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— Schönheide. Die Renovation unseres Gottes hauses geht ihrer Vollendung entgegen. So Gott will, soll die Einweihung am 22. März eisolgen. Daher dürste auch die Zeit gekommen sein, auf die neue Gestaltung desselben einmal hinzuweisen. Der Raum wird mittels Niederdruckheizung er wärmt. Daß dieselbe sehr gut sunktioniert, zeigt die angenehme Temperatur, welche bereits während de« Baues in der Kirche herrscht. Die Kanäle ziehen sich unter den Bänken hin, welche aus den Podien stehen. Die Treppenanlagen, welche der gegebenen beschränkten Raumvcrhältnisse halber eine schwierige Lösung waren, sind aus Eisen und Stein konstruiert. Die von Empore zu Empore führenden Wendeltreppen sind durch Podeste unterbrochen, wodurch ein sicheres Gehen ermöglicht wird. Die Eingänge sind um 2 vermehrt worden, es sind demnach deren 7. Der Altar platz ist von einer Graniteinfassung abgeschlossen. Hinter dem Altar befindet sich die Sakristei, darunter die Heizungsanlage. Der Altar selbst ist in seiner früheren Form beibehalten. Letztere bekundet, daß derselbe aus einer späteren Zeit stammt, der Bau stil weist aus da» Jahr 1830 hin. Ueber dem Altar ist die Kanzel. Zu beiden Seiten derselben sind die Belstübcheu der Freigüter Schönheidcrhammer und Ncuheide. Sonst wird noch die Ostseite durch Antragarbcit belebt. Als Motiv hat man eine mit Ornamentik künstlerisch umrahmte Sonne, deren Strahlen teilweise vergoldet sind, gewählt. Die ganze Westseite bietet in ihrer Gesamtheit ein durch architektonische Linien verziertes an mutige« Bild, welche« durch den auSgebrcitcten Orgclprospekt noch vorteilhaft gehoben wird. Da« Orgelwerk selbst ist aus der Fabrik der Gebr. Jchmlich in Dresden hcrvorgegangen und besitzt 40 Re gister. Die Luft wird durch elektrischen Motor erzeugt. Nament lich machte bei der Aufstellung die Unterbringung der Bälge Schwierigkeiten. Auf der l. Empore sind die ehemaligen Ka pellen ihrer charakteristischen Merkmale und architektonischen For men wegen geblieben. Sic haben einen lilaen Anstrich. Aus drücklich sei hier noch bemerkt, daß zu denselben jetzt jedermann Zutritt hat. Die Emporbänke sind durch Podien erhöht, unter ihnen liegen ebenfalls Heizungsrohre. Die Fenster haben Kathc- dral Glasung erhalten. Diese Art Glas hat den Borzug. daß das selbe bei trüber Witterung ein bestimmtes Weiß behält. Die Decke der Kirche ist ein Muldengewölbc und nach dem Rabitz- schcn Verfahren auSgesührt. Ring« herum zieht sich über dem Hauptsim« eine frei eingetragene Balustrade hin, welche durch liegende ovale Fenster unterbrochen wird. Sie haben gleichfalls Kathedral-Glasung und versprechen, in ihrer Lichtspcndung gut zu wirken. Im Schisse haben die Granitsäulen ihre natürliche Farbe wieder erhalten, sie sind von dem schmutzigen Anstrich be freit. Die Holzbrüstungen sind mit einer Hellen Orangesarbe versehen. Die Bänke erhalten die Farbe der Kapellen. Im un teren Teil de« Schiffe« erhalten die Wände Holztäfelung, wa« wesentlich zur Belebung beiträgt. Der Fußboden besteht aus Terrazzo. Sonst ist man bestrebt gewesen, die alten Kunstformen zu erhalten und hat sich die dazu gekommene Arbeit der alten angepaßt, doch ist der moderne Baustil zu erkennen. — Schönheide. Vergangene Woche entleibte sich hier der 42jährige Schlosser B. in der Achtzig. Derselbe hinterläßt seine Ehefrau und 2 Kinder. — Sosa. In der KirchMvorstandS - Sitzung, Donnerstag, den >9. Februar c., ward HeMl Gemeindevorstand A. Heinrich Frölich in Sosa für seine ca. 30-bezügl. 