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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung : 20.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id426614763-190010203
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id426614763-19001020
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-426614763-19001020
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk des Amtsgerichts ...
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Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-20
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Monat
1900-10
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Jahr
1900
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und seine Ehesrau in ihrer Wohnung todi aufgefunden worden seien. Man fand Dietrich mit durchschnittenem Halse aus dem Boden leine» Schlafzimmer» liegend, während Frau Dietrich er hängt aufgesundcn wurde. Ob Mord oder Selbstmord vorlicgt, wird erst die Untersuchung ergeben. Dietrich tollte heute oder morgen nach dem städtischen Krankenhause in Dresden zu einer genauen Untersuchung überführt iverden. Da» Schlafzimmer der Dictrichschen Eheleute liegt nach der Straße zu, während die beiten erwachsenen Kinder in einer nach der Rückseite de» Hause» zu gelegenen Kammer fchlasen. Die öffentliche Meinung hier und in Naußlitz geht dahin, daß e« Dietrich thatsächlich gelungen sei, durch eine lange Reihe von Jahren ärztliche Autoritäten über seinen Zustand zu täuschen. Die Wohnung ist sofort von Seiten der Behörden unter Bewachung gestellt. — Zu dem Drama wird weiter gemeldet: Die Leichenschau hat ergeben, daß der Tod Dietrich» durch einen Schuß in den Kopf, wodurch da« Gehirn verletzt wurde, erfolgt ist, während die Frau Dietrich» durch Erhängen fick da« Leben nahm. Ob Dietrich sich selbst erschossen hat, ist noch nicht bestimmt sestgestcllt. Dem Vernehmen nach hat Frau Dietrich einen Brief hinterlassen, worau« ersicht lich sein soll, daß sic ihren Mann erschossen habe. Der Brief ist nicht der zuständigen UntcrsuchungSbehörde, sondern heute in aller Frühe einem Arzt eingehändigt worden. Während der Leichnam der Frau nach der Leichenschau freigegeben wurde, war die« bezüglich der Leiche de» Manne» nicht der Fall. In den letzten Tagen wurde eine große Anzahl von Personen vernommen, deren Aussagen mit Bestimmtheit dahin gehen, da» dieser vom Jahre 1894 an sich öfter in der Stube frei bewegt und häufig Arbeiten verrichtet habe. Da die Vernehmungen in der Nähe der Dictrichschen Wohnung ftattgcsunden haben, so ist wahr scheinlich, daß die beiden Eheleuie von den Aussagen Kcnntniß erhalten haben. Da» Ergcbniß der Sektion ist noch nicht bekannt. — Schwarzenberg. Mit l. November wird Herr Re gierungsassessor Ui. Pcrthen an die AmIShauptmannschaft zu Glauchau versetzt. An seine Stelle kommt Herr Assessor von Locken, welcher bisher an der Polizei-Direktion zu Dresden thätig war. — Oberwiesenthal. Hier hat sich der 9 jährige Joseph Vater, Schüler der 3. BolkSschulklasse, erhängt. Die Mutter überraschte den Knaben bei der That, befreite ihn rasch au« der Schlinge und brachte ihn auch durch Wiederbelebungsversuche zum Bewußtsein. Der Junge starb jedoch nach wenigen Stunden. Er hatte wiederholt geäußert, ihn freue da» Leben nicht mehr. — E« giebl keine Kinder mehr! — Der Kölnischen Zeitung wird au» Sachsen geschrieben: „Al» vor nunmehr reichlich 92 Jahren die Einkommensteuer in Sachsen eingcsührt worden war, rühmte Bebel da» Einkom- menstcuergcfitz al« da» beste Gesetz, da« je in Sachsen gemacht worden sei. Von seinem Standpunkte aus mochte er recht haben, da» Gesetz zu preisen; denn durch kein Andere» ist so viel all jährlich sich erneuernder