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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 03.08.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190108036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19010803
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19010803
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1901
-
Monat
1901-08
- Tag 1901-08-03
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Monat
1901-08
-
Jahr
1901
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Sachsen an rem Rückgang- der sächsischen Eisenbabnrente schuld sei, beziffert den Betrag, den die »nothleidenden' Bahnen alljährlich an Zuschuß erfordern .aus wohl weniger al« l00,000 Mark' und meint, die BahnhosSneubauten trügen einen erheb lichen Theil am Rückgänge der Ueberschüsse. Diesen Darlegungen gegenüber dürste e» doch angebracht sein, aus Grund amtlichen Material« einige Zadlen anzusühren. Die Aniagekosten derjenigen Bahnen, welche im Jahre 1898 weniger Ertrag lieferten, al« die Verzinsung der Rentenanleihe erfordert, au« denen sie doch in der Hauptsache gebaut oder erworben wurden, belaufen sich auf über 365 Mill, Mark; Linien im Anlagewerthc von beinahe 34 Millionen Mark haben in jenem Jahre au» ihren Einnahmen die Betriebskosten nicht zu decken vermocht und einen Zuschuß erfordert, der sich bei der Bahn Mügeln-Altenberg bi» auf 8,»« Prozent Le« Anlagekapital« steigerte. Bei dieser einen Linie be trug also der Zuschuß zum Betrieb allein schon über 300,000 Mark im Jahr, mit Verzinsung de« Anlagekapital« aber 466,000 Mark. Die 16 Linien, die im Jahre 1898 die Betriebskosten nicht zu erbringen vermochten, haben zusammen au« anderen Staatsmitteln einen Zuschuß von etwa 1,700,000 M. eriordert, alle die, bei denen der Ertrag nicht die Verzinsung der Renten anleihen deckte, zusammen einen solchen von über 8 Mill, Mark, um die Selbstkosten de« Staate« au«zugleichen. Man wird dem nach wohl anerkennen müssen, daß der Staat, auch wenn er viele der an den Landtag gelangten Petitionen unberücksichtigt lassen mußte, zur Hebung de« Verkehr« in abgelegenen Lande»theilen da« Mögliche gethan hat und daß bei der jetzigen Finanzlage die größte Vorsicht und ein sehr viel langsameres Tempo in der Bewilligung neuer Linien eintretcn muß. Das ist bereits bei der Vorlegung des letzten Etats durch Herrn Finanzminister von Watzdorf in der zweiten Kammer am 20. November 1899 nach drücklich betont worden. Den obengenannten Ziffern gegenüber kommen nun die Summen, welche bei den Bahnhofineubauten in den großen Städten auf vielleicht überflüssigen Luxus ver wendet wurden, sehr wenig in Betracht. In Dresden u. Ehem- nitz sind bei Len sehr kostspieligen Umbauten der Bahnhöfe die Hauptkoften erwachsen aus der im Interesse der Betriebssicher heit durchaus gebotenen Hochlegung der ganzen Trace; in beiden Städten sind große Güterbahnhöfe, in Dresden überdies der AlbcrtShascn gebaut worden, Anlagen, die gewiß nicht unter die unrentablen zu rechnen sind und durchaus nicht nur diesen Städ ten zu gute kommen. Als überflüssigen und unrentablen Luxus könnte man in Dresden etwa die Halle de« Wettiner Bahnhofs oder da» Treppenhaus im Gebäude der Generaldirektion bezeich nen, es würde aber doch recht schwer gehalten haben, au« den Anschlägen der Dresdner Bahnhossbauten auch nur 2 oder 3 Proz. mehr zu streichen, als bereit« in den Deputationen de« Landtage« gestrichen sind. Da der in Leipzig projektirte Eentral- bahnhos gemeinsam mit Preußen nach einem in langen Verhand lungen