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'gegen 700,000 Thlr. Die nächste Deranlaffung hierzu bot die am 15. August bevorstehende Feier des 100jährigen Geburtstages des Kaisers Napoleon. Hoffentlich, meinen die Pariser Zeitungen, wird die Wohkthätigkeit des Kaisers nicht bei den Invaliden stehen bleiben, sondern auch die armen, vielgeplagten Elementarlehrer, die sich nur kümmerlich vor dem Hungertode retten können, mit einem Almosen be denken. — Daß die belgisch-französische Eisenbahn frage nicht von der Stelle rückt, daß die früheren Lob-Hhmnen auf einen Triumph des Kaiserreichs über das kleine Belgien verfrüht waren, geben jetzt selbst die Regierungsblätter in Paris zu. Der belgische Minister Frere-Orban hat von Brüssel nach Paris eine Denkschrift mitgebracht, welche die Rechte Bel giens auf selbstständige Ordnung seiner inneren ' Fragen und Eisenbahn-Angelegenheiten scharf be tont und von der aufgedrungenen französischen Glück seligkeit nichts wissen will. Inzwischen drängt in Spanien Alles mehr und mehr auf die Republik hin. Das schnöde Hausiren mit der Königskrone hat den spanischen Stolz auf's Tiefste beleidigt und auch das Ausland stutzt über die hierbei zu Tage tretenden Vorkomm nisse. Einem König, Don Fernando, von Portugal wird eine Krone beinahe aufgezwungen, von der er nichts wissen will und eben, als die Chancen für den Herzog von Montpensier anfangcn ernst zu werden, heißt es: Gerade seine Candidatur sei ganz unmöglich. Wiederholte Besprechungen von Mit gliedern der Majorität der Cortes haben zu dem Ergebniß geführt, daß die Frage der Thron-Candi- daturen vorerst ganz ruhen solle. Zunächst soll das Verfassungswerk zu Ende geführt werden. Ebenso sollen alle auf die Colonien bezüglichen Fragen bis zum kommenden Monate, in welchem man die An kunft der überseeischen Deputirten erwartet, vertagt bleiben. Mit Rücksicht hierauf wurde auch der An trag Garrido's auf Abschaffung der Sclaverei auf den Antillen von der Tagesordnung abgesctzt. An der französischen Grenze sammeln sich in zwischen Carlistenbanden und es fragt sich, ob die Cortes Ruhe und Zeit haben werden, das Ver fassungswerk durchzuberathen. In Italien macht sich das Verhältniß zu Oesterreich immer herzlicher. König Victor Emanuel will seine Tante, die Frau des abgedankten Kaisers Ferdinand in Prag, besuchen und auf der Rückreise in Wien einsprcchen. Mehr und mehr zeigt sich aber, daß dieses Einverständniß mit Oesterreich nicht seine Spitze gegen Preußen kehrt, sondern daß diese Freundschaft namentlich im Orient praktisch werden kann. Oesterreich hat nun endlich seinen Minister präsidenten. Nachdem Jahre lang die verschiedensten Persönlichkeiten als Nachfolger des Fürsten Carlos Auersperg genannt wurden, ist jetzt der interimistische Stellvertreter, Graf Taafe, unter Zustimmung sämmt- licher Mitglieder des ciSleithanischen Cabincts zum definitiven Minister - Präsidenten ernannt worden. Hoffentlich kommt nun etwas festerer Halt in dieses ganze Ministerium. Eigenthümlich ist die Er scheinung, daß die obersten Kirchenfürsten in Oester reich, welche bisher schroff gegen die Neugestaltung Oesterreich« und seine freisinnige Verfassung Front machten, zerfallen find. Der Cardinal Fürst Schwarzenberg in Prag will von keiner Verstän digung etwas wissen, während Cardinal Rauscher in Wien sich einer Versöhnung geneigt zeigt und der Erzbischof von Salzburg ebenfalls einen vermitteln den Standpunkt einnimmt. Unter solchen Umständen gewinnt die Nachricht, daß auch die römische Curie ihre grundsätzliche Befehdung des neuen Oesterreichs aufgeben werde, an Wahrscheinlichkeit. — Am meisten Schwierigkeiten macht den westösterreichischen Mi nistern augenblicklich die polnische Frage. Die Nach richten über das Verhalten der galizischen Abgeord neten, ihr Verbleiben im oder ihr Austreten aus dem Reichsrathe, die Meldungen über die Erklärungen des Ministers Giskra im Verfassungs-Ausschuß widersprechen sich. Doch hat der Besuch, welchen der preußisch-polnische Abgeordnete vr. Welt jüngst in Galizien gefunden, die Demonstrationen, die man für Widerherstellung eines großen polnischen Reiches in Scene gesetzt, das Lied: „Noch ist Polen nicht verloren", das man gesungen hat, gelehrt, daß sich die Polen in Galizien thatsächlich einer Freiheit erfreuen, wie sie in Rußland und in Preußen nicht Vorkommen. Im norddeutschen Reichstag in Berlin erwartet man mit Ungeduld die Steuervorlagen, nicht um sie anzunehmen, sondern um sie abzulehnen. Die Vertreter der Landwirthschaft wehren sich und ganz mit Recht wie verzweifelt gegen die Erhöhung der ' Spiritussteuer, aber es ist Unrecht von ihnen, daß sie neuerdings eine Quittungs- und Rechnungssteuer Vorschlägen. Der Grundbesitz sollte nicht dem Handels stand eine Last, die er selbst nicht tragen wag, auf bürden, wir schleppen, mögen wir vom Handel oder vom Grundbesitz leben, gleichmäßig schwer genug schon an den Steuern. Von hoher Bedeutung waren im Reichstag die Debatten über einen Antrag der Abgeordneten Twesten und Graf Münster auf Er richtung verantwortlicher Bundes-Ministerien. In der betreffenden Sitzung am 18. April bildete den ersten Gegenstand der Tagesordnung die Berathung des Antrags der Abgeordneten Twesten, Graf zu Münster und Genossen wegen Einsetzung verant wortlicher Bundes-Ministerien, namentlich für aus wärtige Angelegenheiten, Finanzen, Krieg, Marine Handel und Verkehrswesen. Abgeordneter Twesten motivirt den Antrag unter Hinweis auf die Un fertigkeit der Bundesverfassung und betont, daß der Antrag bezwecke, Ordnung und Stetigkeit in die Bundesverwaltung zu bringen, welche jetzt chaotisch sei. Die Ressorts des Krieges und des Auswärtige« seien schon auf den Bund übernommen; Ressort-ChefS für Handel und Finanzen seien unentbehrlich. DaS Haupt-Motiv des Antrags sei das von der natio nalen Entwicklung untrennbare konstitutionelle Recht. Graf zu Münster erklärt, ihm wäre ein weiter gehender Antrag auf Revision der Bundesverfassung lieber gewesen. Er hoffe, diese durch den vorliegen den Antrag zu erreichen. Der Antrag motivire fich als ein Vertrauens-Votum für den Bundeskanzler Grafen von Bismark (Heiterkeit) und beabsichtige