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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 25.01.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190201257
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19020125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19020125
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-01
- Tag 1902-01-25
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Monat
1902-01
-
Jahr
1902
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Regierungrschiffe völlig überraschten. Der „Padilla" eröffnete den Angriff durch eine Beschießung re« „Lautaro" au« seinen Schnellseuergejchützcn, wodurch aus dem Regierungrschiffe mehrere Mann gelödtei bczw. verwunde« wurden. Der „Lautaro" be gann dann, seinerseits zu feuern und fügte den Aufständischen schwere Verluste zu. Gouverneur Alban, der während de« Kampfe« aus dem Quarterdeck stand, wurde von einer Kugel geirofsen und war svsor« tod«. Bald darauf zog sich der„Lautaro", au« dessen Luken die Flammen emporschlugen, zurück. Einem Gerücht zu folge sollen sich unter seiner Besatzung Verräther befunden haben, die da« Feuer angelegt haben. Der amerikanische Kreuzer »Phila delphia" sandte Boote ab, um dir Verwundeten und andere Ueberlebcndc von dem »Lautaro", der schnell sank, zu retten. Unterdessen näherte» sich „Darien" und „Gaitan" in der offen baren Absicht, Truppe» zu landen, der RegicrungSwcrsl am User, woran sie der „Chicuito" zu hindern suchte. Er entwickelte sich ein heftige« Feuergesecht, da« aber auf beiden Seiten erfolglo« blieb. Sowohl bei den Regierungstruppen wie bei den Auf ständischen sind die Verluste verhältnißmäßig gering. Nachdem der „Lautaro" in Brand gcrathen war, wurde da« Gefecht nicht weiter geführt. Der „Darien", der kampfunfähig geworben war, lies auf den Strand, „Padilla" und „Gaitan" zogen sich einige Meilen unterhalb der Bucht zurück. Später kam der RegicrungS- dampscr „Boyaca" mit Truppen an, e« wurde jedoch kein Ver such gemacht, die Aufständischen in ein neue« Gefecht zu ver- wickelu, sodaß diesen der Sieg zugcschriebcn wird. Die Auf ständischen behaupten, nur 20 Verwundete gehabt zu haben, die Regierung gicbt die Verluste ihrer Truppen aus 8 Tobte und 10 Verwuudte an. Die Aufständischen werden, wie man annimmt, von Neuem zu lande» versuchen, man erwartet daher weitere Kämpie. Der Tod de« Gouverneur« Alban ist für die Regierung ein schwerer Schlag: seine Anhänger sind entschlossen, seinen Tod zu rächen. — Pretoria, 22. Januar. Vor einigen Tagen wurde ein Trupp von 35 Eingeborenen, der bei Lindiquespruit unter Eskorte von 25 Manu der RcichS-Lseomanry zum GraSjchneideu aus dem Felde war, von >50 Buren überrascht. Die Abtheilung mußte sich nach tapserein Widerstande, wobei sie 6 Buren «ödtete und 4 verwundete, der lleberzahl ergeben. Die Engländer ver loren I Todten und 7 Verwundete , außerdem wurden 4 Ein geborene, die unbewasfnct waren, nachher von den Buren erschossen. — Die Haager „Korresp. Nederland" meldet: Oberst Car- ringtvn mit Stab hat sich um Weihnachten in den Magalie«- dergen den unter Delare» stehenden Buienstreilkrästc» ergeben müssen. Locale und sächsische Nachrichten. - Eibenstock. Nächsten Sonntag, zum Vorabende de« Geburtstage« Sr. Majestät re« deutschen Kaisers, feiert die hies. Bürgerschule diesen Tag durch die Aufführung eines Chorwerke« mit Deklamationen, betitelt: „Kindcrleben im Winter," gedichtet von M. Roßberg, komponirt von Professor Q«kar Wer» qiann. Wir machen alle Eltern unserer Schuljugend, sowie deren Gönner