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Preußen. Berlin, 18. April. Das gestrige städtische Begrüßungssest für den deutschen Reichstag war ein in hohem Grade gelungenes. Der ungezwungenste Verkehr führte eine große Zahl von Männern zu sammen, die wohl sonst kaum Gelegenheit gehabt hätten, sich einander zu nähern. Fürst Bismark unterhielt sich viel mit Reichstags-Mitgliedern von der Linken. Der Bischof Freiherr von Ketteler wurde von der Kaiserin und dem Kronprinzen mit Aufmerksamkeit behandelt. Frankfurt a. M., 19. April. Heute Vor mittag fand im Bureau des Rothschild'schen Bank geschäftes ein Erpressungsversuch mittels mit Nitro glycerin gefüllten Bomben statt. Durch die Ex plosion einer derselben wurde ein Mann verwundet und mehrfache Zerstörung verursacht. Ein Thäter, angeblich Franzose, ist verhaftet ; ein zweiter entkam. Sächsische. Fürstenthümer. Der Herzog von Coburg ist in Gotha am Typhus erkrankt. Es werden täglich von den Aerzten vr. Florschütz und l)r. Hassenstein Bülletins aus gegeben. Baiern. König Ludwig von Baiern hat einen neuen Sieg errungen, den ihm Deutschland danken wird. Es war ihm ohne Zweifel Weißenburg und ein Stück Land für seinen beispielgebenden raschen deutschen Entschluß und für die Waffenthaten seiner Baiern versprochen worden und er wäre gern ein Augustus, d. i. Mehrer seines Baierns geworden, wie Kaiser Wilhelm, ein Mehrer des deutschen Reichs, als er aber die Abneigung der deutschen Politiker im Reichstage erkannte, Elsaß zu zerstückeln und als er sah, wie nur die Schwarzen sich freuten über den bedenklichen Zuwachs durch ein Stück Elsaß, da ließ er seinen Wunsch fallen und Elsaß und Loth ringen wird ungetheilt Reichsland. Das peinliche Schauspiel eines Streites im Reichstag über die Theilung der Kriegsbeute, wie es die Fremden nennen würden, ist nun vermieden. Und das ist der zweite Sieg, den Deutschland dem König ver dankt, ein Sieg über sich selbst. München, 19. April. Der Erzbischof schloß vorgestern den Stiftspropst v. Döllinger wegen for maler Ketzerei und Nichtanerkennung des Unsehl- harkeitsdögmas. aus der katholischen Kirche aus, damit diesem die Functionen bei dem Georgi-Rittcr- amt unmöglich gemacht würden. Die öffentliche Bekanntgabe der Excommunicalion hat der Erz bischof sich Vorbehalten. Heute ist auch Professor Friedrich in derselben Form wie Propst Döllinger excommunicirt worden. Elsaß und Lothringen. Straßburg, 18. April. Die „Straßb. Z." meldet: In der hier abgehaltenen Versammlung von 90 Maires und Delegirten von Cantonen des Niederelsasses wurden 24 Anträge über die künftige Stellung und über die Organisirung des Elsasses angenommen. Die Versammlung wählte eine De putation von 4 Mitgliedern, welche die Vertretung de- aufgestellten Programms bei dem Reichscanzler Fürsten Bismark wie bei dem BrmdesrÄhe j nehmen solle. Die Straßburger gedachten im Anfang zu Hellen Haufen auszuwandern, um nicht deutsch werden zu müssen, sie haben sich aber anders besonnen. Die Wirthschaft in Paris und Frankreich hat sie gründ lich abgeschreckt und die deutsche Verwaltung thut alles, um sie zu gewinnen. Die Micthen sind -nicht gefallen sondern gestiegen, was ein gutes Zeichen ist. Frankreich. Paris, 18. April. Die „Agance HavaS" meldet über die Kämpfe bei AsniereS vom 17. April: Ein heftiger Angriff zwang die Föderirten, ihre Stellungen zu räumen. Nachmittags besetzten die Föderirten das rechte Seineufer wieder. Um 8 Uhr Abends erfolgte ein neuer Angriff. Die Regierungstruppen rücken vor, nähern sich der Seine, der Erfolg ist den Föderirten ungünstig, welche sich mühsam vor den Streitkräften der RegierungStruppcn behaupten. Die deutschen Truppen in Frankreich werden von der deutschen Verwaltung verpflegt und Frank reich trägt die Kosten. Für jede Portion vergütet Frankreich 14 Ngr.; für jede Pserderation 20 Ngr. und zwar vom 3. März an täglich 500,OvO Portionen und 150,000 Rationen. Erst nach der Zahlung einer halben und resp. einer ganzen Milliarde der Kriegscontribution tritt eine Er mäßigung der Zähl der Portionen rc. ein. Eine Portion besteht vertragsmäßig aus H Pfund Fleisch, 7 4 Loth Reis rc. oder 15 Loth Linsen, Erbsen, Bohnen oder 3 Pfund Kartoffeln, 1H Loth Salz, 14 Loth gebranntem Caffce, Quart Branntwein oder 4 Liter Wein und 5 Cigarren. — (Es laufen aber viele Klagen über mangelhafte Verpflegung ein.) Am 7. April kamen zu den Preußen in SannoiS bei Paris im langem Zuge die Frauen der Ge meinden Colombes und Argenteuil, um ihren Schutz anzurufen. Sie waren außer sich vor Angst, weinten, rangen die Hände und klagten über die Grausamkeiten der Pariser NationalgarVen. Diese seien bei ihnen mit Gewalt eingedrungen, hätten ihre Männer fort geschleppt und mehrere, die sich widersetzt, erschossen. Die Gemeinden hätten sich bewaffnet und stellten sich unter den Schutz der Preußen. Der deutsche Commandeur willfahrte ihnen und schickte zu ihrem Schutze 6000 Mann. Donau f'ürstenthümer. Bukarests 17. April. Fürst Carl hat eine mit den Unterschriften von Mitgliedern der vor nehmsten Familien bedeckte Ergebenhci sadresse aus der Moldau erhalten. Wie es heißt, beabsichtigt der Fürst, mit seiner Gemahlin eine Reise nach der Moldau anzutreten. - Amerika. Neuerdings werden von Brasilien aus wieder Anstrengungen gemacht, um deutsche Auswanderer dorthin zu locken. Die brasilianische Regierung hat kürzlich mit zwei Londoner Häusern Contracte wegen Anwerbung deutscher Arbeiter abgeschlossen. Bei dm vielen Mißständen in Brasilien kann nicht ein dringlich genug von der Auswanderung dorthin ah-, gemahnt werden.