Grund zu Mißmulh und Unzufriedenheit geschaffen worden, al» durch da« Einkommensteuergesetz. ES will den Grundsatz zur Geltung bringen, daß die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu bemessen sei, und doch zeigt sich in allen Ecken und Enden, daß die Einkommensziffer ein schlechter und willkürlich gegriffener Maßstab für die Leistungsfähigkeit ist. Da» mit Sorgen kämpfende Haupt einer vielköpfigen Familie mit der selben Steuerlast zu bedenken, wie die von dem gleichen Ein kommen sehr behaglich lebende Einzelperson ist keine ausgleichende Gerechtigkeit und manche» Andere ebensowenig. Vielen berechtigten Unmuih und stillen Groll bringt auch alljährlich die Behandlung der Selbsteinschätzungen, der .Deklarationen", beim Einschätzungs verfahren zuwege. E« mag ja Grund genug zum Mißtrauen gegen Sclbsteinschätzungen gegeben worden sein; aber wenn nach den letzten statistischen Veröffentlichungen von 22,800 Einge schätzten mit Einkommen über 4800 bi» 9400 Mk. sich 3820 zu einer Reklamation gegen ihre Einschätzung getrieben fühlten und von diesen Reklamationen nur 1122 aus materiellen Grün den abgewicscn wurden, 1862 aber berücksichtigt werden und da bei 88 Eingeschätzte sogar um zehn (!) und mehr Steuerklassen herabgesetzt werden mußten, so spricht dies doch für ein zu weit getriebene» verletzende» Mißtrauen gegen manchen ehrenwerthen Mann, der sein Einkommen „nach bestem Wissen und Gewissen" angegeben zu haben schriftlich versichert halte. Die Beschwerden der Presse über diesen Punkt haben nicht aufgehört, und sic sind denn auch endlich von Erfolg begleitet gewesen: eine jüngst er lassene „Instruktion zum Einkommensteuergesetze" mildert die bisher für die Steucrbeamten und Einschätzungskommissionen gültigen Anweisungen in vielen Punkten und entfernt geräuschlo» Manche«, was diese bisher verleiten konnte, in den Einschätzungen zu hoch zu greifen und im Mißtrauen zu weit zu gehen. Ins besondere ist folgende bedenkliche Bestimmung in Wegfall gebracht: „Wenn eine formell genügende Deklaration vorliegt und die Prüfung derselben ergiebt, daß da» dcklarirtc Einkommen den Betrag de» steuerpflichtigen Einkommen«, auf welchen die Gc< sammihcir der der EinichätzungSkommission bekannten Verhältnisse de« Deklaranten schließen läßt, übersteigt oder doch nahezu er reicht, so sind deren Angaben der Einschätzung zu Grunde zu legen." Grade diese Bestimmung hat bisher zur Verwerfung vieler Deklarationen und zu Ueberschätzungcn Anreiz gegeben; daß sie jetzt au» der Instruktion verschwunden und durch eine Vor schrift allgemeinen Inhalt« ersetzt ist, wird den Einschätzungs- Kommissionen ein ausreichender Wink sein, bei der Verwerfung von Deklarationen fortan mit größerer Behutsamkeit zu ver fahren. Amtliche Mitttzeilungeu üver die Sitzung des Hemeinderaths zu Schönheide vom 10. Oktober 1900. Der Gemeinderath nimmt 1) Kenntnib von dem Stande einiger Armenangelegenheiten, 2) beschließt die Uebcrnahme der in Hannover der öffentlichen Unterstützung anheimgesallenen ContoristenS-Ehefrau Knappe in hiesige unmittelbare Fürsorge, g) setzt sür die Zeit vom I. Novbr. d«. I». ab die Miethe sür die von habende Wohnung aus « MI. monatlich fest, ift^ 4) mit der vorübergehenden Errichtung einer Baubude Seiten eine« hiesigen Baumeisters aus dem Armenhausgrundstülke einverstanden, 8) stimmt bezüglich der Wahl der Zähler für die bevorstehende Volkszählung den Vorschlägen de» Vorsitzenden zu, 6) ertheilt zu dtp Anschaffung von »0 neuen Feuerwehrjoppen nachträglich Genehmigung, ebenso zu der Erhöhung der Entschädigung sür den Wacht- dienst bet Bränden, 7) justifilirt von den lSWer Rechnungen, die a. der Armenkaffe, I>. des EkektricitütSwerkScontos, v. der Volksbibliothek, -1. der Gemeindeiaffe, letzter« «orbehältlich der annoch zu bewirkenden öffentlichen Auslegung und wählt 8) sür die StaatSsteuer EinichätzungSkommission die Herren Bürstensabrikant Kolbe, Landwirth Ernst Unger, Obermeister Berger, Handelsmann Preuß als Mitglieder und die Herren Bürstenfabrikant Leistner, Kaufmann Robert Tuchscherer, Bäckermeister Männel, Landwirth Baumgärtel al« Stellvertreter. Vor huudrrt Jahre». 