27jährige ersprießliche Tätigkeit im Dienst der Kirche als Kirchenvorstand und Kirch kassierer eine Anerkennungsurkunde vom Evang.-luth. Landes konsistorium durch den OrtSpfarrer mit Glückwünschen von der Kirchen-Inspektion und de« gesamten KirchenvorftandeS in feier- sicher Weise überreicht. — Dresden, 20. Februar. Im Königl. Finanzministerium wird zur Zeit lebhaft an der Herstellung des Staatshaushalts etat« auf Vic Finanzperiodc 1904 1905 gearbeitet. Hierbei wird überall bei den einzelnen Positionen auf die größtmöglichste Spar samkeit geachtet und der außerordentliche Etat wird voraussichtlich weit niedriger sein, al« in den letzten Jahren, denn e« werden in ihm nur die allcrnötigstcn Beträge und die Folgen früher bewilligter Raten ausgenommen. Außer dem Rechenschaftsbericht aus die Finanzperiodc 1900/1901 wird den Ständen voraussicht lich auch noch ein vorläufiger Abschluß der ablaufcndcn Finanz periode unterbreitet werden. — Dresden, 21. Februar. Da« »Dresdner Journal" schreibt: Wir haben gestern die Notiz gebracht, daß in dem Ehe- scheidungSprozeß Sr. Königl. Hoheit de« Kronprinzen gegen Höchstseine Gemahlin der Vertreter der vormaligen Frau Kron prinzessin Widerspruch gegen die Veröffentlichung de« Urteils nebst Begründung erhoben habe. In einigen hiesigen Tageszeitungen wird letztere« heute in Abrede gestellt. Wir sind demgegenüber zu der Erklärung ermächtigt, daß die Re gierung nach den ihr gewordenen Informationen annehmen mußte, daß ein solcher Widerspruch, wenigsten« vorläufig, ausge sprochen sei. — An anderer Stelle veröffentlicht da« „Dresdner Journal" folgende Zuschrift de« Rechtsanwalt« Ur. Feliz Bondi: Ihre gestrige Mitteilung, der Rechtsvertreter der ehemaligen Kronprinzessin habe ausdrücklich Einspruch gegen die Veröffent lichung der Urteilsbegründung erhoben, ist insofern nicht zutreffend, al« ich auf eine diesbezügliche Frage nur etwa folgende« erklärt habe: Däfern eine Veröffentlichung de« Urteil« in seinem vollen Umfang erfolgen sollte, ohne daß ich in meiner Eigenschaft als Prozeßbcvollmächtigter der ehemaligen Frau Kronprinzessin um meine Zustimmung hierzu befragt würde, so könne ich hiergegen nicht« machen, c« sei dann eben eine einseitige Veröffentlichung, welche ohne Zustimmung der Gegenpartei erfolge. Werde ich aber ausdrücklich um meine Zustimmung befragt, so könne ich eine solche nicht erklären, ohne zuvor bei meiner Frau Vollmachtgeberin anzufragcn. Mindesten« müsse abgcwartet werden, bi« die ehe malige Frau Kronprinzessin in den Besitz der Urteilsausfertigung gelangt sein werde, damit sic zu der Frage der Veröffentlichung der Urteilsbegründung Stellung nehmen könne. Im übrigen könne ich nicht verhehlen, daß ich grundsätzliche rechtliche Bedenken da gegen habe, ein in einer Ehesache in geheimer Gerichtsverhandlung ergangenes Urteil zu veröffentlichen. Ich ersuche Sie hierdurch, Ihre gestrige Mitteilung im Sinne meiner vorstehenden Dar legung richtig zu stellen. Hochachtungsvoll l)r. Felix Bondi, Rechtsanwalt. — Zwickau, 20. Februar. Strafkammer III. In einer das Leben gefährdenden Weise hatte der 39 Jahre alte Maschinen sticker Ernst Hermann St. in Eibenstock au« Anlaß eine» Wortwechsel« seine Ehefrau mißhandelt, indem er dieselbe mit einem schweren Holzhammer dermaßen über den Kops schlug, daß sie bewußtlos zusammcnbrach. Er erhielt heute dafür eine Ge fängnisstrafe von > Jahr und I Monat zucrkannt. Auch wurde er nach Schluß der Verhandlung sofort in Haft genommen. — Plauen i. V., 20. Februar. Zu zwei Jahren Zuchthaus wurde gestern vom Schwurgericht der frühere Am!