zur Reife gediehenen Entwurf gebaut werden wird, so dürste c« kaum angängig sein, die Mittel zu verweigern, um den Bau einheitlich zu gestalten. E« ist nicht anzunehmen, daß Preu ßen einen Bahnhof außerhalb seiner Grenzen mit übergroßem Luxu« auSzustatten gedenkt, um so leichter wird e« Sachsen fallen, in Erfüllung der übernommenen und weiterhin noch erwachsenden Verpflichtungen, für seinen Theil dahin zu wirken, daß der Bau sich durch monumentale Einfachheit au-zeichnet.' — IIK. In Nr. 175 de« ReichSanzeiger« vom 26. Juli ist der neue Zolltarifgesetzentwurf nebst dem zugehörigen Zolltarif mit Zustimmung sämmllicher Bunde-regierungen ver öffentlicht worden. Zwar hat der Entwurf die Berathungen de» BundeSralh« noch nicht durchlaufen, und e« stehen also weder die Vorschriften de» Gesetze» noch die Sätze de» Tarife» schon unabänderlich für die Berathungen des Reichstage« fest, dennoch wird der vorliegende Entwurf die Grundlage bilden müssen, auf welcher die Interessenten in eine erneute Prüfung Ihrer Wünsche zu dem Zolltarifgesetz und dem zugehörigen Zolltarif einzutreten haben werden. Und zwar ist es sehr erwünscht, daß die Inter essenten möglichst bald in die Prüfung der sie berührenden Positionen de« Zolltarifs eintreten und ihre Wünsche dem ge wiesenen Organ zu ihrer Vertretung, der Handels und Ge werbekammer Plauen, einsenden, damit diese dieselben rechtzeitig den zuständigen höheren Stellen unterbreiten kann. Die Kefatjren der Sommer-Kitze. Von 1>e. lueü. Ebing. Der diesjährige Sommer zeigte gleich bei seinem Antritt der Menschheit seine gewaltige Kraft. Nachdem die große Hitze in Amerika zahlreiche Opfer unter Menschen und Thicren ver langt hatte, hat sie ihre gefährliche Herrschaft nach unserem Vater lande verlegt. Ein heißer Sommer pflegt in der Regel Epidemien Hervor zurufen. Darauf aber scheint der diesjährige Sommer verzichten zu wollen, vielleicht wider Willen, indem die fortgeschrittene Hugiene ihm hier ein wuchtige» Veto entgegendonnert. Au- Rache; so scheint e« beinahe, straft die Hitze den Menschen an dem Organ, mit dessen Hilfe er die Schutzmaßregeln gegen an steckende Krankheiten ersonnen hat, an seinem Gehirn. Todesfälle infolge von Sonnenstich oder Hitzschlag waren bi« heute leider schon sehr häufig, hüben wie drüben. Wenn heiße Sonnenstrahlen zu lange aus den Kopf von Menschen oder Thieren einwirken, so entsteht leicht eine Blut überfüllung de« Gehirn«, die der Arzt Hyperämie nennt. Diese Blutüberfüllung kann eine Lähmung, aber auch Len Tod herbei führen. Die schlimmsten Erscheinungen treten freilich meist nur dann ein, wenn Menschen oder Thiere bei großer Hitze schwere Arbeiten leisten müssen. ES ist also ein Akt der Selbsterhaltung, wenn der Mensch an heißen Tagen schwere Arbeit nach Möglichkeit meidet. Ist diese« unmöglich, so sorge man wenigsten« dafür, daß durch reich liche» Schwitzen die-Gefahr der inneren Ueberhitzung gemindert wird. Diese« reichliche Schwitzen rufe man aber niemals durch den Genuß von Spirituosen, wie Bier, Wein oder gar Schnaps hervor, sondern nur durch genügendes Trinken von Wasser, dem man etwa« Essig, Salz- oder Citronensäure zusctzen kann. Die Bewohner der heißen Zone schützen sich seit Jahr hunderten vor dem Sonnenstich durch feuchte Kopfbedeckung, die stet« feucht erhalten wird und durch ihre Verdunstung Kühle und Schutz gewährt. In unserem Klima ist diese« Mittel nicht von Nöthen, trotzdem sicht man e« in größeren Städten, wie bei spielsweise in Berlin, häufiger bei Pferden angewandt. Tritt trotz aller