und alle Freunde frischen, fröhlichen Kindergesange« auf diese gewiß schönen Darbietungen auch an dieser Stelle ganz besonder« aufmerksam mit dem Bemerken, daß die Feier im „Feldschlößchen" abgehallcn wird und um 5 Uhr ihren Anfang nimmt. Schluß etwa '/,7 Uhr. Der niedrige Eintrittspreis, 20 Pf., ermöglicht auch dem Unbemittelten den Zutritt. Wir verweisen auf da« Inserat im heutigen Blatte. — Eibenstock. : Eingesandt. > Nächste» Montag, den 27. ds«. Mr«., Abend« 0 Uhr, finde« auf Veranlassung der hiesigen Ortsgruppe des keutschnationalen HandluugSgehilsen-VerbandcS in Hotel Stad« Leipzig ein Vortrag statt. Herr R. Döring aus Berlin wird über das Thema „Frauenarbeit und LehrlingS- wcsen" sprechen. Der junge Gehilscnverband, der besten« bekannt ist durch sein entschiedener Eintreten für die gerechten Forder ungen seiner BcrusSgenossen, ladet alle angcstelltcn und selbst ständigen Kaufleute hiermit freundlichst ein. Eintritt frei! - Eibenstock. Am Geburtstage Sr. Majestät de« Kaiser« sind die Postschalter geöffnet: von 8 bi« 10 Uhr Vormittags, von 12 bi« l Uhr Mittag« und von 5 bis 7 Uhr Nachmittag«. — Johanngeorgenstadt. Am 21. d. M. Vormittag» ',§>2 Uhr hat sich da« 8 Jahre alte Schulmädchen Gertrud Kaufmann, in Pflege bei ihren daselbst wohnenden Großeltern, in der Wohnung ihrer daselbst wohnenden Tante mit Pretroleum dermaßen verbrannt, daß e« nach 4'.,stündigen Qualen verstorben ist. Da» Kind hatte von seiner Tante den Auftrag bekommen, in dcu Qfen, in welchem sich Feuer befand, nachzulegen, wozu da« Kind Petroleum in den Ofen gegossen hatte, damit da« Feuer leichter brennen sollte. — Dresden, 23. Januar. Gestern Abend kam im Mittel bau der Fabrik von Seidel L -Naumann, Hamburgerstraße, im 3. Stock ein größere« Schadenfeuer au«, welches durck da» Ein greifen der städtischen Feuerwehr aus seinen Herd beschränkt werden konnte. Der Dachstuhl im Mittelbau ist aus der rechten Seite zerstört und der in diesem Theilc befindliche Schieifereisaal ist vollständig aurgebrannt. ES steht zu erwarten, raß durch diesen Unglückrsall keine allzugroßen Störungen de« Betriebe« eintrctcn. — Dresden. Eine hiesige wohlhabende Dame bekam vorige Woche eine» Drohbrief, in welchem sie um 300 Mk. er sucht wurde. Den Brief mit dem Gelbe sollte sie unter einen durch einen rochen Faden kenntlichen Stein beim Zwingertciche legen, nach welchem der Weg genau beschrieben war. Der Brief wurde sogleich der Polizei übergeben, welche den Platz beobachten ließ. Hiervon hatte der Bursche jedoch Wind bekommen und besaß die Frechheit, einen zweiten Brief loszulassen, worin er ersuchte, daß die Wachter wcggenommen würden, da, selbst wenn er gefangen genommen werden sollte, feine „Genossen" ihn fürch terlich rächen würden. Diesen Brief hat er Sonntag Abend selbst in den Briefkasten der Dame geworfen, denn die Wirth- ichafierin der Dame Hal den Menschen »och die Treppe hinunter schleichen hören. Gestern wurde er nun durch die Polizei er wischt. Nachdem er gesehen hatte, daß eine Dame einen Bries unter den bewußten Stein gelegt und sich eilig entfernt hatte, ist er langsam hcrvorgclcmmen und hat den Bries hcrvorgeholt. In diesem Moment ist er aber von der Polizei, welche wohl verborgen war, beim Kragen genommen worden. — Zittau, 22. Januar. Zu dem Familiendrama, welche« sich am Montag Nachmittag in Oybin abspielte wird gemeldet, daß der im städtischen Krankcnhausc in Zittau untergebrachte Kindesmörder Jäger, ebenso wie seine beiden schwer verletzten Knaben Reinhard und Ferdinand noch ani Leben sind. Dar