20. Hklover. Vernunft-Religion 1800. Der in den letzten Jahrhunderten nur noch wissenschaftliche Streit zwischen Orthodoxie und Liberalismus auf religiösem Gebiete scheint vor hundert Jahren sehr scharfe Formen angenom men zu haben; eine gewisse Aehnlichkeit mit manchen „Zeichen unserer Zeit" ist unverkennbar. So schreibt der Kirchen und SchulinspBtor des Jerichower Kreises und Oberprediger zu Loburg P. C. Schäffer in einer 1800 erschienenen Broschüre „der glückliche Staat", in welcher er den „apodiktischen Beweis liefern will, daß die von Gott geoffenbarte Religion nur allein im Stande ist, das Wohl der Länder und Völker zu begründen". Folgendes: „Die Ver» theidiger der Vernunft-Religion haben sich eigenmächtig das Vorrecht einer uneingeschränkten Diktatur angematzt; überall treten sie als privilegirte Sprecher mit Machtsprüchen auf, die oft mit nicht wenig bitteren Verun glimpfungen ihrer Gegner verbunden sind. Die von ihnen in üblen Ruf gebrachte Orthodoxie kann über ihr mächtiges Schreien nur noch äußerst selten mit vieler, oft fruchtloser Mühe gegen sie zu Worte kommen." Der Verfasser beklagt, daß die Gegner der Orthodoxie alle Druckereien und Buch läden dergestalt mit Beschlag belegt haben, daß sie die erbärmlichste Broschüre schreiben können, die dennoch ihren Verleger finde, während die Orthodoxen, wenn überhaupt, so jedenfalls nur ohne Honorar ihre Werke veröffentlichen können. Er warnt davor, die geoffenbarte Religion nach u. nach aus dem christ lichen Staate zu verdrängen und die Vernunftreligion zur herrschenden Landesreligion zu machen. — Inzwischen sind hundert Jahre vergangen und weder sind die Hoffnungen der Einen, noch die Befürchtungen der An dern zur Wahrheit geworden. Auch im Staatenleben wachsen die Bäume nicht m den Himmel. 21. ÄKtover. Eine höhere Schule 180". Die yroße Stadtschule zu Potsdam, deren Schülerzahl sich auf 163 belief, war em Lyceum, daS seiner Stiftung gemäß eine Gelehrten- und Bürgerschule sein sollte. Es wurde gelehrt: Latein in drei Klassen (PhädruS, Cornel, LiviuS, Tacitus, Horaz, Virgil); Abschnitte aus einem griechischen Lesebuch); Französisch in drei Klaffen (Mt-moires de Brandenburg u. A. m.); Deutsch in drei Klaffen (Uebersetz- ungen aus fremden Sprachen, ferner theoretische und praktische Hebungen»; Religion in zwei Klaffen, Geschichte und Geographie in drei Klaffen (all gemein und vaterländisch); Arithmetik nach ihrem ganzen Umfange und die Elemente der reinen Mathematik; Naturlehre und Naturgeschichte in zwei Klassen; Lese- und Verstandesübungen (Wilmsens deutscher Kinderfreund) m zwei Klassen; Schreibstunde in zwei Klassen. Zu diesen „im Allgemeinen angegebene Gegenstände" kamen noch lateinische und französische Stylübungen, antiquarische und mytologische Kenntnisse, „ferner in vielen Nebenstunden ein erweiterter Unterricht in den angeführten Gegenständen, soweit sie zur Bildung des künftigen Gelehrten und Bürgers gehören." — Wie man sieht, war diese Schule himmelweit verschieden von unserer „Reformschule", wie denn die unglückliche Verquickung der Gelehrten- mit der Bürgerschule vor 100 Jahren schon ebenso grassirte, wie bei uns noch bis in jetzige Zeit. 22. Oktoöer. Preußen 1800. Der Besitz des preußischen Staates im Jahre 