Vorsicht dennoch ein Sonnenstich ein, so wende man gleich da« beste Mittel, nämlich kalte» Wasser an, indem man den Kops de« Leidenden mehrere Minuten lang un unterbrochen mit kaltem Wasser übergießt, dabei die anderen Körperthcile reiben läßt. Natürlich ist auf alle Fälle der Arzt so schnell wie möglich zu rusen. Auch die Thiere können den Sonnenstich bekommen. Dieser Umstand kann auch dem Menschen gefährlich werden, wenn Hunde durch die Hitze erkranken. E» tritt dann leicht die be kannte und gefährliche HundSwuih oder Tollwutb ein. Da« Wesen der HundSwulh ist nämlich auch ein gereizter Zustand de« Gehirn«, nur daß sich gerade beim Hunde im Blute ein spezifische« Gift bildet, da» höchst ansteckend wirkt. Früher stand man der Tollwutb machtlo« gegenüber, beute aber kann man sich mit Sicherheit vor dem Ausbruch der Toll- wuth beim Menschen schützen. Zwischen dem Biß eine» wirklich tollen Hunde» und dem Ausbruch der Krankheit liegen nämlich immer viele Wochen. Diese Zeit muß man dazu benutzen, sich nach dem Pasleur'schen Verfahren schutzimpsen zu lassen. Diese Möglichkeit ist in allen großen Städten leicht zu erlangen. Die Hunde sind im Sommer auch sonst dem Menschen leicht gefährlich. Diese« LieblingSthier Le« Menschen ist leider ein sehr unreine« Geschöpf. So sauber z. B. die Katze ist, so unsauber ist der Hund. So wählerisch die Katze in der Aus wahl ihrer Nahrung ist, so gleichgiltig, schmutzig ist darin der Hund. Ist ein Hund nicht mustergiltig dressirt, so schlingt er seinem natürlichen Instinkte folgend alle« gierig und wahllos herunter, was ihm nur eben genießbar erscheint. Ein Hund schnüffelt mit Behagen an den widerwärtigsten Dingen herum. Und kiese un saubere Nase wird ost von Erwachsenen, mehr aber noch von den Kindern mit dem Munde berührt, ja sogar geküßt. Aus diese Weise können im Sommer die gefährlichsten Keime den Einzug in den menschlichen Organismus halten und die schlimmsten an steckenden Krankheiten erzeugen. ES ist da« durchaus nicht über trieben, sondern nur die Festlegung einsacher Thatsachen. Zärtlichkeit mit einem Hund kann gleichbedeutend mit Selbst mord werden, denn der Hund ist nicht nur höchst unsauber, er wird auch von einem ganzen Heere von Krankheiten geplagt, mehr al« jede« andere HauSthier. Im heißen Sommer macht sich auch die bekannte Brechruhr gellend, besonders bei Kindern. Bei dieser Krankheit wie bei allen starken Ausschwitzungen der blulüberfüllten Blagen- und Darmschleimhaut ist die Anwendung der Kälte sehr heilsam. Man läßt kleine, reine Eisstückchen verschlucken, kleine Schlucke Eiswasser trinken und macht auf den Unterleib häufige Umschläge von kaltem Wasser mittelst ausgerungener Tücher. Daneben sucht man die starke Darmentleerung durch zusammenziehende Mittel wie Tannigen, welches man messerspitzenweise einnimmt, zu hemmen. Je jünger und schwächer der Mensch ist, desto schneller muß man bei diesem Leiden den Arzt holen. In heißen Sommertagen wirkt eine richtige Diät wahre Wunder. Freilich angenehm und bequem ist für viele Menschen eine solche Diät nicht. Es ist nicht leicht, seinen Körper genau kennen zu lernen und richtig zu behandeln. Wer e« aber ver steht, dem ist der schönste Lohn sicher, denn er verlängert nicht nur sein Leben, sondern er erhält sich auch da» höchste Gut, die Gesundheit. ES lassen sich selbst die meisten der angeborenen Krankheits anlagen durch eine richtige Diätetik ausheben, wenigstens aber so abschwächen, daß sie da« Leben nicht wehr bedrohen. Die Werliokene. ilt. Fortsetzung.) .Ich