«straßenmeister Friedrich Hermann Hiller au« Adorf wegen Verbrechen« im Amte verurteilt. Hiller hat sich dadurch strafbar gemacht, daß er zu wiederholten Malen den Straßenwärtern bei gegebene Arbeiter zu privaten Dienstleistungen heranzog und diese Arbeiten al« dem Staate geleistet in die Tagebücher eintrug und vom Staate bezahlen ließ. — Wurzen, 21. Februar. Der Leichnam de« Unter offizier« Eulitz, der am Sonnabend abend, wie berichtet, von der Brücke au« in die Mulde stürzte und ertrank, ist trotz eifrigen Absuchen« einer großen Strecke der Mulde bi« heute noch nicht gefunden worden. — Auerbach. Da« königl. Amtsgericht Hierselbst ver urteilte drei in Aue beschäftigte junge Burschen im Alter von 16 bi« 18 Jahren, welche in der Nacht vom l l. zum 12 September vorigen Jahre« an der Morgenrölhe-Rautenkranzer Staatsstraße drei granitne Prellsäulen gewaltsam hcrauSgerissen hatten, zu sich« Wochen bez. einem Monat Gefängnis. Mögen sich die« andere junge Burschen zur Warnung dienen lassen, die in der Zerstör ung von Sachen, die dem öffentlichen Nutzen dienen, oder in der Beschädigung von Bäumen ein besondere« Heldentum zu betätigen glauben. — Rodewisch, 20. Februar. Vorgestern nacht V,l2 Uhr ist der 82jährigc GutSauSzllglcr Ungethüm in Herlagrün in seiner Wohnung erstickt aufgesunden worden. E« ist anzunehmcn, daß der Verstorbene mit einem brennenden Spahn, welchen er zuni Leuchten benützte, in einen Wäschekorb gefallen ist und die Wäsche anglimmle. Durch den entstandenen Rauch ist Ungethüm, welcher auch im Gesicht und an den Händen Brandwunden davontrug, sich aber infolge Altersschwäche nicht selbst Helsen konnte, erstickt. — O l b e r » h a u, 20. Februar. Einen teuren Spaß erlaubte sich unlängst ein Mitglied der hiesigen Pflichtfcuerwehr. Der Betreffende war zu einer Ucbuug in Zylinder, Frack, weißer Weste und weißen Handschuhen erschienen. Die« wurde al« eine Verächtlichmachung einer behördlichen Anordnung angesehen. Der Spaßmacher wurde mit 50 Mar! Geldstrafe belegt, und diese Strafe wurde vom Schöffengerichte sowohl al« auch vom Land gerichte Freiberg, die in dieser Sache al« Berufungsinstanz ver handelten, bestätigt. — Burkersdorf, 20. Fcbr. Ein gemeines Buben stück wurde heute nacht hierorts verübt, indem durch Brand stiftung die unter dem Protektorate de« ErzgebirgSzweigvcrein« Kirchberg von Herrn Gutsbesitzer und derzeitigen Gcmcindevor- stand Brctschneidcr erbaute, ihrer Nebergabc an die Oeffentlich- keit harrende „Königin Carola-Warte" in Flammen ausging. Bis auf den massiven Unterstork ist der schmucke, insgesamt 15 Meter hohe Bau verbrannt, ein weithin sichtbare« Flammen zeichen dafür darbietend, daß geradezu nihilistische Naturen auch un ter uns existieren, die buchstäblich mit Brand und Mord positiven Schöpfungen gemeinnütziger Personen und Vereine sich entgegen stellen. Glücklicher Weise steht zu hoffen, daß Gendarmerie und Staatsanwaltschaft durch Festnahme de«, bez. der Täter und Mitwisser bald unseren Ort von der aus ihm lastenden Schmach und allgemeinen Gefahr befreien werden. — Schneeberg, 20. Februar. Die neubegründete Fach schule für Maschinensticker ist hier am Montag durch eine einfache Feier eröffnet worden. Die Anmeldungen von Schülern sind so zahlreich eingegangen, daß dadurch eine Gewähr für die Lebens fähigkeit der Schule gegeben ist. Die Anstalt erhielt Unterstütz ungen vom Königl. Ministerium des Innern, der Stadt Schnee berg, dein vogtl.