1800 soll hier nicht bis ins Einzelnste dargelegt werden ; vielmehr seien nur die markantesten Unterschiede angegeben zwischen heut und der Zeit vor hundert Jahren. Man muß sich vor Augen halten, daß das Königreich Preußen bereits zu den europäischen Großmächten gehörte, weniger seines Umfanges wegen, als seines Ansehens und seiner, namentlich durch Friedrich den später Napoleons Augenmerk, vor Allem Preußen zu einem bedeutungslosen Kleinstaat zu degradiren. Im Jahre 1800 war das Königreich Preußen noch weit mehr als heute, im Süden und im Westen durchbrochen durch zahlreiche kleine u. kleinste Staaten. Im Osten gehörte zu Preußen ein großer Theil von Blen mit Grodeo, Bialystock, Warschau, Kalisch, Neuostpreußen und Süd preußen genannt. Das jetzige Ost- und Westpreußen, Schlesien, Branden burg, Pommern «Vorpommern mit Stralsund war schwedisch), waren der Kern des Staates, dem sich in einzelnen Stücken Theile des heutigen Sach sen (Wittenberg, Torgau rc. gehörten zu Kursachsen), Westfalens, Ansbach und Bayreuth und andere „Kleinigkeiten" anschlossen. Schleswig - Holstein war dänisch, Hannover selbstständig, ebenso das Kurfürstenthum Hessen. Ein Theil des Rheinlands und Westfalens, wie überhaupt der äußerste Westen Deutschlands zerfielen in jene zahlreichen kleinen Ländchen, die später (1801 und 1806) den angrenzenden größeren Staaten einverleibt wurden. Hin Ehrenwort. (4. Fortsetzung.» Es war dem Assessor klar, Vater und Tochter hatten seine Aufrichtigkeit für absichtlich und für Parteinahme gehalten. „Da« Mädchen hat Augen, hinter welchen mehr steckt, al» die hocknnüthige Kälte," sagte er sich dann. Schneller, al« er geglaubt halte, war er vor dem Thore de« alten Schlosse« Rheustein unv sah überrascht da» lang sich hindehnende dreistöckige Herrenhaus, dessen beide Flügel sich an einen uralten, festen, runden Thurm schlossen, durch welchen ein Thorweg auf den an der Rückseite gelegenen Eingang führte. Recht» und link» lagen Obst- und Gemüsegärten und darin arbeiteten Gärtner und Tagelöhner; ein Knecht führte einen großen Wagen voll gemähten Klees über die Brücke durch da« Thor, und auf rem Hofe standen im vollen Genuß der Sonn- tagSkeier Knechte in weißen Hemdsärmeln; ein paar große schot tische Wasserhunde mit langem Behang spielten übermüthig mit einem kleinen Terrier, der sich der Freundschaft der Großen stolz zu freuen schien. Eine vergoldete Voliöre, Tauben- und Hühner häuser und um dieselben herum allerlei schöne« Geflügel erinner ter an die verstorbene Gutsherrin. Man führte Traulmann in einen dritten, reckt» an den Hof sich schließenden kleinen Garten innerhalb de« Schloßgraben», wo Winzcek in einer Hängematte im Schatten einer Baum gruppe lag. E« gehörte nur ein einziger Blick dazu, um zu erkennen, hier wohnte nicht nur ein reicher Mann, sondern einer, der seine Sachen verstand und Geschmack hatte. Da» bewies gleich darauf auch die stumme ungerufene Erscheinung eine« dunkel und elegant livrirteu Dieners, der nur eine» Winke« bedurfte. „Welcke Ueberraschung! Herzlich willkommen!" rief der Gutsherr, sein Buch in die Hängematte werfend und mit offen kundiger Freude Trautmann die Hand cntgcgenstreckend. „Ich hatte mich schon darauf gefaßt gemackt, daß Tristleben mich in den Bann thun würde, aber erzählen Sic mir doch erst, haben Sie von Leutnant v. Truhn gehört? Ich weiß, e» ist nicht« mit seiner Verwundung. Gott sei Dank! Die Sache war, ich wollte iHv überhaupt nicht treffen — e» ist mir völlig un verständlich, wie meine sichere Hand mir diesmal versagen konnte. Ehrlich gestanden, mir wurde nachher ganz schlecht, al« ich be dachte, wie leicht e« um sein Leben hätte gehen können!" Und nun sah er ganz düster