muß Dir, mein Kind, diese Umstande mittheilen, damit der junge, leichtsinnige Mann, der sich Dir bald ganz enthüllen wird, in einem wenigstens etwa» gemilderten Licht erscheint. Ein Jahr lang nach de» Vater« Tode bereiste der junge Squire den europäischen Kontinent und genoß da« sich ihm Dar- bickende, was die noble Welt al» Passion, die Armen so gern al» Glück de« bevorzugten Rcilbtbum« arischen, mit vollen Zügen. — Vielleicht stumpft nicht» mehr ab, al« die» vermeintliche Glück, — e» stumpft den Menschen um so mehr ab, und macht ihn zum Thier, al« er einerseits gleichgültig gegen da» Unglück, da« Elend seiner Mitmenschen wirr, und eS ihn anderseits nach immer neuen, ihm noch unbekannten Genüssen lechzen und jagen läßt. Der Squ-re, übersättigt wie er war, wandte sich nach Asien. — Wieder verging ein Jahr und er Lachte mit keinem Gedanken an eine Rückkehr in die Heimaih. Er schiffte sich nach Amerika ein und bereiste dort zunächst die UnionSstaaien, dann Südamerika und wurde ihm hier die Fahrt läng» der ganzen Küste al» eine höchst interessante empfohlen. Ich erwähne die« so umständlich, weil ick damit auf mein eigentliche» Ziel, den Hauptmoment dessen, wa« ich Dir erzähle, zusteuere, zugleich ersiehst Du darau», daß nicht allein die Sucht zum Vergnügen den jungen Mann vom Vaterlandc entfernt hielt; e« lebte doch vielleicht ein Trieb zum Bessern in ihm, der ihn, allerdings von ihm unbegriffen, unstät und wirr die Welt durch streifen ließ. In jener Zeit, wo dieser Erbe von Avonjhirc auf seinen Reisen begriffen war, kannte man keine Dampfboote, — die Küstcnsahrt Südamerika» wurde damals vor;ug»weife von Deut schen und Holländern betrieben, welche mit ihren Brigg» und Schonern von Hafen zu Hafen fuhren und je nach zwei oder drei Jahren dann wohl wieder eine Fracht nach Europa einnahmen, um ihre Schiffe in die Flüsse der Heimath einlaufen zu lassen und die Ufer wieder zu schauen, an welchen sic al« Kind sich tummelten. Diese Kapitäne waren gewöhnlich von ihren Frauen aus den Reisen begleitet, und mancher spätere, tüchtige Seemann erblickte da« Licht der Welt in dem schwankenden Schiff-Hau« seine« Vater», da« sich aus den Wogen de« Meere« wiegt». Der junge Squire befand sich in Laraca», er suchte im Hasen von La Guayra wiederum ein Schiff, um mit demselben bi« nach Rio Grande oder lieber nach Buenos Ayre» zu fahren, von wo au» er sich dann endlich nach England cinzuschiffcn gedachte. Im Hafen von La Guayra lag ein deutsche» Schiff vor Anker, da« in einigen Tagen nach Buenos Ayre« abzusegeln im Begriff war. Der Squire lernte den Kapitän in einem Strand hotel kennen und Beide wurden sich wegen de« zu zahlenden Passagcpreisc« leicht einig. — Der Kapitän, ein noch junger Mann, führte sein eigene« Schiff, eine hübsche Brigg, .Henriette,' er gehörte an den Ufern der Elbe, nabe Hamburg, in einem Fischerdorf« zu Hause. Vielleicht, so theilte er dem Squire mit, wenn sich'« gerade so mache, und er eine gute Fracht nach Ham burg oder Altona fände, segle er selber von Buenos Ayre» nach Europa und liefe in England an, wo der Squire ja dann wäre, wo er sein wollte, obgleich, wie er hinzusetzte, ihn eigentlich nicht« nach seiner Heimath zöge, da er seine ganze Familie mit sich an Bord führe. Der junge Kapitän war ein schöner, großer Mann, einer jener geraden, offenen Naturen, denen, wie man zu sagen pflegt, da« Herz auf der Zunge, die Seele in den Augen liegen. Diese Menschcnart ist echt wie Gold und wie sie selber weder zu lügen noch zu heucheln versteht, so hat ihre