Befinden der drei Patienten hat sich im Lanfc de« gestrigen Tage« so weit gebessert, daß die behandelnden Acrzte die Hoffnung hegen, alle drei am Leben zu erhalten. Kitz»«, LqirtsENsschnss« »er ASuigkiche» Awtohsupt- Schwarze« terg am 20. Januar >902. Bor Eintritt in die Tagesordnung begrübt« der Herr forschende di« wiedergewtchtten Herren Mitglieder mit dem Wunsch», daß chr Wirten im Bezirksausschuss« auch sernerhin zum Wohle de« Bezirks gereichen möge. Der Bezirksausschuß genehmigt I) nach abgeletztem öffentlich - mündlichen Äerfahren d»S Besuch der Be- werkschasi St. Christoph in Breitenbrunn um Erlaubnis: zur Erricht ung einer Arsenkie« AusbereilungSanstall bedingungsweise, beschließt Ls die dieSjührigen Zinsen der l>r. Arihur Esche-Stistung einstweilen zu reserviren und wegen Ankaufs eines Feldgrundstückes in Brünhain für die BezirtSanftatt erst noch weitere Erörterungen anzustellen, läßt es 8> dei der Eingabe de« Borschenden de« ErzgedirgSverein«, einen Zusatz zu dem Melde Regulative hinsichtlich der Sommersrischier betr. bewen den, da die a»«gesprochene» Befürchtungen nicht getheilt werden, giebt 4, den ll. Nachtrag zu dem erneuerten Regulative der Sparkasse zu Jo hanngeorgenstadt zunächst an den Staotgemeinderath zurück, da der BezirkSauilchuß nicht in der Lage ist, den Nachtrag zu be'ürworten, stimmt S) wegen der Gesuch, um Wegebaubeihilsen den Vorschlägen^»» Königs AmtShauptmannschast zu, nimm, > tls Zkenntniß von dem Rechnungsabschluß der Naturalverpslegftation zu Schneeberg und von der Verordnung de« Königlichen Kultusministeriums, Beihilfen zu Bolktbibliotheken bett., genehmigt weiter 7s u. die Uebernahme dleibender Verbindlichkeiten durch die Gemeinden Zschorlau, Niederschlema, Langenberg, Walchleithe und die Stadt gemeinde Grünhain, bei letzteren drei Gemeinden die Nothwendig« kett der Anlegung einer neuen öffentlichen Straße nach der vor liegenden Planung anerkennend, li die Ausbezirkung einer >4 liu 37.„ v großen Fläche des LtaatS- sorsttevier« Lauter, welche in die Flur der Stadtgemeinde Aue einbezirkt werden soll, seiner r. dir Ausbezirkung eine- TheileS der Parzellen Nr. stää und ütltj des Flurbuch« sür Oberstützengrün au» dem Gemeindebezirk« Ober stützengrün u. Einbezirkuug in den Gemeindebezirk Unterstützengrün, ä. die Entnahme bei Fehlbettag« bei der Naturalverpflegstatton zu Schwarzenberg au« dem Reservefond, <-. die Regulative über die Wasserabgabe au» der Wasserleitung in Beierseld und über die Erhebung der Hundesttuer rn Grünhain dingungsweise, t. bedie Feuerlöschordnung sür Burkhardtsgrün, 8) die Gesuche u. Gustav Fuchs's in Auerhammer um Uebertragung der seinem Vater Julius Heinrich Fuchs ertheillen Erlaubniß zur pachtweise» Ausübung des Bier und Branntweinschanks und si. Albin Paul Korb's in Raschau um Uebertragung der seinem Baler Otto Wilhelm Korb crtheilten Erlaubniß zur -Abhaltung öffentlicher Tanzmusik, Ausspannen und Krippensetzen, ü) läßt es bei der Beantwortung der Erinnerungen de» Kassenrevisors zu der Rcchuung der Bezirksanstalt Grünhain aus da» Jahr I80v/t>> vor behaltlich ter thatsächlichen Erledigung der gezogenen Erinnerungen be wenden, lehnt 10) die Gejuche des Borslande« de» Vereins Tobiasmühle bei Radeberg und des Direktoriums der Brüderanstalt mit Rrttungshaus Moritzburg um Gewährung einer Beihilke auS Bezirk-Mitteln im Mangel verfüg barer Mittel ab und erthrut N) zu den Dismembrationen der Grundstücke Blatt 88 kür Bernsbach, Blatt 47 und 4t I für Schönheide, Blatt 48 für Wildenau und Blatt 140 sür Bockau di« erforderlichen