au«, aber fast noch anziehender. Trautmann berichtete, wa« er vom Sanität»rath wußte, und dann zum Beweis, daß die Schwester und der Vater sicht lich keine Sorge hatten, wie er diese Beiden getroffen und daß er glaube, e» komme fürstlicher Besuch. E« entging ihm nicht, daß eie Erwähnung de« Fräulein« von Iruhn Winzcek tief er regte: er wanote aber seine Blicke ab und lenkte auf ein andere» Gebiet. Nach kurzer Zeit, die sie rauchend in der nahen Laube zu- brachicn, rief der Diener sie zum Frühstück herein. „Bleiben Sie heute bei mir, ich erwarte zu Tisch ein paar Nachbarn," bat Winzcek. Trautmann mußte ablehnen. „Nun, da» ist etwas Andere«, da wollen wir die kurzen Stunden sroh genießen," beantwortete Winzcek seine Erklärung. Dann traten sie in da» Hau«. Winzcek war der liebenswürdigste Wirth und von glanzender UnterhaltungSgabc. Trautmann hörte au» seinen Reden, daß er die nicht un bedeutende Bewirthschaftung dc« Gute« selbst und mit Lust und Liebe leitete. „Ich hatte zuerst einen alten Verwalter, da ich nicht» ver stand; er lebte noch mehrere Jahre bei mir, ehe er starb; in zwischen sah ich ihm und meinen Gul«nachbarn ab, wa» wir nolh that, und habe nun die Zügel selbst in der Hand." E« fiel Trautmann auf, daß Winzcek öfter wieder aus die Truhn», seine Begegnung im Park, zurücklenkte. Hätte er nicht« geahnt von dem Gerücht, daß Winzcek um Ulla v. Truhn werbe, so würde ihm auch nicht der Gedanke an eine Leidenschaft desselben sür da» stolze Mädchen gekommen sein. Jetzt sah er tiefer, sah den fragenden Blick, die erregten Züge ein heiße» Sehnen de» Herzen« verrathen. Der Mann intcressirte ihn immer mehr. Später zeigte Winzcek ihm da» ganze Schloß. In dem geräumigen Salon befand sich über dem Kamin von weißem Marmor ein Oclgemälde, drei Damen in Rokokotrachi lebensgroß darstellend. E« war ein sehr schöne» Bild, offenbar drei Schwestern; man hätte schwer sagen können, welche die Schönere sei. „Die letzten adligen Besitzerinnen dc« Schlosse», die drei Gräfinnen von Rheustein. Sie haben zur Bedingung gemacht, daß die» Bild seinen Platz behalten müsse, daß Keiner da» Gut besitzen solle, der nicht seinem Vorgänger da« Wort gegeben habe, e» an seinem Platze zu lassen", erklärte Winzcek. „Die Braune sieht dem Fräulein d. Truhn ähnlich!" rief Trautmann, und überrascht sich nach dem Hau-Herrn umwendend, sah er, wie dessen Blick mit leidenschaftlicher Innigkeit an dem selben Antlitz hing. Winzcek zuckle leise zusammen. „Da» finde ich auch, nur sind diese Augen wärmer," sagte er ruhig, Trautmann merkte in- deß, wie er sich zwang. Der Assessor sah noch einmal hin. Die Aehnlichkeit war in der That überraschend, um so mehr, al» die Frisur de» Kopse» auf dem Bilde im Gegensatz zu den gepuderten der Schwester, eine ganze ähnliche war, wie die UllaS v. Truhn; selbst die Hal tung oe» Haupte» war die gleiche. Sie gingen weiter. Winzcek glaubte sich unbeachtet und sah niedergeschlagen au»; Traulmann kam der Gedanke, seine heutige Miene sei bi- zu dieser Minute Verstellung gewesen. Ueber den Thorbogen lag sein Wohnzimmer. Ganz erstaunt blieb Trautmann stehen. Das war in der Thar völlig da« Zimmer eine» großen Herrn. Der schöne achteckige Raum enthielt an den Wänden rcickgefüllte Bücherregale, deren nicht ganz tadellose Ordnung bewies, daß sie viel benutzt wurden. Schöne Schränke mit Schieß waffen, Pfeifen, Jagdtrophäen, hundert Dinge, sür die nur ein Feingebilvetcr Geschmack und Interesse haben kann, und dabei war es doch immer schlicht und in vornehmer Ruhe gehalten, ein Heim, wie man e« sich für einen Mann nicht traulicher und harmonischer denken konnte. Vom Schreibtisch au», der vor dem Mittclsenster stand, übersah man den Weg nach