Seele auch keinen Raum für den Glauben, daß andere Menschen zu lügen und trügen ver möchten. Der Squire von Avonsdire begab sich dann mit dem deut schen Kapitän an Bord. Schmuck und sauber, wie am Bor» der deutschen Schiffe im allgemeinen, sah e« auch auf diesem Fahr zeug au«, da» sich so kokett auf den Wellen wiegte, al» ginge e» immer spielend über da« tückische Meer, al« könnte ihr, der schlanken, schwarz und weiß gemalten Brigg nie ein Unglück passircn. Die Familie Le« Kapitän« bestand au« seiner Frau und dem einzigen Kinde de» Ehepaar», einem etwa zweijährigen Knaben. Die Frau schien eigentlich nicht so ganz zu dem Manne zu paffen, sie war eine zu derbe Bäuerin, mit linkischem Benehmen, aber den treuherzigsten Augen von der Welt, die zu ihrem schönen, jungen Manne hinaufblickten, wie zu einem Gott. — Aber noch eine weibliche, zur Familie de» Kapitän« gehörende Person befand sich an Bord, und da« war seine Schwester. — »Da, Sir,' sagte Kapitän Witt zu dem Squire, »stelle ich Euch meine einzige Schwester vor, nach ihr heißt mein Schiff .Henriette,' sic ist mein Herzblatt, neben meinem Weibe und meinem Kinde Alle» und da« Liebste, wa« mir mein gütiger Gott geschenkt hat.' ES lag die wunderbare Empfindung de» reinsten Glücke« in dem Ton seiner Stimme, al« er dem Squire von Avonshirc die» sagte. Die Anker wurden gelichtet, die »Henriette' breitete ihre weißen Segel au» und die Fahrt begann. Ein Schiff ist ein Reich, ein Hau- im kleinen, und die Men schen schließen sich aus einem solchen rascher und enger aneinander. Der Fremde, der vornehme junge Engländer, wurde bald gewissermaßen al- ein Familienmitglied betrachtet; er verstand e», das Vertrauen de« deutschen Kapitän» zu gewinnen. Aber der junge Squire verstand noch etwa« ganz Andere«. Er verstand es, der Schwester de« Kapitän« Liebe zu heucheln, da« Herz der schönen, unschuldigen Mädchen» zu bethören.' Der Vater Edith« hatte bisher ohne Unterbrechung in ziem lich raschem Erzählerton gesprochen. Er machte hier eine Pause und sein Auge erhob sich zu seiner Tochter. Edith war geräuschlos vom Fenster zurückgelrelen, leise hatte sie sich auf den nächsten Sessel gesetzt, und unverwandt blickte sie auf den Vater und horchte dessen Worten. »Ja, mein Kind,' fuhr dieser fort, »jener Squire vonAvon- shire, von welchem ich Dir erzählen muß, war ein Heuchler, ein Betrüger. Mag ihm schlechte Erziehung, die laxen Sitten, in welchen er ausgewachsen, deren Gift er eingesogen hatte, ihn etwa» entschuldigen, rechtfertigen konnte er nie, wa» er gethan. Da weibliche Geschlecht schien dem leichtsinnigen, im SinneSrausch be fangenen Menschen nur ein Spielball zu sein, — freilich war er in seiner bisherigen Lebensstellung nur Extremen begegnet, — jenen steifen, mit Prüderie verschleierten Damen der Aristokratie, oder jenen glänzenden Menschenmasken der Halbwelt, welche dem Engel der Schöpfung, dem Weibe, den Stempel der schmachvoll sten Ehrlosigkeit auf die Stirn drücken. Und doch ging zu jener Zeit, al« der leichtlebige Mensch jene« junge, reine Mädchen kennen lernte, eine seltsame Umwand lung mit ihm vor. Wie da« Sonnenlicht erwärmt, erleucktet, verklärt, so thautc sein Her; auf, seine Seele empfand zum erste» Mal etwa« von dem Werth hoher Weiblichkeit, e« war, al« ob dem unschuldigen, schönen Naturkinde gegenüber sein bessere« Sein erwachte. Vielleicht liebte der Squire wirklich, wenigsten» glaubte er selber an seine Liebe, und wie ich schon sagte, er fand Gegenliebe. Als da« Schiss Buenos Ayre« erreichte, da waren die