-crzgeb. Jndustrieverein in Plauen i. B., der Ge meinde Obcrschlcma, de» Fabrikanten in Plauen, Schneeberg, Neustädte! und Obcrschlcma, sowie von der Stickmasckincnfabrik in Kappel. — Wildenfels, 20. Februar. Heule vormittag erfolgte die Ueberführung der wegen Ermordung ihre« Ehemannes im hiesigen Gerichtsgefängnisic in Untersuchungshaft befindlichen, 71 Jahre alten Wilhelmine Härtel von hier an das Zwickauer Untersuchungsgefängnis. — Brambach, 20. Febr. Am Donnerstag vormittag« 8,« Uhr wurde hier wieder ein Erdstoß wahrgcnommcn. Derselbe wurde al« ein schwächerer Stoß, dem fast unmittelbar ein stärkerer folgte, bemerkt. Am 16. Februar, abends 10,- Uhr, ist von vielen eine mit d-nnerähnlichcm Geräusch verbundene dreimalige wellenartige Erdbewegung bemerkt worden. II. K. Die Handelskammer Plauen ist bei dem Königlichen Ministerium de« Innern dahin vorstellig geworden, daß die Ge- sundheitSorganc angewiesen werden möchten, in Zukunft bei Unter suchung von Nahrungsmitteln in allen Fällen zunächst mit Be lehrungen und Verwarnungen vorzuzehen. Hierauf ist der Kammer von dem Königlichen Ministerium de« Innern eine an die Kreis hauptmannschaften erlassene Verordnung vom 6. Dezember 1902 zugeganzen, worin da« Königliche Ministerium im Anschluß an eine Verordnung vom 21. November 1902, die Beanstandung geschwefelten Dörrobstes betreffend, bekannt gibt, daß ihm keine Bedenken dagegen beigehen würden, wenn auch bei der Bean standung anderer Nahrung«- und Gcnußmittel sowie von Ge brauchsgegenständen im Sinne de« ReichSgesetzeS vom 14. Mai 1879, sofern der gute Glaube de» Gewerbetreibenden nicht aus besonderen Grünten anzuzweifeln ist, erstmalig nur mit einer Verwarnung vorgegangcn würde. Auch werde e« sich empfehlen, von Waren, die nicht dein schnellen Verderben ausgesetzt sind, die Proben stet« in solcher Menge zn entnehmen, daß eine Nach analyse durch einen anderen Chemiker ermöglicht wird. Karneval. Kulturgeschichtliche Elizze von Id Hermann Weibel. „Jock log ckeck elan!" (Narr laß den Narren gewähren) tönt c« zur fröhlichen Faschingszeit durch die alten krummen, engen und die neuen gradcn und breiten Straßen de« heiligen Köln. Vermummte Menschen ziehen in langen Zügen durch die Straßen, rauschende Musik erschallt, dazwischen die Pritschen schläge der Bajazzi. Ihre Schellen erklingen an ihren Zipfel mützen und an ihrem ganzen buntscheckigen Gewände, „Jeck los Jeck elan!" Uralt ist die« tolle, ausgelassene Treiben, da« dem nüchter nen, alle« nivellierenden Zuge unserer Zeit langsam, aber un rettbar unterliegt, während c» sich früher auch nicht durch die drakonischsten Gesetze auSrotten ließ. Und fragt man sich nach dem Ursprung dieser Feste, so wollen ihn einige im Orient suchen, bei den Babyloniern und Phöniziern, bei deren Festen zu Ehren ihrer Göttin Astarte e« ausgelassen, ja wüst und roh herging. Ganz sicher aber ist e», daß unser heutiger Karneval, unser Fa sching, von den griechischen Bacchanalien und römischen Satur nalien stammt. ,,Lvoö Hacek«!" schallte e« an den Festen de« Wcingotte«, wcinlaubbekränzte Weiber, Thyrsu-stäbc schwingend, trieben ihr tolle« Wesen mit überinütigem Sang, Gelächter und Geschrei. So die Sage. Später, al« die Gesittung aus eine höhere Stufe stieg, da nahmen an diesen Festen nur Männer Teil. Sie verkleideten sich al« Weiber, wanden sich Weinlaub und Ephcu um die Stirnen, schmückten sich mit Laubgewinden, Bändern und