der Stadt. „Und hier wohnte meine verstorbene Frau," sagte Winzcek, auf eine Thür deutend, die verschlossen war. Es schien Trautmann, al» zögere er, und deshalb wandte er sich schon zum Weitergehen. Plötzlich hörte er aber den Schlüssel im schloß klirren. „Kommen Sie, ich war lange nicht hier drinnen," sagte Winzcek. Zwei Räume nebeneinander, mit einem Ueberfluß und Kom fort bi« zur Uebertreibung gefüllt nnd doch verödet. Ein großer reich geschnitzter Kasten fiel Trautmann zuerst aus. „ES ist eine Spieluhr, ein wahre» Meisterwerk," sagte Winz- cek erklärend. Und dann setzte er hinzu: „Sie liebte Musik so sehr und hatte nie gelernt, ein Instrument zu spielen." Al« ob er in TrautmannS Seele lesen könne, fuhr er fort: „Man wird Ihnen erzählen, daß sie eine sehr einfache Natur war, wenig er zogen. Sehen Sie, da« ist ihr Bild. Kaulbach, der Acltere, hat e« gemalt." Er zog einen Vorhang zurück. Einen AuSrus dc« Staunen« und de» Entzücken» entschlüpfte Trautmann ganz unwillkürlich. „Da« war in der Thar eine Schönheit." „Und sie war gut, liebevoll, sie lebte nur mit dem Herzen. Alle«, wa« ich habe, Lanke ich ihr," sagte Winzcek weich. Still zog er den Vorhang wieder über da« Bild, und Traut mann verglich im Geiste Ulla v. Truhn damit. Wie unähnlich in jeder Hinsicht. Al« Traulmann dann Abschied zu nehmen begann, wurde Winzcek durch einen Expreßboten unterbrochen, der ihm die Ab sage zweier seiner heutigen Gäste brachte, zweier Brüder — eine schwere Erkrankung de» Vater« ries sie ab. „Da bleibt mein dritter Gast auf mich allein angewiesen," sagte Winzcek bedauernd ; „eS ist der Landrath, er meldete sich schon neulich bei mir zu Tisch; Nachmittag« fahren wir dann zum landwirthschaftlichen Verein in einem Nachbardorse," setzte er hinzu. Dann schieden sic; c« wurde hohe Zeit sür Trautmann. Am Schlosse vorbeikommend, sah er alle Fenster desselben offen; viele Knechte, Arbeiter und Arbeiterfrauen liefen hin und her, klopften Teppiche, putzten Fenster, reinigten den Hof von dem hohen Grase, und selbst im Park suchte man Ordnung zu schaffen, während immer noch Leute in ArbeitSkleidern mit aller, lei Werkzeugen eilig herankamen. Offenbar hatte Truhn alle verfügbaren Kräfte herbeirufcn lassen, trotz de« Sonntag». Er selbst hastete über den Hof, sah sich aber gar nicht um. Die Tochter war nicht zu erblicken, doch da saß ja der Leutnant am offenen Fenster. Sie grüßten einander; Traulmann trat zu ihm und freute sich, ihn außer Bett zu wissen. E« hatte also wirklich keine Bedeutung mit seiner Wunde? „Nicht die geringste," antwortete der Leutnant, fragte nach Winzcek und lachte über Trautmann» Sorge, daß ihm Unannehm lichkeiten erwachsen könnten. E« war ganz und gar keine Ur sache zu ernsten Bedenken, wie hätten sonst auch Vater und Tochter schon bald nachher so gleichgültig sein können. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — Die Heldenthat eine» japanischen Soldaten. Ein europäischer Korrespondent berichtet der japanischen „Time«" von folgendem Zwischenfalle, der sich bei der Einnahme von Tientsin zutrug. Die au» verschiedenen Kontingenten zusammen gesetzte Slurmkolonnc stieß vor dem Stadtthore auf einen stark befestigten Vorbau. Die 00 bi» 60 Fuß hohe Stadtmauer schloß ein Erklimmen derselben au». Um aber bi» vor da» Thor zu gelangen, mußte eine Brücke und ein völlig unbedeckter Platz genommen werten. Trotz de« Feuer« der Chinesen von den Mauern herab avancirte ein Trupp japanischen Sappeure, um da» kleine Fort an dem Thore zu sprengen. Dreimal wurde die Zündschnur durch die Kugeln der Chinesen zerrissen, und jede»mal halten die Japaner den Muth, dieselbe von Neuem
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