Dispensationen. Die verlorene Hochler. Roman von C. Wild. <8. Fortsetzung.: Fran von Carsten dagegen ivar ihrem Neffen sehr zugcthan gewesen, so weil sicki die« eben mit ihrer selbstischen Natur ver trug; aber seit Kurzem hatten ihre Gefühle für ihn eine be deutende Wandlung erlitten. Da« war von dem Tage an, wo sic durch Zufall erfahren hatte, Baron Mar von Bohlen lebe noch und sei Wittwer geworden. Und jetzt war er hier in Hamburg, in ihrer nächsten Nähe! Binnen weuigcu Stunden sollte sie ihn Wiedersehen! Ob er sich wohl sehr verändert hatte ? Bei dem Bankier Normann sollte sie ihn heute Abend treffen. Die Familie Normann war sehr reich, sehr angesehen und Frau von Carsten verkehrte dort sehr häufig. Vor einigen Tagen hatte sie eine Einladung zu der ersten großen Gesellschaft in dieser Saison erhalten, und durch die Frau de« Hause« erfuhr sie, daß unter den Gästen sich auch Baron Mar von Bohlen, ein öster reichischer Aristokrat, befinden werde. Luise von Carsten erröthcte wie ein junge« Mädchen. Sie stellte einige vorsichtige Fragen und erfuhr alle«, wa« sie vor läufig wissen wollte. Eine eigcnthümliche Empfindung durch zuckte die schöne Frau; sic hatte nie daran gedacht, eine zweite Ehe einzugchen, aber jetzt fragte sie sich, ob sie denn schon zu alt sei, um an eine nochmalige Verbindung zu denken. Die erste Ehe hatte ihr nur Kummer und Leid gebracht — das Schicksal war ihr für viele verlorene Jahre eine Entschädigung schuldig. O, wenn sie diese unselige Zeit au« ihrem Leben, ihrcr Erinuerung hätte vertilgen können, wie viel, wie viel würde sic darum gegeben haben! Sic blieb tief ausathmend stehen und preßte die schmalen, feinen Hände gegen ihre Stirn. „Da« soll mein Gehcimniß für ewig bleiben," sagte sic ent schlossen, kein Mensch darf erfahren, daß . . ." sie brach ab, al« fürchte sie sich, schon zu viel gesagt zu haben. Eine ziemliche Weile blieb sic mit halb gcschlossenen Augen stehen, um sich zu beruhigen, denn sie fühlte sich zu erregt, um sich so vor ihrer Zofe zu zeige». Al« sic wieder die Macht über sich gewonnen hatte, macbtc sie noch schnell einen Gang durch da« Zimmer, noch einen Blick in den Spiegel, dann wurde die Zofe gerufen. Frau von Carsten machte stet« sehr sorgfältige Toilette, heute aber wollte sie besonder» geschmackvoll erscheine». Sic wählte gelben Sammet mit schwarzen Spitzen, im Haar und an der Mädchenhast zarten Büste funkelten Brillanten. Sie bot in diesem Anznge eine wahrhaft königliche Erschein ung, ihre Haltung schien stolzer geworden, ihre dunklen Augen glänzten wie Sterne. Al« Luise in Begleitung ihre« Neffe» da« Hau« de« Bankier« Normann betrat, klopfte ihr trotz aller Selbstbeherrsch ung doch da« Herz. In ihrem schönen, stolzen Gesicht veränderte sich aber kein Zug, da« konventionelle verbindliche Lächeln umschwebte ihre Lippen, al« sie die Begrüßung der Hau«frau erwiderte, doch heimlich flogen ihre Augen suchend umher. Sie zuckte plötzlich zusammen und senkte die Wimpern. Sie hatte ihn erkannt. Dort in der Ecke stand er im Gespräch mit dem Hausherrn. Er hatte sich nicht viel verändert, schön und stattlich war er geblieben, lind dann — dann stand er vor ihr und sie erneute lachend die, wie sic sagte, „alte Bekanntschaft." Sie merkte wohl, daß seine Blicke bewundernd auf ihrer schönen Erscheinung ruhten, sie sah da« Aufleuchten seiner Augen und spürte den warmen Druck seiner Hand. Baron Max von Bohlen mochte ungefähr dreiundsünszig Jahre zahlen. Die stramme Haltung, da» nur wenig ergraute Haar, ließen ihn jünger erscheinen. Man