit umschlagen ließ. — Aber Stürmchen kannte ihn jetzt schon, er wußte schon, daß hinter diesen tollen Sprüngen seiner Laune und Phantasie cin verzweifelnde« Herz in unfruchtbarer Reue schrie und weinte. Jedoch derartige Scencn wurden immer seltener; eine klare, friedliche Stimmung war mehr und mehr die herrschende, und die Peinlichkeit jener Selbstanklagen schwächte sich auch mit der Zeit sür Stürmchen ab, oder dieselben wurden in der That weniger leidenschaftlich. Es sand sich selbstverständlich oft der eine oder andere Reisegefährte zu ihnen, aber die Beiden wußten sich stel« bald möglichst davon loszumachen, und da sie längst jene Gegend »er lassen hatten, in welcher der „Doctor" seit Jahren eine bekannte und beinahe populäre Erscheinung war, so zogen sic auch viel unbehelligter ihre Straße. Von dem Fechten abgesehen, welche« nach wie vor Stürm chen auf da« Empfindlichste demüthigte, war diese« Wandern eine in jeder Hinsicht interessante Fußrcise durch einen der schönsten und wenigst bekannten Theile de« deutschen Baterlande». Wenn
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