Blumen und umtanzten unter Gesängen und dem Rufe: kvoe Hacek« die Bildsäule de« selig lächelnden Wein spender«. Er war e« ja, der durch die Macht seine« Trauben blute« die Menschen zuerst zum Weinbau, dann zum Ackerbau im allgemeinen und so zur Kultur und Sitte heranzog. So umtanzten denn in Gemeinschaft mit gehörnten Satyrn und Fau nen, auch in Ticrfellc gekleidete Menschen da» BacchuSbild, die jenigen darstellend, die der Gott au« der Barbarei errettet hat. Tanz war die Hauptlustbarkeit bei diesen Festen und so hatten denn auch die Griechen ihren Schlauchtanz. Auf einem Beine stehend, tanzten sie und suchten dann einen aufgeblasenen, mit Oel geglätteten Schlauch zu überspringen, wobei viele zu nicht cndenwollendem Jubel der Zuschauer' zu Falle kamen. — Aber auch feierliche Aufzüge mit religiösem Gesang fanden bei diesem Feste statt. Bald trennte sich der Chor in zwei Teile und so entstand der Wechselgesang, die Strophe und Gegenstrophe. Reden der Chorführer wurden eingelegt und so entstand da» antike Drama ernsten Inhalt». Der Preis, den der Dichter anfangs für da» beste Stück erhielt, war ein Bock (griechisch: tragos) wes halb man ei» solche» Stück später Tragödie nannte. Aus dcni Lande der Kunst, der Grazie und Feinheit wan derten mit der griechischen Kultur auch die Bacchanalien nach Rom. Hier nahmen sie einen derartig ausgelassenen, frechen und rohen Charaktcr an, daß die hohe Obrigkeit sich bald genug ge nötigt sah, mit einem Verbot dazwischen zu fahren. Aber ein andere« Fest, das zu derselben Zeit, nämlich Ende Januar und Anfang Februar gefeiert wurde, war nicht auSzurolten, weil c» in der römischen Kultur wurzelte. E« waren die Saturnalien. Auch hier schon etwas Mummenschanz. Man schwärzte sich da» Gesicht und legte komische kuttenartige Gewänder mit Kapuzen an rind suchte da« Reich de» Saturn»« für ein paar Tage wie der auf die Erde zurückzurusen. SaturnuS war bekanntlich der Gott de« Feldbaues gewesen und halte dadurch, wie Bacchus, den Menschen Kultur und Sitte gebracht. Unter seiner Herr schaft soll allgemeine, soziale Gleichheit unter den Menschen be standen, da« goldene Zeitalter geherrscht haben. Deshalb ruhte an diesen Tagen jede gewerbliche und gesellschaftliche Tätigkeit und die Jugend wurde nicht mit Unterricht geplagt. Sklaven saßen mit ihren Herren zu Tisch und sagten ihnen ungeschminkt und ohne dieserhalb etwa» befürchten zu müssen, die Wahrheit in oft satyrischer und bissiger Weise. Man redete törichte» Geschwätz, spielte und betrank sich. Wo auch da« Christentum in Ausnahme kam, nirgend», bei keinem Volke de« Altertum« hat es die alten Bräuche, die tief im Volke wurzelten, ausrotten können, und wo seine Verkünder klug waren, da knüpften sie an altheidnische Ueberlieserungen an, verwandelten die vii minoruin gentium in kirchliche Heilige und gaben den alt eingewurzelten heidnischen Bräuchen einen christ lichen Sinn. So war der Karneval in Italien eine Art Früh- lingSfcst und ein Fest, an dem man sich für die folgenden Ent behrungen der Fastenzeit im voraus schadlos hielt. In dieser Fastenzeit war e» den Gläubigen streng verboten, Fleisch zu essen und daher leiten einige den Namen de« Feste». Die italienischen Worte: carnv — vale! bedeuten: Fleisch lebwohl. So plausibel diese Ableitung auch klingen mag, so wird sic doch von manchen entschieden bestritten. Diese knüpfen an einen altgcrmanischen VolkSbrauch an, der von der Kirche mit dem FaschingStreiben verschmolzen wurde. Nach Germanien waren