sah, viesör Mann konnte hart sein wie Stahl und Eisen, auf Schonung und Rücksicht war bei ihm nicht zu rechnen. Und doch — wie er nun da« einst so heiß geliebte Weib so schön, so stolz und noch so jugendfrisch vor sich stehen sah, da flog c« weickt und mild um seinen hcrbgeschwungenen Mund. Die Erinnerung mit ihrem ganzen Blüthenkranzc stieg wieder vor ihm auf - versunken waren die Jahre »er Enttäusch ung, der Bitterkeit, er sah sich wieder in die Zeit zurückgesctzl, da sie Beide noch jung waren und einander liebten, so ungestüm, so fraget»« nm die Zukunft, wir e« eben nur die Jugend zu thun vermag. Luise sand schneller den Ton der Unbefangenheit wieder. Sie nahm den Arm da« Baron« und ließ sich von ihm zu einem Sitze führen. Dann begann sie zu erzählen von ihren Reisen, von ihrem Neffen; über ihre Ehe, die mit einer Scheidung endigte, glitt sic nur flüchtig hinweg. Der Baron berichtete dann seinerseits von dem zurückgezoge nen Leben, da« er seither aus dem Lande geführt, auch er er- wähnte nur flüchtig seiner todten Gattin — Luise hörte au« jedem seiner Worte herau«, daß er nicht glücklich gewesen war. „Mein Sohn ist nun auch vermählt," schloß er, „ich stehe eigentlich allein da. Manchmal empfinde ich e« doch bitter, daß ich ganz vereinsamt bin." Die schöne Frau spielte eifrig mit ihrem Fächer. „Ein Mann kann Vereinsamung nie so schmerzlich empfinden wie eine Frau," bemerkte sie dann leise. „Je nachdem," versetzte Baron Bohlen, Luise zärtlich an blickend; „wenn ich sc allein bin, dann bestürmen mich die Er innerungen an die Vergangenheit. Ich sage mir, wie Alle« hätte ander« sein können, wenn ich mich nicht der Familie wegen hätte fügen müssen. Ich hatte kein Glück; meine Frau und ich, wir verstanden un« nicht, und mit meinem Sohn ist c« dasselbe. Kein innigere« Band umschlingt uns Beide, mein Sohn ähnelt mir in nicht« und ich selbst kann ihn nicht so lieben, wie ich ihn lieben sollte. Für mich bleibt er immer da« Kind einer ungeliebten Fran, darüber kann ich nun einmal nicht hinan kommen." Frau von Carsten legte ihre Hand leicht auf seinen Arm. „Armer Freund," sprach sie theilnehmend, „so ist da« Glück der Häuslichkeit auch Ihnen nicht zu Theil geworden." „Glück?" rief er bitter. „Ich hätte nicht einmal so viel verlangt. Aber Ruhe und den Anstand vor der Welt gewahrt, da« hätte ich doch beanspruchen können. Allein nicht einmal da« ward mir zu Theil. Meine Frau war eine Verschwenderin, sie verstand e« nicht, sich nach unseren Einkünften zu richten. Sie machte Schulden, c« gab Auftritte, Aergcrnisse, alle Welt erfuhr davon, man sprach darüber, zeigte förmlich mit den Fingern nach uns, alle diese widerlichen Dinge kamen in die Oeffentlichkeii, und da« war ärger für mich al« der Tod. Ich habe von jeher getrachtet, unseren Namen rein und makellos zu erhalten, diese Frau hat ihn befleckt, in den Staub gezogen!" Der ganze Jahre hindurch in ihm ausgespcichcrie Groll kam jetzt zum Ausbruch Baron Bohlen hatte seine Frau gehaßt, nicht nur weil er ihretwegen seinem Jugendtraumc hatte ent sagen muffen, sondcrn auch, weil sie so ganz verschieden von ihni war. Leichtlebig, genußsüchtig, hatte sie seine strengeren Anschau ungen nie verstanden, sich stet« über da« hinweggesctzt, wa« er Anstand und gute Sitte nanntc. Sic hatte Alle« gethan, um ihn zu verletzen und zu reizen, da« vergaß er nie, nie! Der ehemaligen Jugeudgeliebtcn gegenüber sprach er sich au«. Endlich hatte er Jemand gesunden, dem er sich anvertrauen, dem er Alle« sagen konnte. Er vergaß, wo er sich befand und