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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend Amtsblatt -es Königlichen Verichtoamtes and -es Sta-trathes zu Kifchofswer-a. Diese Seitschrist erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und Sonnabends, und kostet vierteljährlich 12'j, Rgr. Inserate werden bis Dienstag« und Freitag« früh 8 Uhr angenommen. Mittwoch, den 21. April. j 1869. Rundschau. Der Tag, an welchem der Papst das Jubiläum des Tages beging, wo er vor 50 Jahren seine erste Messe las, ist in der ganzen katholischen Welt feier lich und mit freudiger Rührung begangen worden. Pius IX. gehört zu den wenigen Päpsten, die man glückliche nennen kann. Trotz mancher schweren Stürme, die über sein Haupt dahingebraust, erlebt es der sich einer guten Gesundheit und eines treff lichen Humors erfreuende Greis, daß eine ganze Welt an seinem Ehrentage ihm Huldigungen dar bringt, Opfer der gediegensten Art. Selbst die Römer, die mit Zähneknirschen die weltliche Herrschaft des Papstes ertragen, gestehen ein, daß sie eine so großartige Demonstration nicht erwartet hätten. Pius IX. hat die Vorräthe, die ihn in feinster Qualität massenhaft zugesendet, Mehl, Oel, Wein, Leinwand, Tuch, Chocolade rc. an die Armen ver- theilen lassen, und — die Waffen und Schätze Goldes für sich behalten. Dafür hat er, 300 Jahre nach der Reformation — einen 7jährigen Ablaß den Tausenden verkündet, die in dem Tempel waren, wo er jetzt die Messe las. Einen 7jährigen Sünden erlaß! Man muß es sich zwei Mal sagen lassen, ehe mau es glaubt. Der würdige Greis im Vatikan hat unsere vollste persönliche, menschliche Hochachtung und wir wissen auch, daß nicht bloS die jahrelange Agitation der streitbaren Bischöfe auf der ganzen Erde diese Tausende von Geschenken zusammen gebracht hat, die jetzt nach Rom strömen, sondern daß viele Liebesgaben frommer gläubiger Gemächer darunter sind — aber wenn am Vorabend eines ökumenischen Concils, auf welchem die Unfehlbarkeit des Papstes, sein Glaubenssatz, daß er über dem Concil stehe, proclamirt werden soll, wenn da ein 7jähriger Sündenerlaß vorhergeht, so tragen wir den Kopf hoch als Protestanten. Dies ist ein Schlag in das Gesicht der civilisirten Welt und dieses Jahr hunderts und mögen in Rom jetzt auch noch so viele katholische Fürsten ihre Huldigung darbringen, kost bare Geschenke, Meßgewänder, Kelche, Crucisire ScapWre und wer weiß noch was, Alles mit Diamanten übersät, überreichen, mag selbst der protestantische König von Preußen es in Rücksicht nahme auf seine katholischen Unterthanen für unum gänglich nöthig halten, dm Herzog zu Ratibor mit einem eigenhändigen Glückwunschschreiben nach Rom zu senden — wir wissen jetzt, was sich unter diesem Pompe verbirgt: die Herrschaft der Priester über die menschliche Seele. Der Mensch braucht aber keines Vermittlers zu Gott, als des Einen und daß dieser Eine nicht in Rom ist, darüber täuscht uns die Herrlichkeit, die jetzt an der Tiber auflodert, nicht. Mag der Leser diese Abschweifung in das reli giöse Gebiet verzeihen; aber es gehört mit zu der Geschichte der Gegenwart, man versteht die Faktoren, welche die Welt in Bewegung setzen, nicht oder nicht vollständig, wenn man die Macht der römischen Priester auf die Gemüther der Menschen, wovon wir jetzt in Rom einen so überwältigenden Beweis erleben, nicht mit in Betracht zieht. In der Politik sah es ja in den letzten Tagen recht erfreulich, daS heißt, recht füll aus. Auch Graf Bismark erkannte es öffentlich im norddeutschen Reichstag an, daß augenblicklich ein Zug des Friedens durch die Welt gehe. Frankreich vermeidet jetzt sichtlich Alles, was den Frieden stören könnte, denn — die Wahlen, die in 4 Wochen erfolgen, verlangen, daß sich die offi- ciellen Candidaten auf die friedliche Politik der Re gierung berufen können. Die Opposition wird, wie sie jetzt selbst bekennt, zufrieden sein, wenn sie 50 Vertreter in den gesetzgebenden Körper bringen kann. Man erwartet höchstens eine Niederlage des Kaiser reichs insofern, als die großen Städte durchgehend oppositionell wählen werden. Der Kaiser hat ein ziemlich durchsichtiges Wahlmanöver insofern in Scene gesetzt, als er am Vorabend der Wählen zu seinem Ursprung zurückgeht und das Bild des allen Napoleon als seinen Schutzheiligen aufstellt. Ohne ihn wäre ich nichts! schreibt der Neffe von seinem großen Onkel und um das Andenken an seinen großen Ahnen zu ehren, sollen den alten Soldaten de« ersten Kaiserreichs Pensionen von circa 60 Mr. jährlich gegeben werden. Das macht im GanM