beiden Liebenden längst einig, aber wa- kaum zu glauben, noch hatte der Kapitän keine Ahnung von dem Verhältnis und seine einfache Frau noch viel weniger. Der Aufenthalt im Hafen schloß da« Band der Liebenden noch fester, die Gelegenheit war ihnen günstig. — Die Frau de« Kapitän« wurde von der Sorge für ihr Kind, der Kapitän Witt von seinen Geschäften in Anspruch genommen. Die beiden Lieben den waren sich ganz selbst überlassen. Sie weilten ost am Lande; — der Kapitän in seiner ehr lichen Denkungsart empfand kein Mißtrauen gegen den Squire, er kannte überdies seine Schwester — ihre Grundsätze waren die seinen, und er — nun er war die Treue und Rechtschaffen heil selber. Und wahrlich, der Mann hatte sich nicht getäuscht. Da schöne Mädchen, zu dem der verlotterte Squire sich zuerst in SinneSlust hingezogen fühlte, beherrschte den Menschen bald durch ihre wunderbare Herzensreinheit. — Ja — sie liebte ihn, liebte ihn wie nur ein Weib den Mann zu lieben vermag, der ihr Alle« ist, liebte ihn mit der Liebe, von welcher schon die alte heilige Schrift sagt: » und sie wird Vater und Mutter verlassen und dem Manne anhangen', aber in ihrer Seele Tiefe lag e» eingeprägt, da» tausendmal geschriebene und gebrochene — da« nie geschriebene und ungebrochene Gesetz; da« Weib gehört nur dem einzigen Auserkorenen, und für diesen gicbt sie alle», alle» hin, aber er muß sic auch an sich schließen, wie der mächtige Eichbaum die zarte, immergrün lächelnde Ephcupflanzc, die ihn schmückt, wenn der Herbststurm durch seine dann entlaubten Zweige heult, die selber grünend ihn fester umrankt, wenn Winterci» und Schnee schwer und erdrückend seine Krone wcißfärbten — — die mit ihm neucrblüht fühlt, duldet und stirbt. Hätte der Squire die» wunderseltsame, kindlich reine, him melsschöne Wesen ganz und »oll begriffen, wie unendlich glücklich wäre er gewesen, wie reich, wie selig hätte sie ihn gemacht, ohne Gut, ohne Geld, — doch — unsagbar glücklich.' Der alte Squire hielt mit Erzählen inne, seine Augen schweiften wie träumend in die Leere, e« war, al» ob der stolze alte Mann selber einmal geliebt, einmal empfunden hatte, daß so und nicht ander« die wahre, echte, jugendfrische Liebe sein müsse. — Edith saß mit ineinander gefalteten Händen, unverwandt blickten ihre graublauen Augen den Vater an; wie sie so dasaß, diese jugendlich schöne, schlanke Mädchengestalt mit dem bleichen, edlen Antlitz, halte Edith etwa« Madonnenhafte«, jede» Harte, Stotze, da« ihren Zügen sonst etwa« Abstoßende« verlieh, war geschwunden, — die Tochter de« Squire« von Avonshirc glich einem Heiligcnbilde, gemalt von dem Meister weiblicher Engels schönheiten — Raphael. Grabesruhe herrschte in dem traulichen Gemach. Mit weicher, seltsam bewegter Stimme fuhr der Squire in seiner Er zählung fort: »ES war etwa« Heilige« um diese Liebe. Der junge Mann wurde in ihr, durch sie veredelt, er lernte zum ersten Mal an Frauenadel glauben. Er hatte anfang« gehofft, bei der schönen Schwester de« Kapitän« so leicht zu siegen, wie er stet« gesiegt hatte, er vergaß, welchen Frauen er sich bisher genähert hatte, — eine Scheu überkam ihn in der Begegnung mit diesem jungen, reinen Mädchen. E» ist wahr — nicht alle Schuld trifft den Squire, nicht alle Schuld, da« alle» kam, wie e« kam. Kapitän Witt schloß in Bueno» Ayre« eine Fracht nach Hamburg ab, der Squire halte also Gelegenheit, an Bord der .Henriette' seine endlicke Rückreise nach England zu machen der Kapitän wollte Dover anlaufen.
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