die Saturnalien schon lange vor dem Christentum eingeführt worden. Die Er oberer, die sich am Rheine und in Süd - Deutschland festgesetzt und dort ihre Kastelle errichtet hatten, au« denen nachher Städte wie Köln, Koblenz, Trier, Mainz, Augsburg und andere mehr entstanden, hatten sie mitgebracht und hier wurden sie mit dem altgermanischen Umzüge zu Ehren der Göttin de» Ackerbaues, de» Handel» und der Schifffahrt häufig abgehallen, bei denen ein Schiffswagen, currus nuvalis, durch da« Land gefahren wurde. In de» romanischen Ländern bildete der Karneval sich nun zu seiner höchsten Blüte au», so in Rom selbst, wo ihn unser unsterblicher Goethe sah und so wundervoll beschrieb, mit seinen Confettlschlachtcn und Pferderennen, so in Paris, wo ein fetter Ochse durch die Straßen geführt wird, und ihm die geputzte leicht sinnige Menge mit ihrem Uebermut und Spott folgt, so in Ve nedig, wo der Doge und der gesamte Adel daran teilnahm. Bei uns in Deutschland ist der Karneval, der Nachkomme der Bac- chuSfesle, nur in den Weingegenden de« Rheins und Süddeutsch land» recht zur Blüte gelangt, im übrigen Deutschland und im ganzen übrigen Europa ist der Versuch, ihn zur Blüte zu bringen, kläglich gescheitert und man beschränkt sich dort auf Maskenbälle in geschlossenen Räumen. Die klassische Heimstätte de» deutschen Karneval» ist da« alte, heilige Köln. Dort blüht er noch ungeschwächt mit seinen Narren sitzungen, die vom großen und kleinen Rat arrangiert werden, seinen MaSkcnumzügen, Redouten und Maskenbällen. Acht Tage lang ruht überhaupt jede Arbeit, da« letzte Stück der Habe wird versetzt um Fasching feiern zu können und überall ertönt'»: ,ckeck los ckcck elan!" Hinter der Waske. KarnevalShumoreSIe von Lothar Bau IN g a r Prinz Karneval hatte seine Kappe aufgesetzt und die Schellen klingelten hell und rein in die kalte Winterluft. Zu den Läden der Maskenverleihen prangten herrliche Kostüme und luden ein, in sic zu schlüpfen: Ritterkleider, Renaissance, Rokoko — Herz, was begehrst du! Die Glöckchen klangen auch in die Mansardenwohnung eines vierstöckigen Hauses, in der zwei „bemooste Häupter" nebeneinander ihre „Buden" hatten — Tür an Tür. Amelung und Rcimprechtcr waren unzertrennlich — ganz ivic Kastor und Pollux ober Müller und Schulze. Eigentlich hatten sie's ja nicht nötig, ihr Quartier bei oer braven Witwe Wiebe aufzuschlagen, denn ihre Wechsel waren reichlich. Aber sie mußten an der Miete sparen, was ihnen die Gambrinus- und Bacchusfcste mehr kostete». Die Glöckchen des Karnevals versetzten sie nun in eine tiefgehende Aufregung — aber nur den einen von ihnen, nämlich Amelung — und dadurch unterschieden sich die beiden Freunde. Sonst waren sie sich von Gestalt völlig gleich; große, wohlproportionierte Männerfiguren; und auch ihre Lieh« zu „Ruudgcsang und Gerstensaft" war die gleiche. Aber Amelung war verliebt — seit dein letzten Ball, den das Korps gegeben. Da halte er „sie" gesehen, Amalie, und ivar weg gewesen ganz futsch. Man hatte sich dann noch einige Riale ge sehen, aber eine Annäherung hatte er noch nicht recht gewagt. Er hatte sich dazu den Maskenball aufgehoben — da war das leichter - unter der Maske machte sich das besser. Um aber in Fühlung zu bleiben, hatte er mit dem Dienstmädchen der Blutter seiner Angebeteten, der verwitweten Sanitätsrätin Hausner, eine Bekanntschaft angeknüpft, d. h. „Uonny noit gui mal z- penne!" Es handelte sich lediglich um eine Art Nachrichtendienst. Er schickte seiner Angebeteten zuletzt ein-