daß ein solche» Gespräch schlecht zu seiner Umgebung paßte. Er sah nur Luise von Carsten vor sich, er wußte, daß sie ihn verstand, seine Ansichten thcilte, ihm unbedingt in Allem recht gab. In seinem Eifer bemerkte er nicht, daß Luise einige Male die Farbe wechselte und ein leise« Zittern durch ihre Glieder lief. Sic dachte dabei an sich und ihr Gcheimniß. Wenn er, der Mann so starrer Grundsätze, Alle« wüßte — würde er sich von ihr wenden, sie wieder sich selbst und ihrem Schicksal über lassen? „Er darf e« nie erfahren, nie, nie!" sagte sic bei sich, „und c« ist ja auch keine Möglichkeit vorhanden." Diese Erkenntniß gab ihr den Muth, eine Ruhe zu heucheln, die sic nicht besaß. Während heiße Angstgefühle sic durchbebten, sprach sic sanft und begütigend zu ihm, beruhigte seine wilde Erregung. Musikklänge riesen den Baron zur Gegenwart zurück. Er hob da« gesenkte Haupt und blickte um sich. „Ach, Luise, verzeihen Sic, ich vergaß ganz, wo wir un« befinden," sagte er entschuldigend; „können Sic niir vergeben?" Frau von Carsten lächelte. „Ich habe nicht« zu vergeben," entgegnete sie gütig. „Darf ich zu Ihnen kommen, darf ich Sic besuchen?" bat der Baron. Sie zögerte eine flüchtige Sekunde lang, dann sagte sic mu klarer deutlicher Stimme: „Ja." Gleich daraus erhob sie sich und ließ sich von rem Baron zu ihren Bekannten sichren. E« kam zu keinem vertraulichen Gespräch mehr an diesem Abend, aber e« war doch überall bemerkt worden, daß der fremde Baron Frau von Carsten eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmete. So spät Luise auch heimkam, so begab sie sich doch nicht sofort zu Bett. Lange wanderte sie ruhelos hi» und her, immer nur da« eine erwägend: sollte sic die Vergangenheit begraben sein lassen oder dem Baron offen die Wahrheit sagen? „Dann ist Alle« au«, vorbei," sagte sie sich. „Wie ich Max kenne, ihn heute erst wieder kennen gelernt habe, würde er sich nie dazu verstehen, die geschiedene Frau eine« . . ." sic brach ab und barg mit eincm leisen Stöhnen da» Gesicht in beide Hände. Lange blieb sie so in dieser Stellung; dann ließ sic die Hände sinken und sagte, bleich wie der Tod, aber mit dem Aus druck unerschütterlicher Entschlossenheit: „ES sei! Ich werde schweigen; denn ich will noch einmal glücklich werden!" Ban Bcerbrouck hatte mit seiner Tochter und Frieda Wöhring in Hamburg Aufenthalt genommen. Sein Hausstand war reich und gediegen eingerichtet, alle« deutete darauf hin, daß er hier längere Zeit zu verbleiben gedachte. Selma versicherte ihrem Vater, sie suhle sich in Hamburg sehr zufrieden, auch zu Frieda sagte sie: »Ich möchte am liebsten für immer hier bleiben. Da« bunte, bewegte Leben dieser Stadt gefällt mir und wenn wir hier vor den Wilson« sicher sein sollten, hege ich keinen Wunsch mehr." Frieda mußte dann jcdc«mal an Harry Wilson und seine Drohung denken. So wenig sie derselben Gewicht beilegte, so blieben ihr seine Worte doch unvergeßlich. Ihr brachte der Hamburger Aufenthalt eigentlich wenig Freude. Walter zeigte sich sehr verändert und zwar durchaus nicht zu seincm Bortheil. Sein Eifer, selbst sein Ehrgeiz schienen ganz verflogen zu sein, er war in eine Gesellschaft junger Lebemänner gerathen, die da« Wort „Genuß" zu ihrer Devise erwählt hatte. Er vernachlässigte seine Kunst, kümmerte sich fast garnicht um Frieda und erlaubte sich gegen feine Tante kleine Rücksicht« losigkeiten, die di« an Formen starr sesthaltcndc Frau zu gleicher Zeit verletzten und empörten. «Fortsetzung folgt.,
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